Multikulturell und erfolgreich: Doku über 125 Jahre Fußballverein DFC Prag

Ondřej Kavan und Team filmen in Theresienstadt

Der Deutsche Fußball Club Prag war in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts ein Aushängeschild des europäischen Fußballs. An diesem Freitag begeht der ruhmreiche DFC seinen 125. Gründungstag. Wegen der Einschränkungen in der Corona-Pandemie wurden die Feierlichkeiten allerdings auf den Herbst verschoben. Dann soll auch eine Dokumentation über den Traditionsverein erscheinen. Im Folgenden ein Gespräch mit dem Regisseur des Films, Ondřej Kavan.

Ondřej Kavan | Foto: Archiv von Ondřej Kavan

Herr Kavan, was hat Sie dazu inspiriert, eine Dokumentation über den DFC Prag zu drehen?

„Erstens begeht der Club in diesem Jahr ein tolles Jubiläum, denn er wurde vor 125 Jahren gegründet. Und zweitens sehe ich das Ganze so: Wir befinden uns jetzt in einer Zeit, in der in Tschechien wieder verstärkt auf die Geschichte zurückgeblickt wird. Dabei sehen viele Beobachter, dass beim früheren Blick auf die Geschichte etwas gefehlt hat. Diesen Trend mag ich. Denn er schließt ein, dass man vielleicht Dinge neu entdeckt, die früher tabu waren. Dazu gehören hierzulande beispielweise der deutsche oder der jüdische Aspekt in der multikulturellen Geschichte von Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien. Viele sagen, damit solle nur einiges relativiert werden, doch das finde ich nicht. Ich habe eher das Gefühl, dass wir langsam alt genug sind, um ein wenig erwachsener zu sein. Und Erwachsene sollten mit der eigenen Geschichte etwas anders umgehen als ein Teenager, der noch in der Pubertät ist. Zur Geschichte des Prager Fußballs gehört dann auch dazu, dass man Fakten festhält und sagt: Auf der Letná-Anhöhe waren früher drei Clubs beheimatet. Also nicht nur Sparta und Slavia, sondern auch der DFC Prag. Seinem Namen nach war er ein deutscher Verein, in Wirklichkeit stand er aber offen für alle Nationalitäten und Ethnien. In diesem Club spielten viele Juden, eine ganze Reihe von Tschechen und weitere Kicker aus halb Europa. Für alle stand der Sport im Vordergrund, und sie waren darin gut, denn der DFC war ziemlich erfolgreich. Er ist somit ein Teil der hiesigen Geschichte, was man einfach nicht vergessen sollte.“

Ondřej Kavan filmt Miroslav Pomíkal | Foto:  Odbor přátel Slavie

125 Jahre DFC Prag heißt ja auch: 125 und mehr Jahre Fußball in Mitteleuropa. Warum ist es für Sie so wichtig, dass man sich jetzt erneut an die Anfänge des Fußballs hier im Herzen Europas zurückerinnert?

„Der DFC ist ein Beispiel dafür, wie wir hier vor etwas mehr als 100 Jahren gelebt haben. Und er zeigt ein buntes und breitgefächertes Zusammenleben. Ich bin ziemlich sportbegeistert, aber eigentlich kein Fußballfan. Für mich ist am DFC aber eben diese multikulturelle Komponente interessant, und ich sehe, dass man auf dieser Basis auch sehr guten Sport betreiben kann. Zudem wollen wir in unserer Dokumentation einige positive Beispiele von Menschen zeigen, die hier früher gelebt haben. Deswegen kommt in dem Film auch Emmerich Rath vor, ein Prager Deutscher, der wirklich sein ganzes Leben lang Sport getrieben hat. Er war ein fairer Sportsmann, zudem Vegetarier, und trotzdem ist er in Vergessenheit geraten. Rath ist aber ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht alles schlecht war, was deutsch, jüdisch oder eben anders als tschechisch gewesen ist. Und das finde ich gut.“

Ondřej Kavan im Gespräch mit Zdeněk Mareček in Loučeň | Foto: Thomas Oellermann

Wann dürfen wir Ihren Film erwarten? Wann wird er im Kino oder anderswo uraufgeführt?

„Das ist zurzeit noch nicht endgültig entschieden, aber es wird entweder im September oder im Oktober dieses Jahres sein. Wir sind gerade in den letzten Drehtagen, von daher hoffe ich, dass wir die Postproduktion, den Schnitt und alles andere gut schaffen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber wir rechnen auf jeden Fall mit dem Herbst.“


Den Geburtstag selbst wird der DFC Prag mit einem öffentlichen Training eines seiner Nachwuchsteams begehen. Als Gast wird dazu auch der deutsche Botschafter in Tschechien, Christoph Israng, erwartet, der zugleich Ehrenmitglied des Vereins ist. Im Vorfeld hat er bereits eine Grußbotschaft gesendet, die Sie auch auf unserer Internetseite anhören können.

Autor: Lothar Martin
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