Mit kaiserlicher Zustimmung: Mährisches Landesmuseum wird 200 Jahre alt

Jiří Mitáček (Foto: Archiv des Mährischen Landesmuseums)

Brno / Brünn, die zweitgrößte Stadt Tschechiens, feiert derzeit ein großes Jubiläum: Am 29. Juli 1817 wurde das Mährische Landesmuseum gegründet. Seit vergangenem Herbst erinnern repräsentative Ausstellungen an das 200-jährige Bestehen dieser Institution. Im Folgenden mehr über die Gründerjahre des Museums.

Hauptgebäude des Mährischen Landesmuseums  (Foto: Jan Sapák,  CC BY-SA 4.0)
Das Mährische Landesmuseum ist nach dem Nationalmuseum in Prag die zweitgrößte und die zweitälteste Institution ihrer Art hierzulande. Sein Entstehen verdankt es, dass Mähren damals eine andere „geopolitische“ Stellung hatte als heute. Zwischen 1782 und 1849 waren die Gebiete Mähren und Österreichisch-Schlesien selbstverwaltet und galten als eines der Länder der Böhmischen Krone. Wie anderswo bemühte man sich auch in „Mähren-Schlesien“ um die Förderung von Wirtschaft und Wissenschaft. Dazu wurden bereits im 18. Jahrhundert die Fundamente gelegt. So konstituierte sich im Juni 1770 in Brünn die „Die Gesellschaft des Ackerbaues und der freien Künste“. Damals begann man mit 17 Mitgliedern. Die Zahl wuchs aber dann kontinuierlich durch Fusionen mit ähnlich orientierten Gesellschaften. Zuletzt schloss sich 1811 die „Schlesische Gesellschaft für Wirtschaft“ an. Damit entstand die „kaiserlich-königliche Mährisch-Schlesische Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde“. Sieben Jahre später erhielt sie grünes Licht, ihre Bemühungen um eine Museumsgründung umzusetzen. Jiří Mitáček ist Historiker und Generaldirektor des Mährischen Landesmuseums:

Jiří Mitáček  (Foto: Archiv des Mährischen Landesmuseums)
„Das Museum, ursprünglich ‚Františkovo muzeum‘ (auf Deutsch ‚Franzensmuseum‘, Anm. d. Red.), entstand vor allem dank der Aktivitäten des mährischen Adels. Sein Interesse galt im Zeitalter der Aufklärung insbesondere dem Studium von Naturwissenschaften. In der k. k. Mährisch-Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung der Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde‘ vereinten sich mährische Intellektuelle und gebildete Adelige, die das Unternehmertum in verschiedenen Bereichen fördern wollten. Zum Beispiel in der Imkerei, Pflanzenveredelung und anderen Wirtschaftszweigen, denen sich manche Mitglieder auf ihren eigenen Gütern widmeten. Ihr Ziel war es, Wirtschaft und Handel im angebrochenen 19. Jahrhundert auf ein höheres Niveau zu heben. Dabei sollten gerade Bildung und Wissenschaft hilfreich sein. Die Mährisch-Schlesische Gesellschaft lässt sich als eine Vorgängerin der späteren Akademie der Wissenschaften bezeichnen.“

Kuriositäten von den Reisen

Die Ausrichtung war also zukunftsorientiert. Zugleich habe dahinter das Faible für sogenannte Kuriositätenkabinette gestanden, so Mitáček. Und die waren ein guter Grund, auf Reisen zu gehen:

„Man war sich dessen bewusst, dass Reisen den Horizont erweitertet. Die zahlreichen ‚Mitbringsel‘ wurden nachfolgend in den Kuriositätenkabinetten deponiert. Sie gelten als eine Vorstufe der Museen. Ihr Ursprung liegt praktisch in der Zeit von Kaiser Rudolf II., der für seine Vorliebe für derartige ‚Kabinette‘ auf der Prager Burg bekannt war. Diese ‚Mode‘ gab es das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch, allerdings wandelten sich die Objekte. Irgendwann waren die Kuriositätenkabinette vollgestopft, obwohl der Durst nach neuem Wissen nicht gestillt war und sich immer weitere wissenschaftliche Disziplinen herausbildeten. Dieser Prozess führte eindeutig zur Gründung von Museen. Ihr Fundament bestand oft aus den bereits vorhandenen Privatsammlungen.“

Anton Mitrovsky  (Foto: Public Domain)
An der Wiege des Landesmuseums standen bedeutende Persönlichkeiten der mährischen intellektuellen Elite: Christian Carl André, Altgraf Hugo Franz Salm, Graf Josef Auersperg und der Statthalter für Mähren und Mährisch Schlesien Anton Mitrovsky. Auf Initiative von Auersperg und Salm wurde eine Gedenkschrift erarbeitet, die auf die Notwendigkeit der Museumsgründung verwies. Das Dokument wurde im März 1816 dann Mitrovsky vorgelegt. Dieser durfte es dem Kaiser in Wien übergeben, der seine Unterschrift im Juli 1817 hinzufügte. Erst im März des folgenden Jahres informierte Mitrovsky auch die Öffentlichkeit über die Neugründung – und das mittels einer Verlautbarung. Nachzulesen war sie in den „Vaterländischen Blättern für den österreichischen Kaiserstaat“, herausgegeben in Wien. Zitat:

