Nach 100 Jahren läuten die Glocken wieder
In Zdiby wird gefeiert. Die dortige Kirche erhält nach über einhundert Jahren zwei neue Glocken.
Briefe aus dem Ersten Weltkrieg
„Ich habe alle Briefe zu Hause aufbewahrt. Sie sind mehr als hundert Jahre alt. Vor ein paar Jahren habe ich sie geordnet und dabei von den Glocken gelesen. Seitdem habe ich an diese gedacht. Vergangenes Jahr kam die richtige Zeit und ich konnte unseren Pfarrer davon überzeugen, endlich Ersatz für die früheren Glocken der Kirche von Zdiby anfertigen zu lassen. Damit haben wir Herrn Manoušek beauftragt. Außerdem haben wir eine Spendensammlung in der Gemeinde ausgeschrieben. Die Kinder in der hiesigen Schule haben eine Kasse in Form einer Glocke getöpfert. So kamen über 300.000 Kronen (11.500 Euro, Anm. d. Red.) an Spenden zusammen. Die Neuanschaffung ist also bereits bezahlt.“Bis zur feierlichen Einweihung an diesem Sonntag waren die Glocken am Eingang in die Kirche ausgestellt. Glockengießer Petr Rudolf Manoušek:
„Die Glocken sind relativ klein. Wir mussten ihre Stimmung dem Ton der einzigen erhaltenen Glocke anpassen. Diese ist auf Fis2 gestimmt. Weil das Zubehör der früheren Glocken erhalten ist, wissen wir, dass diese nicht größer waren. Die größere von ihnen ist der heiligen Helena geweiht, sie wiegt 48 Kilogramm und ist auf Ais2 gestimmt. Die kleinere ist die heilige Anna, sie wiegt 29 Kilo und erklingt in Cis3.“Petr Rudolf Manoušek hat für Radio Prag beschrieben, wie Glocken hergestellt werden. Sie müssten in einem Stück gegossen werden, betonte er. Das Prinzip sei seit Jahrhunderten das gleiche geblieben:
„Man nutzt das gleiche Metall wie im Mittelalter. Viele Glockengießer haben versucht, eine Legierung zu finden, die die Glockenspeise ersetzen könnte. Ich habe auch danach gesucht. Aber es ist bisher keinem gelungen. Die ursprüngliche Glockenspeise hat den besten Klang.“
Bei der Produktion wird nach genauen Berechnungen eine Zeichnung angefertigt. Nach dieser entstehen zwei Schablonen: eine für den Kern und eine für die äußere Wand der Glocke. Anhand der Schablonen wird die Glockenform gestaltet. So entstehe die sogenannte Falschglocke, sagt der Fachmann:„Man nennt sie falsche Glocke, weil sie aus Lehm ist und nicht klingt. Ihre Form entspricht aber der künftigen Glocke. An diese falsche Glocke werden die Verzierungen und Inschriften aus Wachs gelegt. Danach wird der äußere Teil geformt, der Mantel. Nachdem dieser getrocknet ist, hebt man ihn an und nimmt die Lehmglocke heraus. Daraufhin setzt man den Mantel wieder auf den Kern. Zwischen diesen beiden Schichten besteht nun ein Leerraum, in den später das Metall gegossen wird.“
Das Lied von der Glocke
Dieser letzte Schritt erfolgt in einer Gussgrube. Die gesamte Arbeit dauert zwei bis drei Monate. Denn je nach der Größe der Glocke vergehen einige Tage bis Wochen, bis die jeweilige Legierung ausreichend abgekühlt ist:„Das ist eine Zeit großer Anspannung. Wir können den Klang der Glocke dann nicht mehr beeinflussen. Immer wenn ich an der Form vorbeigehe, sage ich zu mir: ‚Die Glocke weiß bereits, ob sie gut ist oder nicht. Aber wir müssen noch warten.‘ Wenn die Glocke abgekühlt ist, wird die Form zerschlagen. Die Glocke wird an einer Winde hochgezogen. Dann kommt der große Moment: Man schlägt zum ersten Mal mit dem Klöppel die Glocke an und erfährt nun, ob der Ton stimmt. Falls dem der Fall ist, sind nur noch kosmetische Korrekturen nötig. Die Glocke wird mit Wasser und Sand gereinigt und mit Wachs poliert. Man muss noch das Zubehör anfertigen, und danach kann die Glocke aufgehängt werden.“
