Nach 80 Jahren wieder entdeckt: Bohuslav Martinus Streichertrio Nr. 1

Er ist ein Klassiker der tschechischen Moderne und einer der bedeutendsten tschechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts: Bohuslav Martinu (1890-1959). Dass es auch in seinem gut erforschten Werk buchstäblich immer noch Neues zu entdecken gibt, bewies nun die junge Prager Musikwissenschaftlerin Eva Velicka. In Dänemark spürte sie das Originalmanuskript von Martinus Streichertrio Nr. 1 aus dem Jahre 1924 auf. Nach 80 Jahren erlebte die Komposition, die bislang als verschollen galt, am Sonntag in Prag ihre erste Neuaufführung. Thomas Kirschner war vor Ort.

Direkt aus Bohuslav Martinus Manuskript hatten die Mitglieder des Zemlinsky-Quartetts die Noten für die Neuaufführung des Streichertrios Nr. 1 transkribiert. Das Werk entstand an der Jahreswende 1923 / 1924. Der 33-jährige Martinu war kurz zuvor nach Paris übersiedelt und hatte bis dahin - noch auf der Suche nach einem eigenen Stil - unter dem Einfluss von Komponisten des 19. Jahrhunderts wie Wagner und Mahler gestanden.

"Das Spannendste an diesem Werk ist, dass es einen Monat nach der Umsiedlung schon völlig andere Züge zeigt. Es gehört für die damalige Zeit zu der krassesten Moderne und zeigt die Bekanntschaft mit dem Schaffen von Strawinsky und Albert Roussel, dem Lehrer von Martinu, und man hört vor allem im zweiten und dritten Satz Züge, die man dann bis Ende der 30er Jahre in den Werken von Martinu immer wieder findet: etwa das rhythmische Kombinieren von Jazz und von der böhmisch-mährischen Folklore, und auch die ausgesprochene Klanglichkeit des zweiten Satzes - wie die Rufe der Hirtinnen in den Bergen in der mährischen Slowakei!"

So Ales Brezina, der Leiter des Prager Bohuslav-Martinu-Institutes. Entdeckt hat das Trio nach 80-jähriger Verschollenheit die junge Musikwissenschaftlerin und Institutsmitarbeiterin Eva Velicka. Eigentlich hatte sie in der dänischen Nationalbibliothek nach Ballettpartituren gefahndet:

"Leider hatten gab es dort nichts zu den Balletten, aber wie so oft in der Wissenschaft spielt ein Zufall die entscheidende Rolle, und die Bibliothek hat mir etwas anderes angeboten, nämlich das Autograph dieses Trios."

Für das kommende Jahr ist die Edition des Trios geplant, weitere Aufführungen sollen folgen. In Vergessenheit wird das Werk jedenfalls nicht mehr geraten - das zeigt auch die begeisterte Reaktion des Prager Publikums nach der Uraufführung, und da ist sich auch der Musikologe Ales Brezina sicher:

"Es ist ein bedeutendes Werk, es ist ein Werk, das sicherlich seinen Weg in das Repertoire von internationalen Ensembles finden wird, und es ist vor allem ein Werk der Wende."