Militärs leisten den Invasionstruppen Widerstand - der Fall Čeřovský

Zbyněk Čeřovský (Foto: Česká televize)

Der 21. August 1968 – Die Invasion der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in die Tschechoslowakei. Das Ende des Prager Frühlings. Der dritte Teil unserer 68er-Serie: Das tschechoslowakische Militär leistet passiven Widerstand – der Fall des Fliegeroffiziers Zbyněk Čeřovský.

Für Zbyněk Čeřovský beginnt der 21. August 1968 um halb drei Uhr früh. Er wird geweckt und erfährt, dass die Tschechoslowakei besetzt wird. Čeřovský glaubt an einen Witz. Er fährt jedoch zum Militärflughafen im ostböhmischen Hradec Králové / Königgrätz, wo er Leiter des Fliegerregiments ist. Zwei widersprüchliche Befehle werden telegraphiert.

„Beide Befehle waren fast identisch, nur in einem Punkt unterschieden sie sich. Staatspräsident Svoboda teilte mit, dass die Tschechoslowakei besetzt, aber dass wir den Invasionstruppen weder technische noch materielle Hilfe leisten sollen und jeglichen bewaffneten Konflikt verhindern sollen. Der Befehl des Verteidigungsministers Martin Dzúr, der später eintraf, ordnete hingegen an, den Truppen Hilfe zu leisten. Ich hielt mich an den Befehl von Ludvík Svoboda, er war schließlich der oberste Militärbefehlshaber im Land.“

Wann kam es dann zur Besetzung des Militärflughafens in Hradec Králové, den sie damals geleitet haben?

„Um halb sieben landete die erste russische MiG-17 und heraus stieg der Unteroffizier Gaponow, den ich im Juni bereits bei der Militärübung Šumava kennen gelernt hatte. Er ging an mir vorbei, als wäre ich nicht vorhanden, direkt zum Flughafen-Tower. Dort ordnete er an, Landehilfe für seine Flugzeuge zu leisten. Ich ging hinter ihm und befahl meinen Leuten, alle technischen Vorrichtungen inklusive dem Radar wieder auszuschalten, den Tower zu verlassen, abzuschließen und wegzugehen. Gaponow ging nun zu seiner MiG und dirigierte in per Bordfunk sowjetische Jagdflugzeuge sowie polnische Hubschrauber und Transportmaschinen auf den Boden. Zudem landete eine Iljuschin, aus der sowjetische Offiziere ausstiegen. Wir vermuteten, dass dies Leute vom sowjetischen Geheimdienst KGB sein müssen, und das erwies sich später auch als richtig.“

Was geschah dann danach mit Ihnen?

„Wir waren in mein Büro gegangen und diskutierten über die Lage. Wir hatten Waffen, aber keine Munition, konnten uns also nicht wehren. Unteroffizier Jelínek und ich gingen raus und verhinderten einen Konflikt zwischen unseren Soldaten und den russischen und polnischen. Unsere hatten angefangen diese zu beschimpfen und mit Tomaten und Kartoffeln zu bewerfen. Polnische Elitesoldaten drängten uns zum Hangar, befahlen uns die Hände zu heben und richteten ihre Waffen auf uns. Sie waren wie außer sich.“

Wie haben Sie die Lage empfunden, hatten Sie Angst?

„Ich hatte noch nie zuvor direkt in einen Gewehrlauf geschaut. Es dauerte für unser Gefühl eine Ewigkeit, wir wussten nicht, ob sie uns erschießen oder nicht. Wenn ich mir das im Nachhinein durch den Kopf gehen lasse, dann lässt sich nicht sagen, dass ich in dem Moment Angst empfunden habe. Ich war nur sehr überrascht, dass die verbündeten Soldaten, mit denen wir laut dem Eid zusammen unsere Heimat gemeinsam verteidigen sollten, nun die Waffen auf uns richteten und vielleicht sogar entschlossen waren, uns zu erschießen.“

Sie wurden nicht erschossen, sie wurden sogar wieder frei gelassen. Aber Ihr Schicksal war durch den passiven Widerstand, den Sie geleistet hatten beschieden…

„Zehn Tage später begann bereits der so genannte Normalisierungsprozess. Wir erhielten den Befehl, den Truppen Hilfe zu leisten. Zuvor hatten wir ihnen weder Wasser, noch Essen gegeben und auch keinen Treibstoff, den hatten wir ohnehin nicht. Und nun wurde auch Druck ausgeübt. Wir mussten eine Einverständniserklärung unterschreiben, in der wir der brüderlichen Hilfe, wie die Invasion genannt wurde, zustimmten. Nicht zu unterschreiben, bedeutete sein Schicksal zu besiegeln. Über uns hatten jedoch die KGB-Offiziere, die ebenfalls gelandet waren, bereits alle Informationen gesammelt. Unser Schicksal, das hatten wir bereits am 21. August besiegelt.“

Zbyněk Čeřovský muss 1970 die Armee verlassen, mehrfach wird er ins Gefängnis gesperrt, später unterschreibt er die Charta 77. 1984 wird er zur Emigration gezwungen und lebt danach mit seiner Frau sechs Jahre in München. 1990 kehrt er in seine Heimat zurück. Am Donnerstag werden Čeřovský und weitere Militärangehörige, die bei der Invasion Widerstand geleistet haben, von Staatspräsident Václav Klaus geehrt. Es ist die erste offizielle Auszeichnung für die Haltung der Militärs am 21. August 1968.

Autor: Till Janzer
schlüsselwort:
abspielen