Menschenrechtsminister kritisiert „kommunistische Propagandamassage“ im heutigen Fernsehen
Die täglichen Fernsehnachrichten waren in der kommunistischen Tschechoslowakei ein mächtiges Propagandainstrument des Regimes. Ihr Aufbau und Inhalt unterschied sich nur unwesentlich von dem der TV-Nachrichten in den sozialistischen Bruderländern. Seit drei Jahren bringt das tschechische Fernsehen täglich vor den aktuellen Hauptnachrichten einen zehnminütigen Zusammenschnitt der TV-Nachrichten vor 25 Jahren. Das hat nun Michael Kocáb, der tschechische Minister für Minderheiten und Menschenrechte, scharf kritisiert.
In der Tat dienten die Nachrichten vor 25 Jahren weniger der Information als vielmehr der Selbstdarstellung der Sozialistischen Republik und ihrer Repräsentanten. Besonderen Wert wurde auf die Berichterstattung über wirtschaftliche Leistungen gelegt: Nachrichten über angebliche oder tatsächliche Erfolge staatlicher Industriebetriebe und über die angebliche oder tatsächliche Planerfüllung der landwirtschaftlichen Genossenschaften nahmen großen Raum ein. Nachrichten aus dem westlichen Ausland wurden verlesen, wenn sie ins ideologische Konzept passten, wie etwa am 5. Januar 1985:
„Bonn. Die revanchistische Hetze in der Bundesrepublik Deutschland wurde vom zurücktretenden Vorsitzenden der baden-würtembergischen FDP, Jürgen Morlock, verurteilt. Auf dem Parteitag sagte er unter anderem, dass das Motto ‚Schlesien bleibt unser’, unter dem die so genannten Vertriebenenverbände ihr Treffen vorbereiten, den Friedensbemühungen in Europa widerspricht.“
Im Anschluss wurden selbstverständlich die „Friedensbemühungen“ des sozialistischen Lagers in den höchsten Tönen gelobt.
Für einige unverbesserliche Altkommunisten sind das nostalgische Ausflüge in die Vergangenheit, die meisten anderen Zuschauer amüsieren sich über die amateurhafte Gestaltung und schütteln den Kopf über die offensichtlich verfälschten Informationen aus Politik, Wirtschaft und Kultur der ČSSR. Nun schütteln sie den Kopf über die in vielen Augen überzogene Kritik von Minister Kocáb, der von den Grünen ins Übergangkabinett nominiert worden war. Für Befremden sorgte vor allem Kocábs Aussage, die Ausstrahlung der Fernsehnachrichten aus totalitärer Zeit sei ähnlich absurd, als wenn das deutsche Fernsehen in den 1960er Jahren die nationalsozialistischen Wochenschauen mit Reden von Hitler, Goebbels oder Göring ausgestrahlt hätte.
Das tschechische Fernsehen weigert sich auf die Vorwürfe einzugehen und ließ über einen Sprecher lediglich mitteilen, man betrachte Kocábs Vorstoß als „weiteren Versuch der Grünen an der medialen Attraktivität des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens zu schmarotzen“. Außerdem verwies man darauf, dass die alten Nachrichten bereits seit drei Jahren im Vorabendprogramm wiederholt werden. Man sei froh, dass dies nun auch Minister Kocáb bemerkt hätte, so der Pressesprecher ironisch.
Bisher sind die Reaktionen auf Kocábs Kritik recht gelassen. Der Politologe Josef Mlejnek sagte lediglich, man solle das Urteilsvermögen der heutigen Fernsehzuschauer nicht unterschätzen und gab damit dem Tschechischen Fernsehen Recht. Auch der frühere Dissident Petr Uhl, der unter den Kommunisten neun Jahre im Gefängnis saß, hält Kocábs Kritik für übertrieben. Uhl war übrigens von 1998 bis 2001 Regierungsbevollmächtigter für Menschenrechte und ist damit gewissermaßen einer von Michael Kocábs Amtsvorgängern.