„Seine Majestät, unser gnädigster Kaiser und Herr, immerhin geneigt, alle auf wohltätige und gemeinnützige Zwecke gerichtete Unternehmungen des allerhöchsten besondern Schutzes zu würdigen, geruhten hierauf, laut einer mir zugekommenen Bekanntmachung des hohen Hofkanzlerpräsidiums, die Errichtung eines mährisch-schlesischen Landesmuseums in Vereinigung mit der mährisch-schlesischen Gesellschaft zu Beförderung des Ackerbaues, der Natur und Landeskunde, und daß selbes Franzensmuseum genannt werden dürfe, allergnädigst zu bewilligen (...).“

Einzug in den Bischofshof

Kaiser Franz I.
Das Original des Dokuments, mit dem der Monarch der Museumsgründung „allergnädigst“ zustimmte, ist allerdings nicht erhalten geblieben, sagt Jiří Mitáček:

„Es gibt leider nur zwei Kopien der Gründungsurkunde. Eine befindet sich in Wien und die andere in Brünn im Mährischen Landesarchiv. Es handelt sich aber um amtlich beglaubigte Kopien. Als Standort der ersten Sammlungen sollte der sogenannte Bischofshof dienen. In dem Gebäudekomplex im historischen Stadtkern unterhalb der St.-Peter-und Paul-Kathedrale befand sich damals die Residenz des Olmützer Bistums. Kaiser Franz I. hatte aber seine Zustimmung zur Museumsgründung davon abhängig gemacht, dass der Bischofshof der neuen Institution zur Verfügung gestellt wird. Dies ist 1818 dann tatsächlich geschehen.“

Es handelt sich um einen Gebäudekomplex, der drei Seiten eines Hofes umgibt. Das ursprüngliche Gebäude gehörte der Propstei des Brünner Kapitels und war im gotischen Stil gebaut. 1588 erwarb der Olmützer Bischof Stanislav Pavlovský den Komplex und ließ ihn von einem Renaissance-Architekten umbauen. In der Folge bürgerte sich wegen des neuen Eigners der Name „Bischofshof“ ein. In seinen Räumlichkeiten wurden die ersten Sammlungen des Franzensmuseums untergebracht.

Foto: DaBler,  Public Domain
„Zum Teil handelte es sich um kleinere Sammlungen aus dem Fundus der ‚Wirtschaftsgesellschaft‘. Sie waren aber nicht besonders groß. Viel mehr kam durch die Schenkungen der adeligen Museumsgründer hinzu, also zum Beispiel von Graf Salm oder Graf Serenyi. Die erste paläontologische Sammlung kam von Fürst Liechtenstein. Diese Sammlungen wurden ab 1820 auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.“

Paläontologe ordnet die Sammlungen

Die Sammlungen wuchsen ständig weiter, und die vorhandenen Räume waren bald voll. Das Mährische Landesmuseum musste daher weitere Gebäude ankaufen. Außer den neuen Depots und Ausstellungsräumen brauchte man aber auch eine feste Basis für die Forschungsarbeit und Dokumentation der neuen Erkenntnisse. Denn das Brünner Landesmuseum profilierte sich immer mehr auch als ein Wissenschaftszentrum. Was damals in den Sammlungen zu finden war und wie damit umgegangen wurde, das wissen wir aber nur aus den eigenen Berichten der Museumskustoden.

Albin Heinrich  (Foto: Public Domain)
Nicht jeder war jedoch, wie sich zeigte, der richtige Mann am richtigen Platz. Als solcher erwies sich allerdings Albin Heinrich, der sehr engagiert viele Fehler seiner Vorgänger behob. Er begann mit einer systematischen Erfassung der Bestände. Außerdem betrieb er Öffentlichkeitsarbeit: 1853 verfasste Heinrich den ersten Führer durch das Franzensmuseum. Der leidenschaftliche Naturwissenschaftler beschrieb darin unter anderem auch paläontologische Funde aus Brünn und Umgebung, so etwa von Knochen und Zähnen großer Wirbeltiere wie Mammute, Höhlenbären oder Nashörner. Erwähnt ist zudem ein kleiner fossiler Fisch, der später nach ihm „Amphisile heinrichi“ benannt wurde. Dass diese Fischart heutzutage noch im Indischen Ozean beheimatet ist, zeugt Wissenschaftlern zufolge davon, dass der Weltozean vor Millionen von Jahren (im Tertiär) mit dem Meer über heutigem mährischen Gebiet verbunden war. Der Museumskustos gab 1856 auch das Buch „Mährens und k. k. Schlesiens Fische, Reptilien und Vögel“ heraus. Zu seinen Verdiensten gehört des Weiteren die Erstellung eines Verzeichnisses von 1500 Pflanzen mit Blattaderung.

Heute besitzt das Mährische Landesmuseum über sechs Millionen Sammelgegenstände, die auf 19 Fachgebiete aufgeteilt sind. Und was bedeutet das Jubiläum in diesem Jahr für die altehrwürdige Institution?

„Für uns ist es vor allem eine Verpflichtung. Es handelt sich um 200 Jahre Dienst an der mährischen Kultur. Und dessen können sich nicht viele Institutionen rühmen“, so Museumsgeneraldirektor Jiří Mitáček.