Fußball – U21-EM: Tschechien nach Niederlage gegen Deutschland vor dem Aus

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Wenn Fußball-Deutschland gegen die Tschechoslowakei oder Tschechien spielt, dann geht es häufig um viel. Erinnert sei nur an das Belgrader Finale der EM 1976, das dank des berühmten Panenka-Elfers zugunsten der ČSSR ausging, oder an die Revanche 20 Jahre später im Londoner Wembley-Stadion, die Deutschland durch das Golden Goal von Oliver Bierhoff gewann. Es geht aber auch zwei, drei Nummern kleiner, und trotzdem haben deutsch-tschechische Duelle ihren besonderen Reiz.

Fußball – U21-EM: Deutschland gegen Tschechien  (Foto: ČTK)
Der moderne Fußball ist so schnelllebig, dass man manchmal gar nicht mehr mitbekommt, wie rasch sich die Kader von Mannschaften verändern oder wie große Karrieren enden. Deshalb wird seit einigen Jahren immer häufiger und ernsthafter auch auf die Spieler geschaut, die die Stars von morgen sein könnten. Die U21-Europameisterschaft ist dafür die beste Bühne. Und wie schon vor zwei Jahren, als diese Titelkämpfe in Prag, Olomouc / Olmütz und Uherské Hradiště / Ungarisch Hradisch ausgetragen wurden, trafen die besten Nachwuchskicker aus Tschechien und Deutschland in der Gruppenphase aufeinander. Vor zwei Jahren trennte man sich in Prag 1:1 – das Remis reichte Deutschland zum Weiterkommen, doch Tschechien schied aus. Bei der aktuellen EM in Polen kreuzten beide U21-Teams gleich zum Auftakt die Klingen, und die DFB-Junioren hatten die besseren Waffen. Die Schützlinge von Trainer Stefan Kuntz bezwangen am Sonntag in Tychy ihre tschechischen Kontrahenten mit 2:0. Dabei hatten die Spieler um Jungstar Patrik Schick laufstark und couragiert begonnen, nach zirka 20 Minuten aber übernahmen die deutschen Kicker zusehends das Heft in ihre Hand. Das gab auch der tschechische Abwehrspieler Stefan Simič etwas kleinlaut zu:

Stefan Simič  (links) Foto: ČTK
„Die Deutschen hatten nun mehr Ballbesitz und haben ihr Passspiel überlegt von hinten aufgebaut. Wir waren dadurch nicht mehr so eng am Mann, kamen nicht mehr so gut in die Zweikämpfe. Wenn die Deutschen einmal etwas mehr Raum haben, lassen sie den Ball laufen und nutzen das aus.“

Nach dem neuen Spielmodus bringt einem eine Auftaktniederlage schon an den Rand des Ausscheidens. Denn erstmals wird die U21-Endrunde mit drei Vierergruppen gespielt, aus denen sich nur jeweils die Gruppensieger sowie der punktbeste Gruppenzweite für das Halbfinale qualifizieren. Dass es nun ungleich schwerer wird weiterzukommen, weiß auch Simič:

Tschechische Mannschaft  (Foto: ČTK)
„Wir haben schon vor dem Turnierbeginn so gerechnet: Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir alle drei Spiele gewinnen. Jetzt wird es komplizierter, doch wir werfen die Flinte nicht ins Korn, sondern beginnen uns bereits zielgerichtet auf das Duell mit Italien vorzubereiten. Wir werden unser Maximum geben und hoffen, dass dies dann zum Sieg reicht. Und wir hoffen auch, dass die Fans uns wieder in so großer Zahl im Stadion unterstützen wie gegen Deutschland.“

Die Begegnung mit Italien in der Gruppe C bestreitet die tschechische Mannschaft am Mittwoch erneut in Tychy.


DFC Prag ist zurück: Erstes Freundschaftsspiel gegen Freundeskreis von Slavia Prag

DFC Prag  (Foto: Daniel Ort)
Es sind 30 Grad im Schatten. Am Kunstrasenplatz im Prager Stadtteil Vršovice gibt es kaum ein schattiges Plätzchen, von der Spielfläche ganz zu schweigen. Dennoch wird am 11. Juni ab 15 Uhr dort ein Fußballspiel ausgetragen, das keinen sportlichen Wert hat, aber dafür von ziemlich großer historischer Bedeutung ist: Es ist die erste öffentliche Begegnung einer Mannschaft des neu gegründeten DFC Prag. Die Kurzbezeichnung steht für Deutscher Fußballclub Prag, also jenes Vereins, der in den Annalen der Fußballgeschichte als erster deutscher Vizemeister geführt wird. Im Jahr 1903 unterlag der DFC im Finale in Hamburg dem VfB Leipzig mit 2:7.

