Martin Treberspurg – ein österreichischer Architekt mit „grüner Ader“ auch für Tschechien

Grüne Architektur (Foto: www.e-architekt.cz)

Tschechische Architekten erreichen äußerste Perfektion beim Bau von ökologischen Gebäuden. Allerdings müssten sich die Förderungsbedingungen für sie verbessern. Das sagte der österreichische Architekt Martin Treberspurg vergangenen Montag in Prag. Im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Grüne Architektur“ hielt er einen Vortrag über Solararchitektur und Passivenergiehäuser in Österreich. Als Professor am Institut für Bodenkultur in Wien ist Treberspurg Mitglied der „Tschechisch-österreichischen Energiepartnerschaft“. Als Architekt hat er auch schon ein Bauprojekt in Prag realisiert. Radio Prag hat den Architekten mit der „grünen Ader“ und den engen Beziehungen zu Tschechien durch die österreichisch-tschechische Architektur-Ausstellung in Prag begleitet.

Herr Treberspurg, was bedeutet „Grüne Architektur?“

„Grüne Architektur versucht, in die Zukunft zu schauen und Gebäude zu bauen, die langfristig ökologisch und wirtschaftlich sind.“

Würden Sie an einem konkreten Beispiel erklären, was das heißen kann?

„Das schönste Beispiel, das mir hier einfällt, ist die Solar City in Linz-Pichling. Die Solar City ist eine ökologische Stadterweiterung. Die erste Baustufe wurde von der internationalen Read-Gruppe durchgeführt. Read steht für ´Renewable Energy in Architecture and Design´. Die Architekten Sir Norman Foster, Richard Rogers, Thomas Herzog und Renzo Piano sind ja sehr bekannt. Ich habe dann den städtebaulichen Wettbewerb für die zweite Baustufe gewonnen und wir haben dort die ersten Passivhäuser errichtet. Die Passivhausbauweise benötigt eine Energiekennzahl von zehn Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Das ist ungefähr ein Achtel bis ein Zehntel eines herkömmlichen Neubaus und ein Zwanzigstel bis ein Dreißigstel eines alten Gebäudes. Diese Bautechnik zeigt uns einen Weg in eine ökologische Architektur für die Zukunft.“

Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Unterhaltskosten bei Passivhäusern niedriger als bei konventionellen Häusern. Wieso werden dann nicht alle Häuser so gebaut?

„Ich habe die Kosten langfristig gesehen. Die reinen Baukosten sind höher. Üblicherweise erreicht man zehn bis fünfzehn Prozent Mehrkosten, auch wenn man sich bemüht, weil wir einfach statt zehn Zenitmetern Wärmedämmung an der Außenwand dreißig Zentimeter Wärmedämmung benötigen, am Dach fünfzig Zentimeter sowie spezielle Fenster. Das Ganze ergibt ein Haus, das keine Heizung mehr benötigt. Deswegen heißt es ´Energie-Passivhaus´, auf Tschechisch ´Energetický pasivní dům´. Sie haben dort keine kalten Flächen im Winter. Bei minus 20 Grad Außentemperatur ist die Scheibenoberfläche des Fensters bei plus 18 Grad. Sie strahlt nicht kalt ab. Das ist sehr angenehm. Sie benötigen eine Lüftungsanlage mit 90 Prozent Wärmerückgewinnung. Das heißt, dass Sie immer frische Luft haben. Diese Technologie verändert das Bauen total: Sie brauchen äußerste Präzision auf der Baustelle, die Detailplanung muss perfekt ausgearbeitet sein. Wir benötigen einen ´Blower Door Test´ und wir benötigen Infrarotaufnahmen, damit keine Wärmebrücken vorhanden sind. Aber das ist die Technologie der Zukunft und wir müssen noch zehn bis zwanzig Jahre daran arbeiten, bis jede Firma diese Technologie einsetzen kann.“

Solarpark in Ostrožská Lhota
Österreich ist ja führend in den Bereichen der Passivenergie und der Solartechnik. Wie sieht das in Tschechien aus?

„Es gibt in Österreich eine gewisse Begeisterung in Bezug auf Energieeffizienz, weil eine breite Mehrheit der intellektuellen Schicht die Kernkraftabstimmung vor dreißig Jahren befürwortet hat, so dass wir nach diesem Volksentscheid auf Kernkraft verzichten. Das ist auch politisch ein Axiom in Österreich. In Tschechien bemüht man sich seit neuerem. Ich bin auch Mitglied in der ´Tschechisch-österreichischen Energiepartnerschaft´. Im Zuge der Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk Temelín ist von der tschechischen und der österreichischen Regierung eine Partnerschaft von Energiefachleuten und Universitätsprofessoren installiert worden. In dieser Energiepartnerschaft stimmen wir darin überein, dass die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien forciert werden müssen. Das hat sich in letzter Zeit auch in der Tschechischen Republik etwas verbessert, aber ich glaube, dass noch vieles in Bezug auf die Investorenseite gemacht werden muss.“

Was müsste denn in Tschechien getan werden, damit beim Bauen, beim Planen, aber auch schon bei Architekturwettbewerben verstärkt auf die Energieeffizienz geachtet wird?

