Musica non grata: Mieczysław Weinbergs Sinfonie „Kaddish“ erlebt tschechische Premiere
„Musica non grata“ ist ein tschechisch-deutsches Kulturprojekt, initiiert vom Prager Nationaltheater. Dabei werden Werke vor allem aus den 1930er Jahren aufgeführt – und zwar von Komponistinnen und Komponisten, die von den Nationalsozialisten oder aus anderen politischen oder religiösen Gründen verfolgt wurden. Am Samstag erlebt im Prager Nationaltheater die Sinfonie Nr. 21 „Kaddish“ des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg ihre tschechische Premiere.
Das Konzert mit Weinbergs Sinfonie ist in Zusammenarbeit mit dem Polnischen Institut in Prag entstanden. Maciej Ruczaj leitet das Institut. Gegenüber Radio Prag International sagte er:
„Als wir vom Projekt ,Musica non grata‘ erfuhren, haben wir überlegt, welcher der polnischen Komponisten in die Konzertreihe passen würde. Die Wahl war eindeutig.“
Mieczysław Weinberg sei eine Persönlichkeit, die in Polen aber lange Jahre nur wenig bekannt gewesen sei, merkte Ruczaj an:
„Er verließ das Gebiet Polens im September 1939 als junger Mann, der seine ersten musikalischen Schritte hinter sich hatte. Den Großteil seines Lebens verbrachte er in der Sowjetunion. Erst nach 1989 wurde er in Polen wiederentdeckt. Und Polen bekennt sich am stärksten zu Weinberg. Als Komponist kann er zweifelsohne mit den bedeutendsten Vertretern der Moderne verglichen werden. Anlässlich einiger Jubiläen sind in den vergangenen Jahren seine Werke immer häufiger in den Konzertsälen nicht nur in Polen, sondern auch im Ausland erklungen.“
In Tschechien ist Weinberg bisher wenig bekannt. Die Pianistin Aneta Majerová trug laut Ruczaj dazu bei, zumindest Weinbergs Klavierwerk hierzulande zu popularisieren. Beim tschechischen Label „Animal Music“ veröffentlichte sie zwei CDs mit Weinbergs Klavierkompositionen. Der Komponist sei in der Zwischenkriegszeit mit der polnisch-jüdischen Kulturszene in Warschau eng verbunden gewesen, sagt Maciej Ruczaj:
„Sein Vater arbeitete im damals größten Musikverlag Polens und leitete dort die jüdische Abteilung. Weinberg hat sich immer zu seinen Wurzeln bekannt. Er flüchtete 1939 vor den NS-Truppen in die Sowjetunion. Als er die Grenze überschritt, wollte der Beamte, wie sich Weinberg später erinnerte, seinen Namen nicht in polnischer Form notieren und trug ihn als Moisei ein. Der Musiker sagte jedoch immer, sein Name sei polnisch Mieczysław.“
Aus dem Grund finden sich in den Nachschlagwerken unterschiedliche Varianten von Weinbergs Namen. Sein wichtigster Mentor und Freund war Dmitri Schostakowitsch. Weinberg wird darum laut Ruczaj auch zur großen Generation russischer Komponisten des 20. Jahrhunderts gezählt.
„Man muss daher daran erinnern, dass seine Musik mehrere Inspirationsquellen hatte. Das polnisch-jüdische Umfeld im Warschau der Zwischenkriegszeit ist dabei genauso wichtig wie andere Phasen.“
Weinberg wurde nicht nur von den Nationalsozialisten verfolgt, sondern auch von den Bolschewisten. Unter Stalin kam er ins Gefängnis. Maciej Ruczaj:
„Das ist ein typisch mitteleuropäisches Schicksal von Opfern der beiden totalitären Regimes. Weinberg gelang es zu flüchten, der Großteil seiner Familie starb im Holocaust. Der Komponist lebte in der Sowjetunion, wurde ab 1948 dann von Stalins Regime stark verfolgt und landete 1953 im Gefängnis. Dank seiner Freundschaft mit Schostakowitsch kam er jedoch wieder frei. Weinberg gehörte jedoch nie zum Establishment.“
Das Konzert, bei dem Weinbergs Sinfonie „Kaddish“ erklingt, beginnt am Samstag um 19 Uhr im Prager Nationaltheater. Das Orchester des Nationaltheaters wird von Tomáš Brauner geleitet, das Solo singt Marie Fajtová. Es gibt noch Restkarten.