Tschechische Collage wird in Österreich präsentiert

Jan Koblasa: Panatomie (Foto: Tschechische Zentren - Presskit)

Collagen sind seit dem Kubismus eine wichtige Charakteristik der tschechischen Kunst. Das Collage-Prinzip hat in verschiedenen Formen nicht nur die bildende Kunst beeinflusst, sondern auch Literatur, Theater und Film. Einen umfassenden Überblick über tschechische Collagen bieten ab kommender Woche drei Ausstellungen: im Stift Klosterneuburg, in der Tschechischen Botschaft und im Tschechischen Zentrum in Wien. Über das Ausstellungsprojekt „Tschechische Collage“ spricht Radio Prag mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums in Wien, Martin Krafl und mit dem Ausstellungskurator, Jiří Machalický.

Toyen: Ohne Namen
Herr Krafl, das Tschechische Zentrum in Wien hat für die Frühlingsmonate eine große Ausstellung vorbereitet. Worum handelt es sich?

„Es geht um eine umfassende Präsentation der tschechischen Collage. Es handelt sich um eine einzigartige Sammlung der Prager Gasbetriebe, mit Werken von unter anderem Toyen, Jindřich Štyrský und Jiří Kolář. Diese Collagen möchten wir aber nicht nur in Wien, sondern noch an drei weiteren Orten zeigen. Und zwar in Niederösterreich, in der Stadt Klosterneuburg. Wir sind sehr glücklich, dass Klosterneuburg sich dafür entschieden hat, die Collagen in der wunderschönen sanierten ‚Sala terrena’ zu zeigen. Dies ist wirklich ein außergewöhnlicher Ort.“

Jindřich Štyrský: Herzassistenten
War es Ihre Idee, die Gäste nach Klosterneuburg zu führen?

„Ja, das kann man sagen. Ich habe Klosterneuburg gekannt und ich wusste mehr als drei Jahre von der einzigartigen Sammlung der Prager Gaswerke. Es war mir auch bewusst, dass dies etwas Tolles ist, es hat in Österreich keine so eine große Tradition und steht nicht im Schwerpunkt der Ausstellungsprojekte. Vor einem Jahr, im Februar 2012, waren Vertreter der Prager Gaswerke in Wien und ich habe vorgeschlagen, dass wir zusammen Klosterneuburg besuchen. Sie haben sich besonders für diesen Raum begeistert. Trotzdem hat das aber noch nicht bedeutet, dass wir dort ausstellen durften. Wir mussten das dann beantragen und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass der Vorstand dieses kulturellen Zentrums damit einverstanden war, dass wir die Collagen dort präsentieren.“

Martin Krafl  (Foto: Vojtěch Brtnický,  Archiv der Tschechischen Zentren)
Sie haben mehrmals erwähnt, dass es sich um eine Auswahl aus der Sammlung der Prager Gaswerke handelt. Was für eine Sammlung ist das eigentlich? Wie lange gibt es sie und wie groß ist die Sammlung?

„Zusammengetragen wurden mehrere hunderte Werke von Größen der Zwischenkriegsavantgarde wie Toyen, Jindřich Štyrský und Adolf Hoffmeister. Es finden sich aber auch progressive Strömungen der 1960er wie Jiří Kolář sowie Vertreter aus der jungen Generation wie Michal Cihlář. Und gerade bei den Werken von Michal Cihlář haben wir uns entschieden, diese in einer Retrospektive in Wien zu zeigen. In Klosterneuburg werden die Besucher mehr als 80 Originale sehen. Die Auswahl ist wirklich sehr breit.“

Karel Trinkewitz: Ästhetische Information
Seit wann werden eigentlich Collagen geschaffen? Seit wann spielten sie eine Rolle in der bildenden Kunst?

