Mehr Geburten, aber keine Trendwende: die "Husak-Kinder" werden Eltern

Während alle EU-Staaten darüber klagen, dass ihre Bürger keinen Nachwuchs mehr kriegen wollen, meldet Tschechien einen Anstieg der Geburtenzahl. Eine Trendwende? Leider nicht, sondern nur eine demographische Blase, die ihre Ursachen in der Addition verschiedener Faktoren hat. Näheres dazu von Thomas Kirschner.

Die Bevölkerung der Tschechischen Republik ist in den ersten sechs Monaten des Jahres um 2025 Personen gewachsen. Neben einer Abnahme der Todesfälle und dem verstärkten Zuzug aus dem Ausland liegt dies auch am Anstieg der Geburtenzahl in Tschechien. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres kamen fast 2200 Kinder mehr zur Welt, was einen Anstieg um mehr als 4,5 Prozent bedeutet. Es handelt sich dabei jedoch keinesfalls um eine Trendwende, sondern vielmehr um einen Effekt der Familienpolitik früherer Zeiten. Denn die Eltern der heutigen Neugeborenen sind die so genannten "Husak-Kinder" aus den geburtenstarken Jahrgängen der 70er Jahre. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings gab es in der so genannten "Normalisierung" unter Präsident Gustav Husak Förderungen und Beihilfen für Familien, die tatsächlich zu einem deutlichen Anstieg der Geburten führten. Die gegenwärtige Geburtenwelle ist also nur ein - abgeschwächter - Widerhall dieses früheren Geburtenhochs. Der zudem noch von einem anderen Phänomen verstärkt wird, wie die Demografin Jitka Rychtarikova von der Prager Karlsuniversität erklärt: Nach dem Umbruch von 1989 stieg in Tschechien das Gebäralter der Frauen kontinuierlich an, es kam zu einem gewissen Geburtsstau.

"Man muss sich klar machen, dass die Frauen heute im Schnitt älter sind, wenn sie ihre Kinder bekommen - wenn es also heute aussieht, also ob ein paar Kinder mehr geboren werden, dann kommt das teilweise von diesen älteren Frauen, die aber vorher noch keine Kinder bekommen haben. Aus der Sicht der Demographen ist es aber auch ganz egal, ob heute ein- oder zweitausend Kinder mehr geboren werden, denn vorher gab es etwa 130 000 Geburten im Jahr und heute nur 90 000. Und es gibt derzeit keine Anzeichen für eine grundlegende Änderung."

Auch die gegenwärtige Geburtenwelle ändert also nichts daran, dass Tschechien mittlerweile eines der geburtenschwächsten Länder der Welt ist. Auf eine Frau kommen durchschnittlich nicht einmal 1,2 Kinder. Selbst im schon traditionell geburtenarmen Deutschland sind es immerhin 1,4 Kinder je Frau. Tschechien muss sich damit in den nächsten Jahren auf einen deutlichen Bevölkerungsrückgang einstellen. Schon jetzt wird die Einwohnerzahl von derzeit rund 10 Millionen Menschen nur durch Zuwanderer aus dem Ausland gehalten. Für die Zukunft sieht die Bevölkerungswissenschaftlerin Jitka Rychtarikova darin jedoch keine Lösung für Tschechien:

"Wenn wir die Tschechische Republik nehmen, dann werden wir hier einem - meiner Ansicht nach sehr wahrscheinlichen - Szenario zufolge im Jahre 2050 etwa acht Millionen Einwohner haben. Ich glaube einfach nicht, dass die Gesellschaft zwei Millionen Zuwanderer, auch noch vorwiegend aus Ländern mit einer sehr unterschiedlichen Kultur, akzeptieren wird. Noch dazu wenn man sich bewusst macht, dass die tschechische Gesellschaft über 40 Jahre abgeschlossen war und kaum Kontakt zu anderen Kulturen hatte. Migration ist also für die entwickelten Länder keine Lösung, denn sie müsste einen derart großen Umfang haben, dass es schlichtweg irreal ist."

Zur Umkehrung des rückläufigen Bevölkerungstrends ist wohl letztlich die Politik darin gefragt, bessere Bedingungen für Familien zu schaffen. Denn der Kinderwunsch, das zeigen alle Umfragen, ist immer noch vorhanden. Das Ideal der jungen Menschen in Tschechien ist unverändert die Familie mit zwei Kindern.