Maulkorb für Journalisten: Abgeordnete ändern Presseverordnung im StGb

Die Titel in den tschechischen Zeitungen am Freitag klangen gleich: Das Abgeordnetenhaus setzt Journalisten einen Maulkorb auf. Worum geht es? In der Novelle des Strafgesetzbuches wird die Veröffentlichung von Abhörprotokollen in Medien strafbar gemacht. Das hat das Abgeordnetenhaus am Donnerstag entschieden. Bis zu fünf Jahre Haft oder bis zu fünf Millionen Kronen (180.000 Euro) Strafe können Journalisten für einen Verstoß gegen das Verbot bekommen. Tschechische Medien und internationale Organisationen wie Reporter ohne Grenzen protestieren.

Als 2004 in tschechischen Zeitungen die Abhörprotokolle zum Fußball-Bestechungsskandal auftauchten, war das Lachen groß. Kumpelhaft vertraute beispielsweise ein Fußball-Manager einem Delegierten des Verbandes an, wie schlecht es seinem Verein ging und bat ihn gegen Geld dabei zu helfen, dass es im nächsten Spiel nicht schon wieder eine Niederlage gäbe. Die entsprechenden Zitate aus den Abhörprotokollen sind mittlerweile sogar in den Volksmund eingegangen. Doch damit dürfte nun Schluss sein. Aus Abhörprotokollen darf erst dann zitiert werden, wenn diese als Beweismaterial in einem Strafverfahren dienen – das beschloss das Abgeordnetenhaus am Donnerstag mit großer Mehrheit. Diese Regelung im neuen Strafgesetzbuch hat der bürgerdemokratische Abgeordnete Marek Benda entworfen:

„Die Novelle dient dem Schutz jener Personen, die in Strafverfahren verwickelt sind. Sie soll sowohl Opfer, als auch weitere Personen, die keine Straftäter sind, davor schützen, dass Informationen über sie in den Medien auftauchen“, so Benda im Tschechischen Fernsehen.

Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Anders als das Abgeordnetenhaus, also die untere Parlamentskammer, war der Senat als obere Kammer gegen das Verbot gewesen. Das Oberhaus hielt die bisherige Regelung für ausreichend. Danach können Abhörprotokolle veröffentlicht werden, wenn dies dem allgemeinen Interesse dient. Das Abgeordnetenhaus argumentiert jedoch, dass die Abhörprotokolle nicht auf legalem Weg in die Hände der Journalisten gelangen und – so wie der Verkauf von Hehlerware – auch die Weitergabe unrechtmäßig erworbenen Inhalts eine Straftat darstelle. Dass Abhörprotokolle nach außen gelangen, sei ja wohl eher ein internes Problem der Polizei, hält der Vorsitzende des tschechischen Journalistenverbandes, Miroslav Jelínek, entgegen:

„Meiner Meinung nach liegt die Schuld bei den Ermittlern. Wenn die Ermittler ermöglichen, dass die Abhörprotokolle nach außen gelangen, und ein Journalist zu etwas recherchiert und dabei auf etwas stößt, das in dem Abhörprotokoll bestätigt wird, dann ist der Journalist nicht verantwortlich, sondern geht nur seiner Arbeit nach.“

Tschechische Medienvertreter laufen nun Sturm gegen die neue Regelung, die allein noch Staatspräsident Václav Klaus aufhalten kann, wenn er die Unterschrift unter das neue Strafgesetzbuch verweigert. Die Regelung wäre das Ende des investigativen Journalismus in Tschechien, sagen die Medienvertreter, und verweisen darauf, dass dies einzigartig in Europa wäre. Die internationale Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat sich hinter die tschechischen Kollegen gestellt. Die neue Regelung sei ein Schnellschuss und ohne Diskussion mit den Medienvertretern entstanden, so ein Mitarbeiter der Organisation.

Vertreter tschechischer Medien haben an Staatspräsident Klaus appelliert, das Strafgesetzbuch nicht zu unterschreiben. Doch ein Veto des Präsidenten, das könnte das Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit vom Donnerstag ganz problemlos wieder überstimmen.