Mittelböhmische Galerie GASK findet neue Heimat in Kutná Hora

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Fast ein Jahrzehnt haben die Sanierungsarbeiten im ehemaligen Jesuitenkolleg in Kutná Hora / Kuttenberg gedauert. Nun stehen sie kurz vor ihrem Abschluss. Bereits eröffnet wurde jener Teil des Riesenkomplexes, in dem die mittelböhmische Galerie – kurz GASK – ihre lang ersehnte neue Heimat gefunden hat. Wir haben darüber berichtet. Nun stellen wir Ihnen einige der Ausstellungen in der Galerie näher vor.

Jesuitenkolleg in Kutná Hora
Jahrelang war die Mittelböhmische Galerie (GASK) auf Herbergssuche. Eine zeitlang waren die Werke aus der umfangreichen Sammlung im Schloss Nelahozeves / Mühlhausen an der Moldau ausgestellt. Doch nach der politischen Wende wurde das Objekt an die ursprünglichen Eigentümer restituiert. Die meisten Kunstwerke landeten im Depot. Nur ein kleiner Teil konnte in provisorischen Räumlichkeiten in Prag gezeigt werden. Außerdem hinterließen die politischen Wirren der 1960er-Jahre und die strikte Kulturpolitik der Kommunisten in den 1970er- und 1980er Jahren ihre Spuren in der Sammlung, erklärt Kuratorin Marie Bergmanová:

Sammlung der GASK
„So eine Sammlung ist natürlich ein komplexer und einzigartiger Organismus. Ihre Entstehung ist nicht linear verlaufen mit dem Entstehen und Verschwinden der verschiedenen Kunstströmungen, mit dem Auftreten neuer Künstler. Da spielten viele Faktoren mit, und auch der gesellschaftliche Kontext ist sehr wichtig.“

Daher habe man nicht nur die wichtigsten und bekanntesten Werke ausgesucht, sondern versucht, den Besuchern die Sammlung in ihrer gesamten Breite zu zeigen, so die Kuratorin.

Sammlung der GASK
„Wir orientieren uns hauptsächlich daran, wann und wie die Werke in die Sammlung gekommen sind, verfolgen also eine Art Akquisitions-Chronologie. Sie werden wahrscheinlich überrascht oder vielleicht sogar schockiert sein, dass das frei zusammengestellte Werkgruppen sind, in denen einander Werke von Künstlern begegnen, die in einer gewöhnlichen Sammlungsausstellung nie nebeneinander hängen würden. Wir halten uns hier nicht an die klassische Zeitlinie. Also sehen wir hier am Ende dieses Ganges zum Beispiel Landschaftsmalerei aus der Zeit der Jahrhundertwende. Und unmittelbar davor begegnen wir der Entwicklung der tschechischen Kunst des 20. Jahrhunderts. Es ist interessant und überraschend zu sehen, wie stark sich die Ankäufe in den 1960er-Jahren von jenen nach dem Beginn der kommunistischen Normalisierung in den Siebzigern unterscheiden. Und ganz anders war es dann natürlich wieder nach der politischen Wende im Jahr 1990.“

Die Schau mit Werken von Jiří Anderle über Josef Čapek, Emil Filla, Jiří Petrbok bis Ján Želibský ist zumindest für zwei Jahre in dieser Form zu sehen, dann soll rund ein Drittel der Bilder und Skulpturen gegen andere Objekte aus der Sammlung der GASK ausgetauscht werden.


Kunstvermittlungs-Zentrum der GASK
Neben der Präsentation der Sammlung bieten die neu adaptierten und denkmalgerecht sanierten Räume des Kuttenberger Jesuitenkollegs auch jede Menge Platz für Sonderausstellungen. Bis Mitte September ist dort eine Auswahl von Werken aus der Sammlung „Kontakt“ zu sehen. Kurator der Schau ist der Kunsthistoriker und Experte für mitteleuropäische zeitgenössische Kunst, Jiří Ševčík.

Herr Doktor Ševčík, Sie haben eine der Ausstellungen in der frisch eröffneten Mittelböhmischen Galerie hier in Kutná Hora zusammengestellt, kuratiert. Das ist die Ausstellung mit dem Namen „Kontakt“, und „Kontakt“ nennt sich auch die Sammlung, hinter der die „Erste Bank“ steht. Können Sie uns die Sammlung „Kontakt“ kurz vorstellen?

