Muttersöhnchen? Hälfte der Tschechen bis 30 Jahre wohnt im Hotel Mama

Foto: S. Braswell / freeimages

Eine Karriere als Muttersöhnchen ist in Tschechien wieder stark im Kommen. So lassen sich die Daten interpretieren, die das tschechische Statistikamt jüngst bei einer Pressekonferenz veröffentlicht hat. Demnach leben fast 50 Prozent der Männer zwischen 25 und 30 Jahren noch immer im „Hotel Mama“.

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Früher war alles „besser“: Vor 20 Jahren wohnten nur ein Drittel der Männer bis 30 Jahre bei den Eltern, heutzutage sind es knappe 50 Prozent. Ist Hotel Mama bei den Tschechen gerade in? Der 29-jährige Ladislav erklärt dies so:

„Ein Grund ist der Gesundheitszustand meiner Mutter. Sie sieht fast nichts und geht an Krücken. Natürlich geht es aber auch um das liebe Geld: Ich spare ja, wenn ich bei ihr lebe. Wenn ich mich irgendwann einmal verliebe, dann würde ich gehen. Aber ich möchte nicht alleine oder mit einem Bekannten wohnen.“

Auch 30 Prozent der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren leben noch zu Hause, das sind im Vergleich zu den 1990er Jahren runde 50 Prozent mehr. Natürlich sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt Gründe für dieses Phänomen. Allerdings gebe es noch andere Ursachen, sagt Ondřej Nývlt vom Tschechischen Statistikamt:

„Die Generation aus den 1960er Jahren hat sich in ihren Wertvorstellungen teilweise sehr von den Eltern unterschieden, das ist heute nicht mehr so. Die Jugendlichen sind heutzutage faktisch viel konservativer, sie haben also weniger Probleme mit den Eltern und fühlen sich daher nicht gezwungen, aus dem Elternhaus auszuziehen.“

Ein dritter Aspekt schließlich sei die steigende Anzahl von Hochschulstudenten. So verlängere sich die Ausbildungszeit, und die jungen Menschen würden erst relativ spät Geld für eine eigene Wohnung verdienen, ergänzt Statistiker Nývlt. Früher waren die Hochzeit und der Nachwuchs wichtige Gründe, um einen eigenen Haushalt zu gründen. Die Analytikerin beim Statistikamt und Mitautorin der aktuellen Studie, Iva Kohoutová, aber sagt, dass junge Tschechen diese Dinge in ihrem Leben immer weiter hinausschieben würden:

„Das zeigt sowohl das höhere Alter der Mütter bei der Geburt als auch jenes der Partner bei der Eheschließung.“

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Mit dieser Entwicklung ist Tschechien aber nicht alleine in Europa. Vor allem in den südeuropäischen und osteuropäischen Staaten würde die junge Generation lange zu Hause wohnen, sagt Kohoutová:

„Die Tschechische Republik ist eines von vier Ländern, in denen der Anteil der Nesthocker am schnellsten steigt. Dazu gehören noch Ungarn, Bulgarien und die Slowakei.“

Wenn junge Tschechen als Paar zusammenleben, dann meist unverheiratet. In der Altersgruppe zwischen 20 und 39 Jahren sind 20 Prozent nicht getraut, in der Gruppe zwischen 20 und 24 Jahren sogar 70 Prozent. Die meisten Paare werden zudem ohne Ehering zu Eltern. Danach aber folgen sie wieder der Tradition: Die große Mehrheit tritt nach der Geburt des Kindes vor den Traualtar.