Medaci / Kranner

Der Name des in der Ersten Republik im Prager Stadtteil Stresovice tätigen Vereins "Medaci" wäre längst vergessen worden, wäre er nach ca. 60 Jahren nicht von einer Bürgervereinigung übernommen, die sich - ihren eigenen Worten zufolge - das Ziel gesetzt hat, das alte Stresovice zu retten. Der aktuelle Stand der proklamierten Bemühungen um die Wiederbelebung von drei alten Häusern in diesem Stadtteil ist eines der Themen des folgenden Spaziergangs durch Prag, in dem Ihnen danach Martina Schneibergova einige Werke des Architekten Josef Kranner vorstellen werden, seit dessen Geburt 200 Jahre vergangen sind.

"Die Ratsherren im sechsten Prager Stadtbezirk wollen den Streit mit dem wohltätigen Verein "Medaci" auf einem versöhnlichen Wege lösen. Die ursprüngliche Entscheidung, mit Gewalt gegen die Hausbesetzer vorzugehen, wurde vorläufig zurückgewiesen..." Soweit die jüngste - Ende Februar veröffentlichte - Agenturnachricht über die Entwicklung dieses Hausbesetzerfalls im Stadtteil Stresovice.

Im alten Stresovice, unweit der Prager Burg, wirkte in der Ersten Republik ein Verein namens "Medaci", der u.a. Laientheatervorstellungen und Bälle organisierte. Den Namen des inzwischen längst in Vergessenheit geratenen Vereins übernahm eine 1998 entstandene Bürgervereinigung. Diese ist - den offiziellen Informationen zufolge - entstanden, um das Problem der Besetzung von drei alten Häusern im Stadtteil Stresovice zu lösen zu versuchen.

Vor knapp zwei Jahren brachten tschechische Tageszeitungen Informationen über das vom Verein "Medaci" vorgelegte Projekt mit dem Titel "Alternative für das alte Stresovice". Das Projekt sei - so damals die Tagespresse - von vielen Institutionen und Experten gefördert worden. Im Rahmen des sogenannten "Tages für die Rettung des alten Stresovice" sei das Projekt den Medien vorgestellt worden.

In den drei alten Häusern sollte ein Begegnungszentrum entstehen, wo zeitgenössische alternative Kunst präsentiert werden könnte. Außerdem sollten dort Räumlichkeiten für eine vorübergehende Notunterkunft für junge Menschen errichtet werden, hieß es damals. In den vergangenen zwei Jahren wurden in den Medien einige vom Medaci-Verein organisierte Kulturveranstaltungen sowie Protestaktionen angekündigt bzw. beschrieben.

Das Wochenmagazin "Reflex" wies in seiner Ausgabe vom Ende Februar in einem ausführlichen Artikel zum Thema der besetzten alten Häuser in Stresovice darauf hin, dass die sogenannte "Alternative für das alte Stresovice" eben zu der Zeit entstanden ist, als es plötzlich notwendig war, die Existenz des Squatts auf eine gut klingende Weise zu begründen. Die Hausbesetzer begannen eine höchst intensive Initiative gegen die neuen Bewohner des Stadtteils und deren ebenso neue Häuser zu entwickeln, die nach Meinung der Hausbesetzer den "genius loci" stören würden.

Wie bereits erwähnt, will der Stadtrat nun den Streit mit den Hausbesetzern versöhnlich lösen, vor kurzem musste der ausgeschriebene öffentliche Wettbewerb zur Vermietung der Häuser zu Kulturzwecken abgeblasen werden, nachdem der Verein den Vertretern der verwaltenden Firma die Besichtigung der Häuser nicht ermöglicht hatte. Jetzt wird ein neuer Wettbewerb zum Verkauf des einen und der Vermietung der zwei anderen Häuser ausgeschrieben. Eines der drei besetzten Häuser ist inzwischen so stark beschädigt, dass es abgerissen werden muss. Der Verein Medaci hat mit der Möglichkeit der Vermietung der Häuser nun die letzte Chance bekommen, ein Projekt zur Nutzung der Häuser vorzulegen.

Das Wochenmagazin Reflex weist in dem bereits zitierten Artikel jedoch auf zwei wichtige Tatsachen hin. Bei einer näheren Besichtigung der beiden Häuser stellte sich heraus, dass die kleinen Räumlichkeiten kaum in eine Theaterbühne, einen Klub, ein Cafe etc. verwandelt werden könnten. Außerdem handelt es sich bei den Hausbesetzern von Stresovice offensichtlich um eine besondere Art der Hausbesetzer, die ihren sogenannten Squatt nur tagsüber besuchen und sonst irgendwo zu Hause bei den Eltern übernachten. Der berühmte Squatt in Stresovice scheine - so der Artikel - kein Squatt im wahren Sinne des Wortes zu sein, sondern eher ein Klubraum für Söhne aus guten Familien in der Umgebung, hieß es im Wochenmagazin Reflex.

