In München: Fotos von der Samtenen Revolution 1989
Die politische Wende in Europa von 1989 ist das große Thema dieses Herbsts auch in Tschechien. Deswegen reflektiert das Tschechische Zentrum in München die damaligen Ereignisse bei mehreren Veranstaltungen. Was alles geplant ist, dazu mehr im Interview mit dem Leiter des Zentrums, Jiří Rosenkranz.
Unter dem Titel „Wendejahre in der Tschechoslowakei“ läuft in München derzeit eine Ausstellung mit Aufnahmen aus der Zeit der Samtenen Revolution. Herr Rosenkranz, was zeigen die Bilder genau?
„Gezeigt werden stimmungsvolle Aufnahmen aus der Zeit des Umbruchs in der damaligen Tschechoslowakei. Es sind schwarz-weiße Fotos hauptsächlich aus dem Herbst 1989. Im Mittelpunkt steht die November-Revolution, es gibt aber auch Bilder zum Beispiel der DDR-Flüchtlinge, die damals über die deutsche Botschaft in Prag geflüchtet waren, oder auch Bilder vom ersten Amtsbesuch Václav Havels in München im Januar 1990.“
Von wem wurden die Fotos gemacht?„Hinter den Bildern stehen zwei der renommiertesten zeitgenössischen Dokumentarfotografen ihrer Länder. Gezeigt werden Bilder des deutschen Fotografen Daniel Biskup und seines tschechischen Kollegen Karel Cudlín.“
Daniel Biskup kommt aus Bonn, Karel Cudlín aus Prag. Unterscheidet sich ihr Blick auf die schicksalshaften Momente?
„Ich erlaube mir, die Frage zu drehen, und zwar, was die Bilder der beiden Fotografen gemeinsam haben. Sie verbindet, dass sie das Frühwerk zweier Männer sind, die danach eine große Karriere gemacht haben. Es sind vor allem Bilder, die heute historisch bedeutsam sind, gleichzeitig aber auch Aufnahmen, die privat sind und aus tiefer innerer Teilnahme entstanden. Damit meine ich, dass keiner der Fotografen einen Auftrag von einer Redaktion hatte. Biskup, damals Student, schwänzte sogar die Vorlesungen an der Uni, um in Prag dabei sein zu dürfen. Ich finde auch spannend, dass seine Bilder von der Samtenen Revolution nun überhaupt zum ersten Mal ausgestellt werden.“
Wie groß ist das Echo auf die Fotoausstellung in München?
„Das Echo ist überraschend groß. Sogar die Süddeutsche Zeitung hat sowohl in der Online- als auch in der Print-Ausgabe über unsere Ausstellung ausführlich berichtet. Hinweise gab es auch eine Woche lang in der Münchner U-Bahn und der Straßenbahn.“
Die Ausstellung in München dauert bis 16. Oktober. Ist sie die einzige gemeinsame Präsentation der Bilder von Biskup und Cudlín?„Die Ausstellung wird noch wandern. Es folgt eine Fortsetzung in Prag. Vom 22. Oktober bis 8. November werden diese insgesamt 40 Bilder in der Galerie der Tschechischen Zentren in der Rytířská-Straße zu sehen sein.“
In der damaligen Tschechoslowakei begann der Umbruch mit einer Studentendemonstration am 17. November. Schon drei Monate früher wurden die Einwohner Prags aber Zeugen der Flucht von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik. Bereits im September flohen viele Tausend Flüchtlinge in die bundesdeutsche Botschaft und durften letztlich in den Westen ausreisen. Anlässlich des Jubiläums wird in Hof nun am kommenden Samstag eine öffentliche Debatte veranstaltet, und zwar von der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Thomas-Dehler-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum. Wer wurde dazu eingeladen?
„Es ist nicht nur vom Thema her eine deutsch-tschechische Podiumsdiskussion, sondern auch in Hinblick auf die Teilnehmer. Diskutieren werden der deutsche Bundestagsabgeordnete und Präsident der Thomas-Dehler-Stiftung, Thomas Hacker, und der tschechische Diplomat und Dichter Tomáš Kafka.“Bilden die Ereignisse von damals den Schwerpunkt der Debatte?
„Die Ereignisse von damals werden sicherlich im Rahmen der Veranstaltung thematisiert, aber der Schwerpunkt der Podiumsdiskussion liegt vielmehr auf der heutigen Situation. Wie ist der aktuelle Stand der deutsch-tschechischen beziehungsweise der bayerisch-tschechischen Beziehungen? Welche Chancen und Möglichkeiten birgt die in den letzten Jahren immer wieder vertiefte Zusammenarbeit der beiden Länder? Es wird sich um solche und ähnliche Fragen drehen.“
Wir bleiben beim tschechisch-deutschen Kontext, verlassen aber das Thema der Wende vor 30 Jahren. Am 23. Oktober laden Sie zum „Ersten Deutsch-tschechischen Kabarett“ ein. Was können die Besucher erwarten?
„Es wird etwas ganz Besonderes. Die Gruppe, die in der Pasinger Fabrik auftreten wird, setzt sich aus Performern zusammen, die aus Tschechien und dem deutschsprachigen Raum stammen. Das Stück heißt ‚Das Thema / To téma: Cit und Gefühl‘. Es geht vor allem um Fragen zum Identitäten-Mix im deutsch-tschechischen Kontext, mal bösartig, mal liebevoll, aber ganz schön witzig.“Der Theaterabend wird in Zusammenarbeit mit dem Adalbert-Stifter-Verein vorbereitet. Das gilt auch für die sogenannte Marionetten-Gala bereits am 17. Oktober. Unter den beteiligten Puppentheatern ist auch das bekannte Spejbl-und-Hurvínek-Theater aus Prag. Spielt das Theater selbständig, oder ist die Vorstellung ein Gemeinschaftswerk, an dem sich mehrere Ensembles beteiligen?
„Es ist eine Gemeinschaftsproduktion. Sie wird im Münchner Marionettentheater gezeigt. Das Dornerei-Theater in Neustadt, das Salzburger Marionettentheater und das Prager Marionettentheater Spejbl und Hurvínek werden dem Publikum einen bunten und unterhaltsamen Querschnitt aus der Vielfalt des Figurentheaters präsentieren.“