Emil Filla: Stilleben mit Falken und Mandoline
„Diese Sammlung ist ungefähr vor fünf, sechs Jahren entstanden; es war eine Initiative aus Österreich. Einige Kunsthistoriker haben gedacht, dass es möglich ist, noch einige wichtige Sachen aus der Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre zu erwerben, die für die Galerien in den ost- und mitteleuropäischen Ländern nie angekauft worden sind. Fünf Kuratoren waren eingeladen, drei aus dem Osten, zwei aus dem Westen. Wir haben lange und viel darüber diskutiert und gemeinsam ein Konzept erarbeitet. Wir zeigen zumeist Werke, die an eine wirklich modernistische Linie gebunden sind, an eine Linie, die auch in der kanonisierten westlichen Kunst gut akzeptiert wird. Wir haben einige Highlights aus diesen Ländern ausgesucht, zum Beispiel Karel Malich aus Böhmen, Neša Paripović aus dem ehemaligen Jugoslawien, Edward Krasiński aus Polen und so weiter. Die absurde Sache an der Sammlung ist, dass nie zuvor eine derartige Konstellation von Kunstwerken aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks gezeigt wurde. Dazu kommt natürlich auch Kunst aus Österreich. Die Ausstellung zeigt, dass es dabei wirklich eine gemeinsame Linie gibt, die man verfolgen kann.“

Toyen: Aus den südlichen Seen
Hier in Kutná Hora ist jetzt nicht die ganze Sammlung „Kontakt“ zu sehen. Das wäre auch gar nicht möglich, weil sie viel zu groß ist. Wie viele Werke sind denn hier nun ausgestellt?

„In der Sammlung sind Werke von ungefähr 50 Künstlern. Wir mussten natürlich auswählen und so sind hier nun Arbeiten von ungefähr 25 Künstlern zu sehen. Uns war es auch wichtig zu zeigen, dass die Kunst aus der ehemaligen Tschechoslowakei in einem neuen Kontakt… Kontext steht, der für das Publikum noch nie zuvor so zu erkennen war.“

Sammlung "Kontakt"
Ich weiß, es ist immer schwer, Highlights einer Ausstellung zu nennen. Alles hat in einem Gesamtkonzept natürlich seine Daseinsberechtigung. Können Sie trotzdem eines, zwei, drei, vielleicht fünf herausragende Werke aus dieser Ausstellung in Kutná Hora herausgreifen?

„Aus der älteren Generation ist das Karel Malich mit seiner ‚Aufgehängten Zeichnung im Raum’, dann Edward Krasiński mit seinem ‚Absoluten Maß’. Das ist ein ‚Blue Scotch’-Klebeband von 130 Zentimeter Länge, das durch die ganze Welt zu führen scheint und auch durch seine eigenen Werke. Exzellent für mich ist auch Kasimir Malewitsch alias Georgewitsch. Da ist ein Remake der letzten futuristischen Ausstellung in St. Petersburg zu sehen. Die Ausstellung, die 1915 stattgefunden hat, ist nur von Fotos her bekannt. Július Koller aus der Slowakei ist mit einem Werk von großer Substanz vertreten: konzeptuelle Briefe, konzeptuelle Zettel und Gemälde auf einfachen Brettern. Das ist wirklich einer der radikalsten Schritte in der slowakischen Kunst der 1960er-Jahre.“

Josef Čapek: Leierer
Blicken wir noch auf die österreichische Kunst: Die ist ja hier in der Ausstellung mit sehr prominenten Namen vertreten, zum Beispiel Peter Weibel und Valie Export. Wie passen denn die in diese Sammlung von osteuropäischer, (Post-)Ostblock-Kunst?

„Was Valie Export betrifft: Ihre Arbeiten waren auch in ihrer Zeit eine sehr wichtige Inspirationsquelle für tschechische Künstler. Da ist die Verknüpfung klar. Oder nehmen wir zum Beispiel Heimo Zobernig: Er passt in diese Linie mit absoluten Elementen. Zum Beispiel dieser standardisierten Ware aus dem Baumarkt. Die Verbindung mit der tschechischen Kunst ist auch dadurch gegeben, dass ich schon im Jahr 1990 Werke von Heimo Zoberning und Franz West in der städtischen Galerie in Prag gezeigt habe. Das hat natürlich auch eine Spur in der heimischen Kunstszene hinterlassen. Oder die konkrete Poesie von Heinz Gappmayr zum Beispiel: Die hat sehr gute Verbindungen mit Jiří Kolář und Bohumila Grögerová, also den Dichtern hier im tschechischen Milieu, die auch mit der Wiener Gruppe verbunden waren. Es gibt also jede Menge Verknüpfungspunkte, die man nur finden muss, um zu erkennen, dass sie sehr gut zusammenspielen.“

Zdeněk Sýkora: Linien
Was mit Sicherheit auch heraus sticht in der Sammlung ist die Neue Slowenische Kunst, konkret die Gruppe IRWIN. Die ist auch so ein Verknüpfungspunkt über die Genres und die geographischen Grenzen hinweg.

„Die Gruppe IRWIN war für uns von Anfang an interessant. Sie waren immer darauf bedacht, diese Unterschiede zwischen Ost und West zu überbrücken oder sie in einer Konfrontation, in einem Flux zusammenbringen. IRWIN haben wir in Prag schon 1989 gezeigt. Diese Ausstellung kam damals aus Wien, aus dem Museum Moderner Kunst. Sie hieß ‚Zeichen im Fluss’ und stand für die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die sich in dieser Zeit radikal geändert haben. Dieses für uns lustige Spiel haben damals auch einige tschechische Künstler gespielt: Das war der Weg der Kunst zwischen den sich ändernden Zeichen der Zeit.“

Fotos: GASK