Von den Ereignissen der Gegenwart machen wir anlässlich eines runden Jubiläums einen Abstecher in das 19. Jahrhundert. Der Name von Josef Kranner tauchte im zweiten und dritten Viertel des 19. Jahrhunderts häufig im Zusammenhang mit Prager Bauunternehmen und mit neuen architektonischen Entwürfen auf. Heute - 200 Jahre nach Kranners Geburt - ist es schwierig, präzise Daten zur Persönlichkeit dieses Architekten zusammenzutragen. Kranners deutsche Abstammung, der deutsche Touch seiner neugotischen Entwürfe sowie dessen Verbindung mit den Zeiten von Metternich haben die Bewertung des Architekten durch die künftigen Generationen in den böhmischen Ländern nicht gerade positiv beeinflusst.

Josef Kranner lernte das Handwerk in der Familienwerkstatt kennen - in einem renommierten Unternehmen, das in der Zeit des Frühbarocks entstanden war. Kranners Vater Johann Ludwig Kranner war ein guter Steinmetz ohne große schöpferische Ambitionen. Zu Kranners Lehrern gehörte Ludvik Kohl, Maler und Schöpfer romantischer Visionen gotischer Architektur. In Frankreich lernte Kranner die moderne Technik maschineller Steinbearbeitung kennen. In Deutschland zog ihn vor allem die gotische Architektur an.

Ca. 25 Jahre lang arbeitete Kranner dann vorwiegend in seiner Geburtsstadt Prag, wo er zu einem gefragten Baumeister geworden war. Mit seinem Namen verbindet man heute vor allem das Projekt des Umbaus des St. Veitsdoms, am verwirklichten Bau ist aber praktisch nichts von Kranners Entwürfen zu sehen. In Prag gibt es jedoch mehrere Bauwerke, die nach Kranners Entwürfen erbaut wurden.

Den kleinen Spaziergang auf Kranners Spuren kann man auf dem Petrin-Hügel/dem Laurenziberg beginnen: Dort findet man Kranners Kreuzweg aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts. Vom Petrin kann man den Spaziergang Richtung Prager Burg fortsetzen, wo Kranner 1861 im Auftrag der Vereinigung "Svatovitska jednota" mit den Renovierungsarbeiten an der Kathedrale begann. Von der Prager Burg kommt man runter zu Klarov - einem Ort, der nach Klars Anstalt für Sehbehinderte benannt wurde. Diese wurde in den Jahren 1834-44 nach einem Projekt von Vincenc Kulhanek unter Josef Kranners Leitung erbaut. Kranners Werk ist die in dieser Anstalt errichtete Kapelle.

Wenn man Richtung Kampa-Insel geht, kommt man unter der Karlsbrücke zum Kranners Treppengang, der die Brücke mit der Kampa verbindet. Vom Kreuzherrenplatz in der Altstadt am rechten Moldauufer kann man an Kranners Denkmal für Franz I. vorbeigehen, das schon Jahrzehnte lang nur noch als ein Torso - ohne Reiterstatue des Herrschers - da steht. Etwas weiter entfernt - in der Hybernska-Strasse findet man das Palais Lanna, das man unlängst eben Josef Kranner zugeschrieben hat.

Kranners Aktivitäten beschränkten sich nicht nur auf architektonische Entwürfe und auf die Baumeistertätigkeit. Kranner war eine bedeutende Persönlichkeit des Prager Kulturlebens und gehörte zum Künstlerkreis um den Kunstmäzen, Graf Franz Thun-Hohenstein. Kranners Interesse galt nicht nur der gotischen Architektur, sondern auch den Errungenschaften der modernen Technik und deren Anwendung in der Praxis.

Auf der Weltausstellung in London im Jahre 1851 wurden einige Entwürfe Kranners präsentiert, und Kranner ist zum korrespondierenden Mitglied der Königlichen Gesellschaft britischer Architekten geworden. Er war auch einer der Initiatoren der Reform der Wiener Kunstakademie. In Wien verbrachte er die letzten 20 Jahre seines Lebens. Dort starb er am 19. Oktober 1871.