Illustrationsfoto: Europäische Kommission
„Als Österreicher muss ich sagen, dass wir da nicht ganz unschuldig sind, weil gerade die österreichischen Banken sehr viel in Tschechien investiert haben. Man muss sagen, dass sie teilweise zweitklassige österreichische Architekten beauftragt haben. Das Themen Energie und Energieverbrauch waren für diese Gruppe von Investoren meistens nicht entscheidend. Ihre Projekte sollten sich in drei, vier, fünf Jahren amortisieren. Ein Passivhaus amortisiert sich aber erst in 20 Jahren. Die Investoren haben dann gesagt: ´Fünf Jahre länger, das ist ja sinnlos, ich nehme lieber mein Geld und kaufe Aktien.´ Das funktioniert jetzt nicht mehr. Ich glaube, dass da schon ein Umdenken vorhanden ist. Für mich ist es ganz wichtig, dass sich die Europäische Union eindeutig auf folgende Klimaschutzziele festgelegt hat: Bis zum Jahr 2020 soll der CO2--Ausstoß bezogen auf das Basisjahr 1990 um 20 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig soll der Anteil erneuerbarer Energien um 20 Prozent erhöht werden. Diese Ziele sind schwierig zu erreichen, wenn wir unseren Energieverbrauch nicht sehr stark reduzieren. Daher hat die Europäische Union die ´European Energy Performance of Buildings Directive´ eingeführt. Laut dieser Verordnung müssen in Deutschland, in Österreich und auch in der Tschechischen Republik Energieausweise für Gebäude erstellt werden. Ich hoffe, dass Investoren dadurch umdenken.“

Tschechien ist vor kurzem auf der Liste der Umweltsünder des World Wide Fund als eines der schlimmsten Länder genannt worden. Es liegt auf Platz 14. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptaufgaben hier im Land?

„Sicherlich ist ein Umdenken wichtig. Wenn auch der tschechische Präsident ein überzeugter Anhänger der Atomkraft ist, so ist das nicht der zukunftsträchtige Weg. Ich glaube, dass man an vorderster Stelle von der Politik her umdenken müsste und dass es wirklich erforderlich ist, die Gesetze zu ändern. In Prag ist zum Beispiel der Denkmalschutz perfekt. Die Tschechische Republik hat sicher sehr viel aufzuholen gehabt. Das ist jetzt schon zwanzig Jahre her. Es ist ganz toll, was in Prag entstanden ist. Es ist eine tolle Stadt geworden mit frisch restaurierten Gebäuden und mit einer sehr gut funktionierenden U-Bahn. Die nächste Aufgabe ist der Umweltschutz.“

Können Sie uns abschließend ein paar positive Beispiele nennen, die in Tschechien schon realisiert wurden?

„Es gibt in Tschechien schon eine kleine Gruppe von engagierten Architekten, die diese Ausstellung ´Grüne Architektur´ organisiert haben und die ein ganz tolles Buch herausgebracht haben. Von Petr Suske kenne ich ganz tolle Beispiele: Ein Haus, das nicht ganz ernst zu nehmen ist. Da gibt es eine außen sichtbare Wärmedämmung mit Heuballen und ein Dach aus einem textilen Gewebe als Regenschutz. Aber er hat auch einen Freizeit- und Sportkomplex, ´Park Holiday´ genannt, energieeffizient gebaut.

Interessant finde ich außerdem ein Schutzhaus auf der Schneekoppe, dem höchsten Berg der Tschechischen Republik, auf 1602 Meter Höhe. Diese Schutzhütte von Martin Rajniš und Patrik Hoffman entspricht durchaus den Anforderungen eines Gebäudes in dieser Höhe und ist auch von der Gestaltung sehr interessant. Ich kann das beurteilen, weil wir im Jahr 2005 am Hochschwab in der Steiermark auf 2200 Metern Höhe eine energieautarke Schutzhütte gebaut haben, die schon eine Windgeschwindigkeit von 230 Stundenkilometern ausgehalten hat.

Was mir auch ganz gut gefällt, sind zwei sehr schöne Beispiele von Alexander Mandič, den ich durch eine jahrelange Zusammenarbeit sehr gut kenne. Häuser, die konsequent nach Süden orientiert sind. Das eine ist auch ein Passivhaus, das andere ist ein SOS-Kinderdorf in Brünn. Die Holzverkleidung ist dort sehr schön mit unterschiedlichen Farben gestaltet. Man sieht auch bei dem Passivhaus-Einfamilienhaus eine sehr konsequente, einfache Innenraumgestaltung, die perfekt ist. Das gefällt mir an den Bauten von Alexander Mandič sehr gut. Er schließt eigentlich unmittelbar an die Villa Tugendhat von Mies van der Rohe in Brünn an und erreicht auch diese Perfektion im Detail.“