Der schon im Mai 1896 von deutsch-tschechischen Juden in Prag gegründete Verein hatte indes nur ein relativ kurzes Leben. Nach der Besetzung der sogenannten Rest-Tschechei durch Hitler-Deutschland im März 1939 wurde der DFC als „jüdischer Verein“ verboten und löste sich in der Folge auf. In den 43 Jahren seiner Existenz gehörte der für damalige Verhältnisse ziemlich multikulturelle Verein von der Moldau zu den Top-Adressen in Europa. Wohl auch deshalb durfte er an der deutschen Fußballmeisterschaft teilnehmen. Der DFB suchte zu jener Zeit Mitglieder für seinen Spielbetrieb und erlaubte den deutschen Teams aus dem Nachbarland die Teilnahme an der Meisterschaft. Sein erstes offizielles Spiel aber bestritt der DFC im Jahr 1897 gegen einen Lokalrivalen: gegen den Studentenclub SK Slavia Prag. Und an diese Partie erinnerte die „Neuauflage“ vor acht Tagen im Prager Eden-Sportpark: Die Mannschaft des Freundeskreises von Slavia Prag empfing eine Elf des DFC Prag, die sich ebenfalls aus Freunden, Unterstützern und einem Mitglied des vor einem Jahr neugegründeten Traditionsvereins rekrutierte. Die Geschichte des „alten DFC“ war dabei allgegenwärtig, was auch Andreas Wiedemann, den Pressereferenten der Österreichischen Botschaft in Prag, sichtlich beeindruckte:

Slavia Prag - DFC Prag  (Foto: Daniel Ort)
„Die kleine Zeremonie vor Beginn des Spiels hat mich angenehm überrascht. Aber sie sollte wohl gerade zum Ausdruck bringen, dass Spiele zwischen Slavia und dem DFC einfach zur tschechischen Fußballtradition dazugehören. Das hat uns alle, glaube ich, sehr gefreut.“

Die Vertreter des „odbor přátele“ (Freundeskreis) von Slavia Prag überraschten in der Tat mit einer sehr herzlichen Begrüßung ihres Kontrahenten in Blau-Weiß. Der Vize-Vorsitzende des Freundeskreises, Vlastimil Váňa, erinnerte an die erste Begegnung der beiden Rivalen überhaupt, die der DFC im Jahr 1897 auf der berühmten Kaiserwiese der Moldaustadt mit 4:2 gewann. Beim bis dato letzten Duell, einer Partie in der tschechoslowakischen Liga, aber habe Slavia 1936 mit 3:0 gewonnen, so Váňa. Für ihn änderten sich die Verhältnisse im tschechischen Fußball gerade wieder zum Positiven, legte der Vize-Vorsitzende des rot-weißen Freundeskreises nach: Slavia wurde nach acht Jahren erstmals wieder nationaler Meister und der DFC sei nach 77 Jahren wieder in die Gemeinschaft des Prager Fußballs zurückgekehrt, so Váňa. Über die Rückkehr des DFC ist ebenso der prominenteste Spieler in den Reihen des Slavia-Teams, Pavel Řehák, sehr erfreut:

Slavia Prag - DFC Prag  (Foto: Daniel Ort)
„Wir als ‚Slavisti‘ kennen natürlich die Fußballgeschichte und wissen um die damalige Popularität des DFC. Darum sind wir auch erfreut, dass sich eine Mannschaft des DFC nach so langer Zeit wieder auf dem Rasen präsentiert hat.“

Ähnlich äußerte sich auch der Sekretär des Freundeskreises von Slavia Prag, Petr Vršecký:

„Wir vom Freundeskreis befassen uns ziemlich intensiv mit der Geschichte des tschechischen Fußballs. Von daher sind wir hocherfreut, dass die Jungs vom DFC Lust auf diesen freundschaftlichen Vergleich hatten. Es ist toll, dass dieses Spiel stattgefunden hat.“

