„Mir bleibt nichts anderes, als Optimist zu sein“ - Bildhauer Jan Koblasa
Um Gustav Mahler geht es derzeit oft, denn wir feiern in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag. Nun wird es um den Mann gehen, der sein Denkmal geschaffen hat. Sie hören im Folgenden ein Interview mit dem Bildhauer Jan Koblasa, der nicht nur der Schöpfer des Gustav-Mahler-Denkmals im böhmischen Jihlava ist, sondern auch eine interessante Persönlichkeit der tschechischen Geschichte – und der deutschen Geschichte. Iris Riedel hat den Künstler besucht.
„Das verletzt mich überhaupt nicht, weil das so ist. Ich bin wirklich längere Zeit in Deutschland, als ich in der Tschechischen Republik war. Aber ich bin auch oft in Tschechien, das heißt ich gehöre zu der Sorte, die sich Europäer nennt.“
Eigentlich müsste man dieser Aufzählung ´Grafiker, Maler und Bildhauer´ noch etwas hinzufügen – nämlich Jahrhundertzeuge. Bei Kriegsende waren Sie zwölf Jahre alt, danach haben Sie sich entschlossen, Kunst zu studieren. Das war ja auch eine Zeit, in der es um das nackte Überleben ging. Wie kam man in dieser Zeit dazu, Kunst zu studieren?
„Am Anfang war das vielleicht eine leicht romantische Entscheidung, aber ich habe gefühlt, dass ich dazu geeignet bin, Kunst zu machen, und dass das mein Metier ist. Und was soll man dann machen, wenn man eben so ist?“Ein Künstler hat ja im Sozialismus immer Anlass zur Skepsis gegeben. Sie haben eine Gruppe mitgegründet, die nannte sich ‚Šmidrové’, eine neodadaistische Gruppe, aus der sich später eine Art Blechblasorchester entwickelt hat. Was war das denn für ein ‚bunter Haufen’, wenn ich das so salopp formulieren darf?
„Das war an und für sich die einzige Möglichkeit, wie man die dunklen Zeiten überleben konnte. Wir mussten mit einer Art von Absurdität dagegen ankämpfen, und wir haben uns zu fünft gefunden, denn die Mehrheit der Leute, die da studiert haben, das waren ausgesuchte Leute, die wirklich den sozialistischen Realismus in der Kunst realisiert haben. Und wir waren dagegen, aber wir mussten uns auf Umwegen wehren. Das war alles mehr oder weniger gefährlich.“Die Nachricht von der Okkupation 1968 haben Sie in Mailand erhalten und Sie haben sich von einem Tag auf den anderen entschieden, nicht zurückzufahren. Haben Sie jemals bereut, nicht – wie Havel und andere – in der Tschechoslowakei geblieben zu sein?
„Havel hatte eine Vorstellung, die politisch war und die er verfolgt hat. Ich wollte als Bildhauer leben, und Bildhauerei kann man nicht in die Schublade stecken. Dafür braucht man Raum und Freiheit. Mir war klar, dass ich das hier nicht mehr bekomme. Und mir war auch klar, wie sich das Rad der Geschichte zurückdrehen würde. Und ich fühlte mich nicht als Politiker wie mein Freund Havel. Ich habe das nicht bereit. Zwar waren das am Anfang schwere Zeiten, aber mit etwas Glück…“Das Glück hat Sie dann nach Kiel verschlagen. Sie haben vielleicht nicht gedacht, dass Sie so lange dort bleiben würden. Aber Sie sind dann Professor an der Muthesius-Hochschule in Kiel geworden und haben das Atelier für Bildhauerkunst dort gegründet. Sie konnten in die ganze Welt reisen, aber nie in ihr Heimatland. Erst nach der Samtenen Revolution sind Sie dann wieder zurück nach Tschechien gefahren. Können Sie sich noch daran erinnern, was das für ein Gefühl war, als Sie das erste Mal wieder nach Prag fuhren?
„Es war ziemlich schwierig zurückzukommen, weil ich hier verurteilt war und zweieinhalb Jahre ins Gefängnis hätte gehen müssen. Und auch in den ersten Tagen nach der Samtenen Revolution konnte ich noch nicht zurück. Ich habe in der Botschaft in Bonn angerufen und dort sagte man mir: ´Ja die Amnestie wurde erlassen, aber nicht für Sie.´ Erst im Mai 1990 habe ich auf Druck von Havel ein Visum für die Tschechoslowakei bekommen.“Warum galt das nicht für Sie?
„Keine Ahnung, das sind die Geheimnisse der Geheimpolizei. Das war absolut absurd, alle konnten - und ich immer noch nicht.“
Aber Sie haben ja dann in den 90er Jahren hier in Prag unterrichtet. 2005 haben Sie diese Tätigkeit beendet, kommen in letzter Zeit aber doch öfter wieder hierher, nämlich wegen des Mahler-Gedenkjahres. Gustav Mahler wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden, und am 7. Juli wird in Jihlava ein Denkmal enthüllt, das Sie geschaffen haben. Wenn ich es einmal kurz beschreiben darf. Es soll im Ganzen ein Park werden, an dem Ort, wo früher eine Synagoge stand. Es sieht ein bisschen aus wie zwei Bäume, die sich aufeinander zuneigen, daneben ein stilisierter Gartenzaun und dahinter Mahler, der sich in die Höhe reckt, als wolle er jeden Augenblick abheben. Sie machen immer sehr streng thematisch gebundene Kunst. Was ist bei diesem Denkmal aus Mahlers Werk und Leben eingeflossen?
„Meine Konzeption der Parkanlage war folgende: Mahler hat auch Lieder geschrieben, und in einem der Lieder ist die Predigt des Heiligen Antonius zu den Fischen und den Vögeln dargestellt. Ich habe auch drei Vogel- und drei Fischfiguren gemacht und Mahler predigt zu Ihnen. Da gibt es auch ein Wasserbecken mit zehn ‚Geysirchen’, welche die zehn Sinfonien von Mahler symbolisieren.“Sie haben sich früher als junger Künstler vielleicht auch manchmal unverstanden gefühlt, weil Ihre Kunst doch wirklich sehr modern für die Zeit war. Jetzt sind Sie in die Jahre gekommen, es gibt eine neue Künstlergeneration. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie zu der Kunst, die heute modern ist, keinen Zugang haben?
„Darüber habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht. Ich mache das, was ich soll, muss und will. Ich glaube, das ist nicht meine Fragestellung, da bin ich befreit von solchen Gedanken.“
Als letztes noch eine aktuelle Frage. Sie bezeichnen sich selbst als Europäer, ich würde schon sagen Weltbürger. Die Europäische Union befindet sich gerade in einer Krise. Sehen Sie das auch ein bisschen mit Unbehagen, dass es passieren kann, dass die Währungsunion auseinanderbricht und damit ja auch die Stabilität in Europa gefährdet ist? Mit welchen Gefühlen beaobachten Sie das Geschehen?
„Ja. Ich kann mir leider alles vorstellen, aber ich hoffe, dass es nicht so schlimm wird und dass Europa und die Welt stark genug sind, nicht in eine große Krise zu rutschen. Krisen kommen und gehen, das ist nichts Neues. Natürlich wird das momentan hochgespielt und leider ist das für viele eine Ausrede, um zum Beispiel in der Kunst zu sparen. Wo man immer am wenigsten ausgibt, wird dann auch noch gespart. Aber es bleibt mir nichts anderes, als Optimist zu sein.“