Mit Kabarett und Musik ins tschechische Bewusstsein: 50 Jahre Theater Semafor
Auch wenn es die passionierten Fans dieser Prager Kleinbühne kaum glauben wollen, ist es dem so. Das Kulttheater Semafor beging sein 50. Jubiläum. Im ausverkauften Smetana-Saal des Prager Repräsentationshauses haben die Theatermitglieder mit ihren Fans am 30. Oktober bei zwei Konzerten den runden Geburtstag gefeiert.
Viele Prager verbinden das Theater Semafor bis heute vor allem mit dem Saal in der Fußgängerpassage Alfa. Vor allem in den sechziger und siebziger Jahren war es oft unmöglich, vom Wenzelsplatz an dem Theater vorbei Richtung Franziskaner Garten zu gehen. Die Fans der Kultbühne verstopften den Platz vor dem Theatereingang und die Schlange war endlos. In der Passage Alfa hatte das Theater jedoch erst seit 1962 den Sitz. Die überhaupt erste Vorstellung fand am 30. Oktober 1959 im Theater „Ve Smečkách“ statt, wo sich heute das Theater „Činoherní klub“ befindet. Das Stück von Jiří Suchý hieß „Člověk z půdy“ (Der Mensch vom Dachboden), Musik schrieb Jiří Šlitr. Das Publikum war begeistert. Einige der Melodien sind Evergreens geworden. Das Lied „Včera neděle byla“ (Gestern war der Sonntag) war danach Jahre lang die meist verkaufte Schallplatte:
Ursprünglich sollte das Theater „Dimafor“ heißen, als Abkürzung für „Divadlo malých forem“ – zu deutsch etwa das „Theater kleiner Form“. Suchý hat der Name nicht gefallen und so kam er auf die Idee, die Bühne „Semafor“ (zu deutsch Ampel) zu nennen. Erst danach überlegte er sich, was die Bezeichnung bedeuten könnte. Und das Resultat: „sedm malých forem“ also „sieben kleine Formen“. Semafor sollte sich den folgenden Genres widmen: Musikkomödie, Poesie, Pantomime und schwarzes Theater, Puppentheater, Experimentalfilm, Jazzkonzerte und Ausstellungen. Das Publikum war jedoch so sehr von der Musikkomödie begeistert, dass damit das endgültige Genre entschieden war. Im Theater haben Anfang der 60er Jahre einige später sehr beliebte Sängerinnen und Sänger ihre Karriere gestartet – unter ihnen vor allem Eva Pilarová und Waldemar Matuška.
Das Duo S + Š - Suchý und Šlitr – hat eine neue Theaterpoetik geschaffen. Der berühmte Filmregisseur Miloš Forman studierte vor zwei Jahren im Prager Nationaltheater die Jazz-Oper „Ein gut bezahlter Spaziergang“, die einst im Theater Semafor entstanden ist. Forman sagte, für ihn sei Semafor immer noch aktuell:
„Für mich ist es eine sehr emotionale Erinnerung. Ich erinnere mich an den Mist in der tschechischen Kultur der fünfziger Jahre, als hier der aus Moskau importierte sozialistische Realismus kopiert wurde. Auf einmal entstand das Theater Semafor, das eine Streicheleinheit für Geist und Seele war. Ich bin demgegenüber sehr sentimental und bin Herrn Suchý dafür, dass er uns damals die Augen geöffnet hatte, sehr dankbar.“
Das wohl berühmteste Spiel schrieb Suchý 1962. Es hieß „Jonáš und tingltangl“ und Šlitr hat herrliche Lieder für das Stück komponiert. Das Antikriegslied „Tulipán“ – die Tulpe – ist inzwischen Bestandteil der Lehrbücher geworden. Im Dezember 1969 starb Jiří Šlitr – sein Tod bedeutete einen schweren Schlag für das Theater.In den siebziger Jahren wuchs im Theater eine hervorragende Komikerin auf: Jitka Molavcová. Bis heute sind sie und Jiří Suchý das bekannteste Duo von Semafor: er als Herr Jonas und sie als seine etwas verwirrte Haushälterin Melicharová. Jitka Molavcová feierte auf dem Podium das Jubiläum von Semafor mit, auch wenn sie bei dessen Gründung noch ein Kind war. Sie habe das Theater erst später zur Kenntnis genommen, sagt sie:
„Ich war nämlich eine Opernliebhaberin. Nicht im Traum wäre mir damals eingefallen, dass ich Anfang der 70er Jahre ins Theater Semafor komme, um mich dort vorzustellen. Ich gewann damals einen Chansonwettbewerb. Drei Wochen danach stand ich schon auf der Bühne mit der Gitarre und habe Chansons gesungen. Ich habe damals gedacht, dass ich einen ernsthafteren Weg gehen und Chansons singen werde. Aber dem war nicht so. Der Kapellmeister von Semafor Ferdinand Havlík und Jiří Suchý haben mir den farbigeren Weg der Komödie angeboten.“
1971 spielte sie ihre erste komische Rolle im berühmten Stück „Kytice“ (Blumenstrauß) und bei den komischen Rollen ist sie auch bis heute geblieben.
„Ich fühle mich sehr wohl im Theater Semafor und hoffe, dass ich mit Jiří Suchý und mit unseren jüngeren Kollegen noch viele schöne Vorstellungen vorbereiten werde, auf die wir uns genauso wie die Zuschauer freuen. Wir haben jetzt ein schönes, neues Theater, vielleicht das schönste überhaupt, was wir je gehabt haben. Nach der Hochwasserkatastrophe reisten wir von einem Ort zum anderen, und haben dort gespielt, wo man uns spielen ließ. Jetzt sind wir in Dejvice, in diesem schönen neuen Theaterhaus.“
Für sie singt jetzt Jitka Molavcová ein Fragment aus einem Lied von der Vorstellung „Ein Abend im Hotel Blauer Stern“, in dem Musik aus der Zeit vor, während und nach dem Krieg erklingt:
Das Theater Semafor hat die schwierige Zeit der Normalisierung überlebt. Nach der Wende zog das Theater in neue Räumlichkeiten im Theater Karlín um. Nach der Hochwasserkatastrophe vor sieben Jahren musste das Ensemble wieder nach einem neuen Theaterhaus suchen. Die Existenz des Theaters war zudem durch die geplanten Kürzungen der Förderung der Stadt Prag gefährdet. Dies sei jetzt, so der Begründer des Theaters Jiří Suchý vorbei. Die Perspektiven seien viel versprechend:
„Wir haben große Pläne. Die Beziehungen zum Prager Magistrat sind geregelt, die Situation hat sich beruhigt. Ich hoffe, dass diese Saison sowie die nächsten 49 erfolgreich werden.“