Die einzige erhaltene alte Glocke in Zdiby wurde bisher zur Messe und bei Bestattungen geläutet. Sie musste mit der Hand in Schwingung gebracht werden. Zdeněk Seyfried freut sich nun darüber, dass die neuen Glocken über einen elektrischen Antrieb verfügen:„Die kleinere Glocke wird jeden Tag zu Mittag läuten. Und die größere zusammen mit ihr jeweils am Sonntag.“
Wenn eine Kirche mehrere Glocken zur Verfügung hat, gebe es keine festen Vorschriften dafür, welche wann erklingen soll, ergänzt Petr Rudolf Manoušek:
„In der Regel ist es eben so, dass unter der Woche zu Mittag und am Abend eine Glocke klingt. Sonntags kann man dann das Zusammenspiel mehrerer Glocken hören. Das finde ich so auch richtig. Wenn es in einer Kirche auch eine historische Glocke gibt, dann sollte sie eine privilegierte Stellung haben. Es ist ratsam, sie angesichts ihres Alters zu schonen. Ihr Läuten sollte nicht alltäglich, sondern festlich sein.“
Die Kreuzerhöhungskirche
Soweit der Glockengießer. Zdeněk Seyfried kümmert sich seit 35 Jahren um die Kreuzerhöhungskirche in Zdiby. Er führt durch das Gotteshaus:„Das heutige Aussehen der Kirche geht auf einen barocken Umbau im Jahr 1734 zurück. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Innenraum der Kirche renoviert. Aus dieser Zeit stammen die Deckenbilder. Oben an der Decke und in den Ecken sind die vier Evangelisten dargestellt, also Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Gemalt wurden sie von Vojtěch Bartoněk. Er war ein Freund des bekannteren tschechischen Malers Mikoláš Aleš. Sie sind gemeinsam durch das Land gewandert und haben gemalt. Unter anderem im Museum in Turnov findet man ein Riesengemälde von ihnen. Es heißt ‚Die Niedermetzelung der Sachsen unter Hrubá Skála‘. In Turnov wurde sogar ein eigenes Gebäude dafür errichtet, in diesem kann man das Bild wie in einem Kino betrachten. Hier in der Kirche hat Vojtěch Bartoněk zudem die Bilder an den Seitenaltären gemalt.“
Das Gemälde am Hauptaltar stammt vom Maler Antonín Lhota und entstand 1850:„Auf ihm ist die Kreuzerhöhung zu sehen, der die Kirche geweiht ist. Die Statuen an der Seite wurden von Josef Mauder aus Holz geschnitzt. Er war Professor an der Kunstakademie in Prag. Links steht die heilige Helena, nach der unsere neue Glocke benannt wurde. Und rechts ihr Sohn, Kaiser Konstantin, der um das Jahr 300 den Christen die Freiheit verliehen hat.“
„Gestiftet von den Bürgern von Zdiby“
An diesem Sonntag, den 12. Mai, ist eine große Feier in der Kirche von Zdiby geplant. Die neuen Glocken, also die heilige Helena und die heilige Anna, sollen geweiht werden. Es handle sich um ein Fest für die ganze Gemeinde, betont Zdeněk Seyfried:
„Der Gesangchor der hiesigen Schule wird die sogenannte Trouvère-Messe von Petr Eben singen. Aber auch hiesige Laienspieler und weitere Einwohner sollen mitwirken. Die ganze Gemeinde ist daran beteiligt. An der Glocke steht schließlich ja die Inschrift: ‚Gestiftet von den Bürgern von Zdiby‘.“