Milliarden-Loch: Gesundheitssystem krankt an tschechischer Ärzteliebe
Mehr als 20 Milliarden Kronen, gut 730 Millionen Euro, werden im tschechischen Gesundheitswesen jährlich nutzlos vergeudet - für überflüssige Arztbesuche und unnötige Medikamente. Das behauptet eine Studie, die im Auftrag der Reformkommission fürs Gesundheitswesen erstellt wurde. Die Zahlen sollen mithelfen, das System in Tschechien fit für die Zukunft zu machen.
Die Unterschiede sind beachtlich: 16 Mal im Jahr lässt sich jeder Tscheche im Schnitt beim Arzt oder Zahnarzt blicken. Deutsche und Österreicher kommen dagegen mit acht Arztterminen aus, die Schweizer gar mit fünf. Und während Niederländer durchschnittlich mit anderthalb Tabletten am Tag auskommen, schlucken die Tschechen im Schnitt zweieinhalb Pillen je Kopf und Tag - ein Plus von zwei Dritteln also. Mehr als 20 Milliarden Kronen werden dabei jährlich vergeudet, so hat es der "Runde Tisch im Gesundheitswesen", die überparteiliche Reformkommission der Regierung, nun errechnet. Die schwarzen Punkte im System zu finden, das ist eine der ersten Aufgaben der Kommission, so Koordinator Ondrej Matl:
"In der ersten Etappe, die für dieses Jahr vorgesehen ist, müssen wir erst einmal die Hauptprobleme des tschechischen Gesundheitswesens definieren, Erst in einer zweiten Phase werden wir uns im kommenden Jahr mit allen Beteiligten zusammensetzen und nach möglichen Lösungen suchen."
Die Zeit drängt. Schon in 15 Jahren, so eine Studie des Gesundheitsministeriums, werden bei der derzeitigen Praxis nicht mehr genügend Finanzen zur Verfügung stehen, um eine ausreichende Pflege für alle Bürger zu gewährleisten. Bereits jetzt verzögert sich durch die Vergeudung von Milliardenbeträgen der Kauf von modernen Geräten wie etwa Computertopographen, bei denen Tschechien im europäischen Vergleich noch Nachholbedarf hat. Zur Disposition steht daher auch die Erhöhung des Krankenversicherungs-Beitrags von derzeit 13,5 Prozent, so Koordinator Ondrej Matl:
"Wir versuchen, die Geldflüsse im Gesundheitssystem neu zu modellieren, und einer der ganz wichtigen Faktoren ist sicher auch der Versicherungssatz. Wir werden also sicher darüber diskutieren, was passiert, wenn wir diesen Parameter verändern."
Trotz aller Mängel: Das tschechische Gesundheitssystem hat auch seine starken Seiten. So weist Tschechien etwa weltweit eine der niedrigsten Kindersterblichkeits-Raten auf, und aufwendige Eingriffe wie Herztransplantationen sind für Patienten in Tschechien in gleichem Maße verfügbar wie in Deutschland oder in der Schweiz. So müsse für das tschechische Gesundheitssystem vor allem eine tschechische Lösung gefunden werden, unterstreicht Ondrej Matl von der Reformkommission:
"Jedes der ausländischen Systeme hat seine Vorteile, aber auch seine Mängel. Ich persönlich meine, wir sollten nicht versuchen, ein System zu kopieren, aber wir sollten natürlich wissen, was im Ausland vor sich geht und welche Reformen dort welche Auswirkungen haben, denn gerade darin kann für uns die Inspiration liegen."