Mehr häusliche Gewalt wegen Covid-19-Maßnahmen?

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In vielen Ländern kommt es durch die Corona-Ausgangssperren zu mehr häuslicher Gewalt. In Tschechien konnte bisher kein klarer Anstieg beobachtet werden. Doch die Zahlen dürften trügerisch sein.

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Pavel Houdek  (Foto: Ivana Veselková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die umfassenden Einschränkungen wegen der Coronavirus-Pandemie bedeuten auch mehr Zeit mit der Familie. Nicht immer ist das aber positiv, denn viele Opfer von häuslicher Gewalt finden sich dadurch in einer Falle wieder. In Frankreich oder China beispielsweise verzeichneten die zuständigen Stellen einen klaren Anstieg bei Übergriffen in den eigenen vier Wänden, und zwar um bis zu 30 Prozent. Und auch in Deutschland oder den USA befürchtet man mehr häusliche Gewalt wegen der Ausgangsbeschränkungen. Für Krisensituationen sei das normal, erklärt der Kriminalist Pavel Houdek:

„Meine fachliche Einschätzung ist, dass die häusliche Gewalt in der derzeitigen Lage zunehmen wird. Und das deutlich. Wir haben Daten von ähnlichen Ausnahme-Ereignissen weltweit. So zum Beispiel von Fußball-Weltmeisterschaften, bei denen Männer zu Hause ihren Frust an den Frauen ausgelassen haben. Die derzeitige Lage fügt sich leider in dieses Muster ein.“

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Durch die angespannte Lage besteht nämlich auch eine latente Gefahr in sonst stabilen Haushalten. Dazu Zdena Prokopová von der NGO Rosa, die sich um Opfer von häuslicher Gewalt kümmert:

„Auch in Familien, in denen es bisher nicht zu Gewalt gekommen ist, kann die Stimmung durch die Ausnahmesituation kippen. Deshalb befürchte ich leider einen klaren Anstieg der Zahlen.“

Ob die Corona-Krise in Tschechien tatsächlich zu mehr Fällen von häuslicher Gewalt geführt hat, ist bisher unklar. Die massiven Einschränkungen gelten hierzulande seit Mitte März, weshalb es laut der Polizei noch keine zuverlässigen Daten gibt. Insgesamt gingen in den ersten drei Monaten des Jahres knapp 760 Anzeigen ein, im ganzen Jahr 2019 hat es rund 2800 Fälle gegeben. Konkretere Zahlen gibt es bei den Wohnungs- und Platzverweisen im Zusammenhang mit Übergriffen in den Familien. Dazu Barbora Holušová vom Prager Interventions-Zentrum:

Petra Vitoušová  (Foto: Jakub Říšský,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Es werden deutlich mehr Platzverweise angeordnet. Seit der Ausrufung des Notstands haben wir ein bis zwei Fälle täglich. In normalen Zeiten sind es lediglich bis zu 15 Verweise pro Monat. In einigen Familien liegt das Gewalt-Risiko derzeit einfach höher.“

Gleichzeitig verzeichnen die Notrufnummern und Krisentelefone in der Hauptstadt deutlich mehr Anrufe. Laut der Leiterin der NGO Bílý kruh (Weißer Ring), Petra Vitoušová, ist das aber kein flächendeckendes Phänomen:

„Die Werte sind von Kreis zu Kreis unterschiedlich. Beispielsweise in Mährisch-Schlesien und Mittelböhmen haben wir weniger Anrufe und Platzverweise registriert. In Prag ist die Lage ganz anders, wie das dortige Interventions-Zentrum berichtet.“

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Für Jitka Poláková von der Frauenhilfsorganisation ProFem sind die niedrigen Meldezahlen aber kein Indikator dafür, dass es weniger Übergriffe gebe. Ganz im Gegenteil:

„Solange die Betroffenen in Quarantäne sind, ist es für sie viel schwieriger, die entsprechenden Dienste zu kontaktieren. Denn sie befinden sich durchgehend mit dem Täter in einem Haus. Da sind heimliche Telefonate oder der Besuch von Beratungen nicht mehr möglich.“

Erschwerend kommt noch hinzu, dass viele NGOs und Zentren während des Notstands nur eingeschränkt funktionieren. Denn auch sie müssen sich an die Maßnahmen gegen eine Ausbreitung von Covid-19 halten.