Es war ein ungleiches Duell, in dem man schnell merkte, dass das Slavia-Team gut eingespielt ist. Zudem hatte es mit Řehák einen Akteur in seinen Reihen, der in seiner aktiven Karriere insgesamt acht Jahre im Mittelfeld oder Angriff für die erste Mannschaft von Slavia gespielt und dabei 40 Liga-Tore markiert hat. Bei der Hitzeschlacht gegen die DFC-Auswahl zeigte der 53-Jährige, dass er das Kicken noch längst nicht verlernt hat. Dank seines guten Zusammenspiels mit vier, fünf Mitspielern dominierte Slavia das Match und gewann nach 90-minütiger Spielzeit klar mit 13:3. Für Thomas Oellermann, DFC-Vorstand für Geschichte, Werte und Ethik sowie Hauptinitiator des Freundschaftsduells, war das Resultat indes nur nebensächlich:

Slavia Prag - DFC Prag  (Foto: Daniel Ort)
„Heute ging es nicht so sehr um das Ergebnis, sondern in erster Linie darum, ein gewisses Ausrufezeichen zu setzen und in den blau-weißen DFC-Farben wieder einmal ein Team aufs Feld zu schicken. Das ist gelungen. Zudem ist es wirklich faszinierend, dass so viele diesem Ruf gefolgt sind, hier für den DFC aufzulaufen. Das macht Mut auch für die Zukunft.“

Seinem Ruf gefolgt waren insgesamt 19 Mitarbeiter von deutsch-tschechischen Einrichtungen in Prag – 18 Männer und eine Frau. Die Mehrzahl von ihnen waren sogenannte Hobbykicker, doch zumindest zwei, drei der Blau-Weißen konnten bezüglich Tempo und Ballbehandlung mit dem Gegner mithalten. Einer von ihnen war der Student Felix Zilke. Nach seinem Praktikumssemester in Prag kickt der 22-Jährige bald wieder für den SV Dessau 05 in der Verbandsliga Sachsen-Anhalt. In der Partie gegen Slavia ließ er seinen Torriecher mehrfach aufblitzen, scheiterte jedoch zunächst am sehr guten Torwart des Gastgebers. In der 77. Minute aber war es endlich soweit: Mit einem gekonnten Heber traf Zilke zum zwischenzeitlichen 1:10 – es war quasi das Premierentor des neugegründeten DFC Prag. Und der Schütze war überglücklich:

„Das ist absolut eine Riesenehre für mich. Darüber freue ich mich sehr. Das Spiel heute hat richtig Spaß gemacht. Und wer weiß, in 50 bis 60 Jahren schaut man vielleicht noch einmal auf das heutige Datum zurück und erinnert sich an dieses Ereignis. Wenn man sich so in die Geschichtsbücher eintragen konnte, kann man schon stolz sein.“

Und stolz sein konnte Felix Zilke auch auf die perfekte Art, wie er diesen Treffer erzielte – mit einem weiten Flugball von der Mittellinie über den zu weit vorn postierten Slavia-Keeper hinweg:

„Es war auf jeden Fall Absicht. Wir hatten es schon zuvor probiert, weil der Slavia-Torwart bei jedem Anstoß immer recht weit vor dem Tor stand. Schließlich habe ich es selbst probiert, doch es gehört auch eine große Portion Glück dazu, dass es so klappt. Aus der Nahdistanz war er nahezu unüberwindbar, also musste man mal so ´ein Ding´ aus 50 Metern auspacken.“

Danach trafen auch noch Niklas Hosang und Peter Maysenhölder für den DFC. Und hätten andere Teamkollegen, die fast durchgängig ohne größere Spielpraxis aufliefen, ihre guten Chancen auch genutzt, hätte die bunt zusammengewürfelte Truppe in Blau-Weiß das Ergebnis noch freundlicher gestalten können. Torschütze Hosang aber drückte aus, um was es vor allem ging:

„Die wichtigste Botschaft, ‚Der DFC lebt wieder‘, kam – glaube ich – rüber.“

Thomas Oellermann  (Foto: Archiv Collegium Bohemicum)
Für Oellermann hatte die Begegnung aber noch eine tiefere Bedeutung:

