München: Filmschau, junges Design und Literatur

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Die Tschechoslowakische Neue Welle brachte in den 1960er Jahren eine ganze Generation junger, innovativer Filmemacher hervor. Einige ihrer Streifen werden bald in München gezeigt. Die Ausstellung New g(o)ods! - Nový (z)boží! präsentiert wiederum das neueste tschechische Design. Dies und mehr erwartet Sie in den nächsten Wochen im Tschechischen Zentrum in München. Die Leiterin des Zentrums, Zuzana Jürgens, hat im Interview mehr über das dortige Programm verraten.

In Prag fand Anfang September das traditionelle Jahrestreffen der Leiter der tschechischen Zentren aus der ganzen Welt statt. Gibt es gemeinsame Themen oder Schwerpunkte, die auch in den deutschsprachigen Ländern, also auch in München realisiert werden?

„Ja natürlich, obwohl wir so viele einzelne Zentren in Europa haben, sind wir eine einheitliche Institution, und dieses Jahr stand das tschechische Design, vor allem das junge Design im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das bleibt auch in den nächsten Jahren immer wieder das Thema, dem wir uns widmen wollen. Aber es gibt für das nächste Jahr den Schwerpunkt Literatur. Dieser Schwerpunkt wird von der Zentrale in Tschechien unterstützt, und wir werden uns dem Thema in den einzelnen Zentren auch gesondert widmen. Im Tschechischen Zentrum in München haben wir immer im Frühjahr und im Herbst einen oder zwei tschechische Schriftsteller in Süddeutschland. Sie machen sich auch auf Reisen und haben in mehreren Städten Lesungen. Namen kann ich noch nicht nennen, aber das wird sich sicher konkretisieren. Und was ich schon auch verraten kann, im nächsten Jahr wird der 130. Geburtstag von Jaroslav Hašek gefeiert, und wir werden ihm sicher eine oder vielleicht auch mehrere Veranstaltungen widmen.“

Křik  (Der Schrei) von Jaromil Jireš
Wir sprechen heute ja vor allem über das Programm in München. Dort wird es eine Veranstaltungsreihe geben, die dem tschechischen Film gilt. Was hat es damit auf sich?

„Diese Reihe wird in der Zusammenarbeit dem Filmmuseum in München veranstaltet, mit dem wir seit ein paar Jahren wirklich erfolgreich kooperieren, und diesmal ist der Schwerpunkt Prager Frühling. Es sind die Filme der 1960er Jahre und wir wollten diesmal nicht nur das Übliche machen, also Sachenm, die alle kennen iwe Věra Chytilová oder Jiří Menzel, sondern dass wir die ganze Bewegung festhalten wollen. Ds heißt, dass das Programm sehr umfangreich ist. Es fängt am 20. September im Filmmuseum München an, mit dem Film von Jaromil Jireš Křik (Der Schrei), und mit dem Dokumentarfilm Haro Senft Ein Anlass zum Sprechen. Haro Senft, das wissen in Tschechien vielleicht auch nicht alle, war in den 60er Jahren in Prag an der Filmfachhochschule FAMU und hat dort einen abendfüllenden Film mit den neuen Regisseuren gedreht. Also alle Vertreter der Tschechischen Neuen Welle sind da festgehalten, und wir werden mit diesem Film die Filmreihe eröffnen. Wir gehen weiter bis Dezember im München. Es ist uns auch gelungen einige Regisseure einzuladen, Juraj Herz, Jiří Menzel oder die Schauspielerin Magda Vašáryová kommen auch nach München. Ich freue mich auch darauf und bin schon neugierig, weil einige Filme fast zum ersten Mal oder nach vielen Jahren im Rahmen dieser Reihe wieder in Deutschland aufgeführt werden.“

Foto: Manu Mohan,  Stock.Xchng
Sie haben eine ähnliche Reihe schon im Frühling im Programm gehabt, damals ging es nicht um die 1960er Jahre sondern um die Zwischenkriegszeit. Warum ein so großer Sprung in der Zeit? Gibt es einen Grund dafür?

