Misstrauensantrag gegen umstrittenen Premier
Im tschechischen Abgeordnetenhaus hat am Freitagmorgen eine Debatte begonnen über den Misstrauensantrag gegen die Regierung. Die Opposition möchte Premier Andrej Babiš und sein Kabinett stürzen. Hintergrund sind angeblich neue Erkenntnisse in der mutmaßlichen Betrugscausa „Storchennest“. In dem Fall wird auch gegen Regierungschef Babiš ermittelt.
„Ganz klar ist es ein Problem, dass gegen Premier Babiš ermittelt wird. Das ist ein großes politisches Stigma. Denn in der Politik gibt es leider keine Unschuldsvermutung. Das war uns aber auch schon vor einem halben Jahr bekannt, als die Regierung das Vertrauen erhalten hat. Unserer Ansicht nach haben sich keine großen Änderungen ergeben. Die derzeitigen Spekulationen der Medien sind kein hinreichendes Argument. Man muss vielmehr die ermittelnden Behörden ihre Arbeit erledigen lassen.“
Mit Spekulationen der Medien meint Dolejš eine Affäre um den Sohn von Premier Babiš. Journalisten hatten diesen in der Schweiz aufgesucht. Der 35-jährige Andrej Babiš junior behauptete dann, sein Vater habe ihn auf die Halbinsel Krim entführen lassen. Damit sollte angeblich verhindert werden, dass der Sohn im Fall „Storchennest“ aussagt, schließlich ermittelt die Polizei auch gegen ihn. Der Regierungschef wies diese Vorwürfe jedoch zurück. Andrej Babiš senior erläuterte die Aussagen seines Sohnes damit, dass dieser seit Jahren unter Schizophrenie leide.Der Opposition sind die Spekulationen jedoch Anlass genug, um den Sturz des ungeliebten Regierungschefs zu versuchen. Dabei haben sich nicht nur konservative und liberale Kräfte zusammengefunden, also die Bürgerdemokraten, die Bürgermeisterpartei Stan, die Top 09 und die Christdemokraten. Auch die Piraten und die Rechtsaußen von „Freiheit und direkte Demokratie“ wollen den Misstrauensantrag. Pavel Bělobrádek ist Chef der Christdemokraten. Er erläutert, warum ein Premier unter Polizeiverdacht ein Problem ist.
„Man kann sich nicht sicher sein, dass nicht vielleicht versucht wird, die Ermittlungen gegen ihn durch Druckausübung zu beeinflussen. Schließlich hat der Regierungschef auch großen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft und auf die Aufsicht über die Sicherheitsorgane. Diese Lage schadet Tschechien intern wie in der Außendarstellung“, so Bělobrádek.
Zusammen kommen die Oppositionsparteien auf 92 Stimmen. Das reicht jedoch nicht für einen erfolgreichen Misstrauensantrag. Denn für diesen braucht es die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus, das sind 101 Stimmen.In der Woche hatten die Initiatoren vielleicht auch eine minimale Hoffnung gehabt, dass der Juniorpartner in der Regierung schwach werden würde. Doch die Sozialdemokraten sprachen sich am Mittwoch dafür aus, die Koalition mit der Ano fortzuführen. Das Argument lautete, dass es derzeit keine Alternative gebe zum bestehenden Kabinett. Ein Sturz des Premiers würde stattdessen die Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ in die Macht heben, hieß es. Zugleich sagte Sozialdemokratenchef und Innenminister Jan Hamáček:
„Sollten im Abgeordnetenhaus mindestens 105 Stimmen zusammenkommen, um das Parlament aufzulösen, dann sind die Sozialdemokraten bereit, die restlichen 15 Stimmen zu stellen.“Damit meinte Hamáček nichts anderes, als dass seine Partei am liebsten vorgezogene Neuwahlen hätte. Um das Abgeordnetenhaus aufzulösen, braucht es dort 120 Stimmen. In einer ersten Reaktion zeigte sich Premier Babiš enttäuscht vom Koalitionspartner. Und er äußerte Unverständnis:
„Ich denke, dass die Menschen keine vorgezogenen Neuwahlen wollen. Das hätte auch keinen Sinn, denn unsere Regierung kann Erfolge vorweisen. Tschechien geht es ziemlich gut. Warum sollten wir die Leute schon wieder mit Wahlen nerven.“
Trotz der schwankenden Sozialdemokraten: Ein Erfolg des Misstrauensvotums im Abgeordnetenhaus ist unwahrscheinlich. Von insgesamt 13 Versuchen hat bisher in Tschechien auch nur einer geklappt. Das war 2009 gegen den Bürgerdemokraten Mirek Topolánek. Warum initiiert aber die Opposition eine Abstimmung, die sie nicht gewinnen kann? Petr Hartman ist Kommentator des Tschechischen Rundfunks:
„Die Opposition greift hierzulande meist zum Misstrauensantrag, wenn sie die Lage nicht mehr für tragbar hält. Das geschieht etwa bei einem Skandal oder unlauterem Vorgehen. Auf diese Weise kann die Opposition am sichtbarsten gegen die Regierung protestieren. Meist aber halten die Koalitionsparteien zusammen.“Alle Beobachter gehen davon aus, dass die Parlamentsdebatte vor dem Misstrauensvotum einige Stunden lang dauern wird.