„Ich würde sagen, dass die Collage einfach ein Teil der tschechischen bildenden Kunst ist. Schauen wir in die Geschichte, findet man Collagen seit dem Kubismus, damals war sie schon eine wichtige Charakteristik für die tschechische Kunst. Aber auch über Poetismus und Surrealismus bis hin zur Gegenwart. Collagen konnte man eigentlich sogar in Kriegszeiten finden. Was mich fasziniert ist, dass die Collage nicht nur im bildenden Bereich geblieben ist, man findet sie neben der tschechischen Kunst auch in der Literatur, im Theater und in der Poesie, und man kann sie sogar in den Auslagen der Prager Geschäfte ab und zu sehen. Also es ist etwas, was wirklich ganz typisch für die Tschechen ist. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass gerade in diesen Frühlingsmonaten die bekannte Galerie Albertina in Wien eine Retrospektive von Max Ernst vorbereitet hat. Ein Drittel dieser großen Ausstellung ist seinen Collagen gewidmet. Ich finde diesen Zusammenhang ganz spannend und ich hoffe, dass wir dadurch auch das Interesse der österreichischen und besonders der Wiener Medien und des Wiener Publikums wecken können.“

Jan Švankmajer: Naturkunde
Also macht der Kontext die Ausstellung noch interessanter. Sie haben gesagt, in Kloster Neuburg wird der Hauptteil der Ausstellung gezeigt. Es gibt aber noch zwei ergänzende Ausstellungen direkt in Wien.

„Genau, eine weitere Ausstellungsstätte ist das Tschechische Zentrum in der Herrengasse. Dort sind die Werke von Michal Cihlář bis Anfang März zu besichtigen. Die dritte Ausstellungsstelle ist die Tschechische Botschaft, die in Hietzing liegt, nicht weit von Schönbrunn entfernt.“

Soweit ich weiß ist dort die jüngste Generation vertreten?

„Genau. In der tschechischen Botschaft werden Arbeiten des renommierten Filmregisseurs Jan Švankmajer gezeigt, der in seinem Zyklus ‚Naturkunde’ in realistischem Stil wissenschaftliche Abbildungen paraphrasiert. Oder die Werke von Karel Trinkewitz, von Josef Hampl, Dalibor Chatrný, Libor Chatrný und Jan Koblasa.“

Josef Hampl: Briefe an mich
Vielleicht sollten wir darauf aufmerksam machen, dass in der Botschaft strengere Regeln herrschen, als in anderen Ausstellungssälen. Was muss ein Interessent tun, um sich die Werke ansehen zu können?

„Also entweder eine Veranstaltung des Tschechischen Zentrums oder der Tschechischen Botschaft besuchen. Das heißt, eine spezielle kulturelle Veranstaltung, in deren Rahmen natürlich auch der Ausstellungsraum geöffnet ist. Oder kann man sich vorher bei dem Tschechischen Zentrum oder bei der Tschechischen Botschaft anmelden. Es wird natürlich jedem ermöglicht, die Ausstellung zu sehen. Ich muss aber sagen, dass die Botschaft selbst viele Veranstaltungen macht. Es finden viele wichtige Termine dort statt. Bei solchen Gelegenheiten sind natürlich die Ausstellungsräume ebenfalls zugänglich.“

Michal Cihlář: Weiße Collage
Das Tschechische Zentrum in der Herrengasse ist frei zugänglich. Dort stellt Michal Cihlář aus. Wie würden Sie diesen Künstler charakterisieren?

„Michal Cihlář gehört zu den jüngeren Autoren, die sich mit der Collage beschäftigen. Wir haben uns entschieden, seine Ausstellung im Tschechischen Zentrum zu zeigen, weil wir uns gedacht haben, dass unter den drei Ausstellungen eine sein könnte, die sich auf einen Künstler konzentriert. Er nutzt eine spezielle Technik des Linolschnittes. Trotz der Tatsache, dass er in Tschechien mehr wegen seiner grafischen Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Garten Prag bekannt ist, zeigt diese Ausstellung, wie sensitiv er die Collagen bearbeitet. Bei uns werden so genannte Dreier-Bilder (Trojice) gezeigt. Es sind wirklich spannende Werke, die sehr viel über seine Emotionen erzählen. Ich kann wirklich jedem empfehlen, sich die Ausstellung anzuschauen.“

Jan Koblasa: Panatomie
Planen Sie auch ein Begleitprogramm für die Ausstellung in Wien und in Klosterneuburg?