„Eigentlich nicht wirklich, nur sind die 1960er Jahre eine kompakte Einheit. Man sieht natürlich eine Lücke, ich würde sagen zwischen dem Jahr 1948 bis zu Beginn der 1960er Jahre. In dieser Zeit müsste man einen total unabhängigen Film anschauen, und davon gibt es nur sehr wenige, oder aber einen offiziellen Film. Und ich bin mir nicht sicher, ob der offizielle kommunistische Film ein Publikum findet. Die 1960er Jahre bringen dagegen eine neue Sicht, es ist sicherlich etwas, was uns alle interessiert. Es war auch eine Zeit, in der die Regisseure an die Filmszene der Zwischenkriegszeit anknüpften –wenn auch eher indirekt.“

Aus dem Dokumentarfilm ´Bäreninsel´
Soviel zum Film. Was würden Sie weiter aus dem Programm empfehlen?

„Ich würde zwei Sachen empfehlen: erstens eine Ausstellung, die direkt im Tschechischen Zentrum in der Prinzregentenstraße stattfindet. Ab 18. September ist dort eine Ausstellung über junges tschechisches Design zu sehen. Sie heißt ‚New Goods’, also Neue Ware. Die Aussteller sind die Preisträger für junges tschechisches Design und sie kommen aus allen Bereichen, vom reinen Design bis hin zur angewandten Kunst. Einige dieser Sachen, das ist sehr interessant, gehen auch inzwischen sogar in die Produktion. Und die junge Szene ist in Tschechien sehr im Kommen. Das ist sicher einer jener Bereiche, der in der Tschechischen Republik im Moment auf einem hohen Entwicklungsstand ist. Da bin ich sehr neugierig und freue mich auch darauf. Die Kuratorin Lenka Žižková wird bei der Vernissage dabei sein. Das war die erste Empfehlung. Die zweite gilt der Literatur. Vom 18. bis 20. Oktober haben wir den Schriftsteller Martin Ryšavý nach Süddeutschland eingeladen. Schriftsteller stimmt nicht ganz, denn er ist auch Dokumentarfilmer und er wird seine beiden Fähigkeiten vorstellen. Am 18. wird er in Regensburg, am 19. in Augsburg und am 20. Oktober in Ulm aus seinem neuen Roman ´Dimitrij der Heiler´ (auf Tschechisch Vrač) lesen und seinen neuesten Dokumentarfilm ´Bäreninsel´ (Medvědí ostrovy) vorstellen. Film und Roman spielen in Russland. Martin Ryšavý reist seit vielen Jahren nach Russland und er ist ein ausgezeichneter Kenner des Landes. Er gehört auch zu einer neuen Generation der Dokumentarfilmer in Tschechien und deswegen bin ich auch auf das Gespräch mit ihm sehr neugierig. Denn er kennt viele Länder, setzt sich mit den Fragen von Minderheiten auseinander, mit dem Leben in fremden Ländern – das ist, denke ich, ein Thema, das in Deutschland gut ankommen wird.“

Sie haben seinen Roman Vrač erwähnt. Im Deutschen hat er einen ganz anderen Namen. Wurde der Roman ins Deutsche übersetzt, wurde er in Deutschland herausgegeben?

“Zum Zeitpunkt der Lesung wird das Buch leider noch nicht zu haben sein, aber er wird übersetzt. Martin Ryšavý hat mit diesem Roman den Preis der Bank Austria gewonnen. Damit ist die Herausgabe des jeweiligen Buches auf Deutsch verbunden. Und es ist der Tat so – der Roman erscheint noch dieses Jahr im österreichischen Wieser-Verlag.“

Die Filmreihe, das junge tschechische Design und die Literatur-Tournee von Martin Ryšavý sind also die wichtigsten und interessantesten Sachen im Programm des Tschechischen Zentrums München in den nächsten Wochen?

„Genau, wir haben natürlich auch noch andere Veranstaltungen, zum Beispiel auch mit Musik. Vielleicht noch ein letzter Hinweis: An der Grenze zur Schweiz, in Konstanz, wird es eine Fotoausstellung von Karel Cudlín geben, sie heißt ´Unterwegs in den Osten´. Die Ausstellung läuft bereits seit dem 1. September und geht noch bis zum Ende des Monats. Am 28. September liest dort noch Jáchym Topol. Er hat die Erfahrungen und Erlebnisse von Karel Cudlín auf seinen Reisen in den Osten niedergeschrieben. Das Buch, das er verfasst hat, ist letztes Jahr im Starfruit-Verlag auch auf Deutsch erschienen.“