„Ansonsten ist es schon ein wichtiges Spiel, das auch eine große Konnotation hat. Denn die großen Duelle der Zwischenkriegszeit zwischen Slavia und dem DFC, die hat es auch wirklich gegeben. Die heutige Partie war zwar nur ein Freundschaftsspiel, aber sie steht natürlich schon so ein bisschen in der Tradition dieser glorreichen Vergangenheit.“

Oellermann selbst hatte großen Anteil daran, dass vor 21 Monaten bereits ein anderes „bedeutendes Match im Zeichen des DFC“ in Prag stattfand: das Erinnerungsspiel an das Finale der ersten deutschen Fußball-Meisterschaft zwischen dem VfB Leipzig und dem DFC Prag. Auch damals trommelte der Historiker eine Gruppe von Prager Hobbykickern zusammen, um diese Begegnung wahr werden zu lassen. In die Trikots des ersten deutschen Meisters aus Leipzig schlüpften übrigens die Spieler der Darmstädter Initiative 1903 e.V., die sich seit 2011 mit dieser einzigartigen Traditionspflege befasst. Der historische Vergleich vom 13. September 2015 aber war de facto der Startschuss zur Neugründung des DFC Prag am 1. Juli 2016. Seitdem ist eine Saison vergangen, in der die Gründungsmitglieder des „neuen DFC“ sehr viel Detailarbeit zu verrichten hatten, erklärt Oellermann:

„Es gibt im Vorstand des DFC sehr viele eifrige Leute, die sich sehr stark einbringen und engagieren. Die erste Aufgabe war einfach, diesen Verein zu konstituieren, also Formalitäten zu erfüllen, ein bisschen von sich reden machen und Strukturen aufzubauen. Dies braucht einfach seine Zeit, und das war auch das Merkmal für das allererste Jahr. Jetzt muss man halt versuchen, Schwung aufzunehmen, so ein bisschen Dynamik zu gewinnen, um den Verein wirklich zu einem Fußballclub zu machen. Und dazu muss man ihn wirklich etablieren unter den großen Prager Vereinen.“

Einen ersten kleinen Achtungserfolg in der am 30. Juni zu Ende gehenden Startsaison aber kann der neue DFC schon vorweisen: In Zusammenarbeit mit den drei deutschen Schulen in Prag hat man im Nachwuchsbereich unter den Jüngsten eine erste Mannschaft geformt – ein Team in der Altersklasse U8, das in der kommenden Saison dann eine Altersstufe höher bereits am Spielbetrieb der Prager Kinderliga teilnehmen wird. Dies sei ein erster Hoffnungsschimmer, findet Oellermann:

„Das ist ein zartes Pflänzchen, das man auch gut pflegen muss. Dazu gehört eine Menge alltäglicher Arbeit. Da wird es also nicht nur darum gehen, solch tolle Einzelveranstaltungen zu machen, wie es das heutige Freundschaftsspiel war. Sondern da geht es dann ebenso um verregnete Wochenenden im November, an denen das Team aber auch antreten muss. Ich hoffe aber, dass aus diesem zarten Pflänzchen wirklich etwas erwächst. Und dass auch noch weitere Jahrgänge im Nachwuchsbereich hinzukommen, so dass es dann weitere Pflänzchen gibt, die man züchten kann.“

Auch Niklas Hosang ist gespannt, was unter dem Dach des DFC Prag noch so alles gedeihen wird:

„Man wird sehen, wo die Reise hingeht. Auf jeden Fall ist es schön, dass wir die Jugendarbeit anregen konnten und dass mehrere deutsch-tschechische Kinder unter dem Logo des DFC nun Fußball spielen. Und wenn es so weiter geht, werden wir sehen, was in 20 Jahren daraus hervorgeht.“

Für Ex-Profi Pavel Řehák aber steht schon heute fest: Der neugegründete DFC Prag hat einen festen Platz im Prager und später wohl auch im nationalen Fußball, den er nun ausfüllen muss:

„Der Weg ist derselbe wie für andere Rückkehrer auch: Der DFC sollte wieder in den Wettbewerb einsteigen, zunächst in einer Prager Liga. Das Wichtigste ist dabei, dass sich der Verein etabliert und wieder zu einem Bestandteil der Fußball-Landschaft wird.“

Autor: Lothar Martin
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