„Ja, unter anderem möchten wir auch einen Vertreter der jüngeren Generation nach Wien einladen und zwar Jakub Nepraš. Jakub Nepraš widmet sich der Videocollage. Das ist etwas ganz Neues und ganz Spannendes. Damit möchten wir auch beweisen, dass diese Art der Kunst nicht nur in der Vergangenheit populär gewesen ist, sondern dass sie immer noch weiter lebt. Und Klosterneuburg ist für uns ja nicht unbekannt. Wir organisieren schon seit einem Jahr Konzerte klassischer Musik in dem wunderschönen Barocksaal des Klosters, in Zusammenarbeit mit dem Musiklabel Supraphone. Am 16. Mai tritt im Kloster Neuburg der Spitzenviolinist Josef Špaček mit dem Klaviermeister Martin Sekera auf.“


Jiří Machalický  (Foto: Vojtěch Brtnický,  Archiv der Tschechischen Zentren)
In Klosterneuburg wird eine Ausstellung tschechischer Collagen gezeigt. Herr Machalický, Sie sind der Kurator der Ausstellung. Wie ist sie zustande gekommen?

„Wir haben vor ein paar Jahren eine größere Ausstellung in der Nationalgalerie in Prag organisiert. Damals haben wir einen großen Katalog zu dieser Ausstellung publiziert. Den Katalog hat die Gesellschaft Gallery mit Herrn Jaroslav Kořán realisiert. Er hat dann mit der Firma Pražská plynárenská (Prager Gaswerke) die Sammlung der tschechischen Collagen gegründet und weiter entwickelt. Heute kann man sagen, dass diese Sammlung zu den größten Sammlungen tschechischer Collagen gehört. Man kann sagen, dass es die einzige systematisch organisierte Sammlung dieser Kunstrichtung ist.“

Jiří Kolář: Kalender - Oktober
Welche Rolle spielt eigentlich die Collage-Technik in der tschechischen bildenden Kunst? Ist es ein Spezifikum der tschechischen Kunst?

„Ja, das kann man so sagen. Bei uns gab es vor allem in den 1960er Jahren viele Künstler, die die Collage in verschiedensten Strömungen entwickelt haben. Zu den bekanntesten gehört Jiří Kolář. Er emigrierte aus der Tschechoslowakei zuerst nach Westberlin und danach nach Paris, wo er mit der berühmten Galerie Maeght Lelong zusammenarbeitete. Man kann sagen, dass er die tschechische Collage-Schule gegründet hat.“

Václav Zykmund: Schneetag
Sie erwähnen die 1960er Jahre als eine Spitzenzeit der tschechischen Collage. Seit wann wird diese Technik eigentlich in der Kunst genutzt?

„Als wir die Ausstellung über die tschechische Collage in der Nationalgalerie gemacht haben, haben wir mit kubistischen Collagen begonnen. Aber in der Sammlung der Firma Pražská plynárenská gibt es leider keine kubistischen Collagen, weil es heute nicht mehr möglich ist, diese auf dem tschechischen Kunstmarkt zu kaufen. Es gibt sie aber zum Beispiel in der Nationalgalerie und in anderen tschechischen Museen und Galerien. Für die Sammlung der Pražská plynárenská haben wir am Anfang die Collagen von Surrealisten gekauft, zum Beispiel Jindřich Štyrský, Toyen oder Adolf Hoffmeister und Václav Zykmund.“

Wie viele Collagen werden in Klosterneuburg gezeigt? Die Ausstellung ist ja eine Auswahl aus der größeren Sammlung der Pražská plynárenská.

„In der Sammlung gibt es ungefähr fünf hundert Collagen. In Klosterneuburg ist es möglich, ungefähr achtzig davon anzuschauen.“


Die Ausstellung in Klosterneuburg ist bis 26. Juni zu sehen, die kleineren Ausstellungen in Wien gehen am 1. März zu Ende.

Fotos der Collagen: Tschechische Zentren - Presskit