Nach Rekordjahr glauben Autohersteller an weiteres Wachstum

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag

Die tschechischen Autohersteller haben in diesen Tag bilanziert. Und sie durften sich dabei freuen, da 2014 ein Rekordjahr war. Doch wie weit kann die Entwicklung gehen?

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Gut geölt ist der Motor, die Förderbänder laufen auf Hochtouren. Insgesamt 1,25 Millionen Autos wurden hierzulande im vergangenen Jahr hergestellt. Fast 60 Prozent entfielen dabei auf den tschechischen Marktführer Škoda, rund 25 Prozent auf Hyundai in Nošovice und der Rest auf das Konsortium TPCA in Kolín. Insgesamt bedeutete dies ein deutliches Plus gegenüber 2013. Martin Jahn ist Chef des Verbandes der Autoindustrie in Tschechien. Für das Tschechische Fernsehen fasste er die Ergebnisse zusammen:

„Die Autoherstellung stieg um 10,0 Prozent, das ist ein deutlich höherer Wert als der weltweite Zuwachs von 2,5 Prozent. Der Gesamtumsatz der Automobilindustrie liegt damit fast schon bei einer Billion Kronen.“

Erich Handl  (Foto: ČT24)
Umgerechnet sind das rund 36 Milliarden Euro Umsatz. Besonders dynamisch entwickelte sich dabei der Export. Dieser stieg laut Jahn um gut 15 Prozent. Und der Verbandspräsident glaubt, dass das laufende Jahr einen weiteren Rekord bescheren könnte.

Tatsächlich haben die Autoindustrie und ihre Zulieferer mittlerweile fast ein Viertel Anteil an der gesamten Industrieproduktion hierzulande. Wirtschaftswissenschaftler kritisieren häufig, dass Tschechien so stark abhängig sei von einer einzigen Branche. Das weisen die Experten für diesen Industriezweig jedoch zurück. Erich Handl ist Chefredakteur von Automaker, einer Zeitschrift für die tschechische Fahrzeugbranche:

Jiří Šimara  (Foto: Archiv von Jiří Šimara)
„Schon seit 20 Jahren wird behauptet, dies sei ein gefährlicher Trend. Bisher sind aber noch keine Firmen aus der Branche ins Ausland abgewandert. Die Dominanz hilft eher der Handelsbilanz.“

Tatsächlich haben die Hersteller hierzulande ein gutes Umfeld gefunden. Jiří Šimara, Wirtschaftsanalytiker beim Investmentberater Cyrrus:

„Den Mehrwert hierzulande machen sicher die qualifizierten und dabei immer noch vergleichsweise billigen Arbeitskräfte aus. Dazu kommt die relative Nähe zum westlichen Teil Europas.“

Billige Arbeitskräfte bedeutet aber nicht auch schlechte Bezahlung. Im Gegenteil, die Beschäftigten der Autohersteller können schwerlich klagen. Ihre Löhne liegen fast 23 Prozent über dem Landesschnitt. Durchschnittlich erhielt ein Beschäftigter der Branche im vergangenen Jahr 31.500 Kronen (1150 Euro).

Fertigung von Autoteilen kehrt nach Europa zurück

Martin Jahn  (Foto: ČT24)
Verbandspräsident Martin Jahn verweist auch gerne darauf, dass Tschechien zu den Großmächten bei der Fertigung von Pkws und Bussen gehört. Der absoluten Zahl nach liegt das Land weltweit auf Rang 13. Doch rechnet man auf die 10,2 Millionen Einwohner hoch, dann kommt Tschechien auf den zweiten Platz hinter der Slowakei, aber noch vor Deutschland.

Gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks verwies Martin Jahn auf die unglaublich erfolgreiche Geschichte der Fahrzeugherstellung seit der politischen Wende im Jahr 1989.

„Die Investoren, die vor 10 oder 15 Jahren hierhergekommen sind, profitieren heute davon, dass sie moderne Fertigungsanlagen haben, ihre Arbeiter hierzulande ausbilden und in Tschechien gute Bedingungen vorgefunden haben. Im Grunde fertigen alle Autohersteller, die wie Škoda von hier stammen oder sich später angesiedelt haben, Fahrzeugmodelle, die auf den europäischen Märkten sehr gefragt sind“, so Jahn.

Škoda Auto  (Foto: ČT24)
Die Frage ist jedoch, wie weit die Autoindustrie in Tschechin eigentlich wachsen kann. Welche Grundlage also der derzeitige Boom hat. Hier ist Martin Jahn so zuversichtlich wie schon lange nicht mehr:

„Nicht nur Škoda, sondern auch die anderen Autohersteller hierzulande investieren derzeit, oder sie planen Investitionen. Erneut wird auch in die Fertigung von Komponenten für die Branche investiert. Dabei hatte es vor fünf Jahren etwa noch die großen Befürchtungen gegeben, dass Autoteile in Zukunft in China hergestellt würden. Weil in China aber die Kosten für Rohstoffe und Arbeitskräfte steigen, gibt es nun einen entgegengesetzten Trend: Die Fertigung kehrt nach Europa zurück, und damit in großem Maß auch nach Tschechien. Ich gehe davon aus, dass es in naher Zukunft hierzulande zu größeren Investitionen in die Fertigung von Komponenten kommt.“

Iveco Vysoké Mýto  (Foto: Google Street View)
Mittlerweile haben in Tschechien die Hersteller von Komponenten einen größeren Anteil an den Umsätzen der Branche als die drei Autofirmen sowie der Bushersteller Iveco aus Vysoké Mýto / Hohenmaut in Ostböhmen zusammen.

Und es siedeln sich hierzulande neue Firmen an, und das auch auf der grünen Wiese. Vergangenes Jahr unterschrieb der Reifenhersteller Nexen Tires einen Investitionsvertrag. Die Südkoreaner hatten dabei angeblich auf Empfehlungen ihrer Landsleute von Hyundai gehört. Nexen geht in eine der Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit: in den Kreis Ústí nad Labem / Aussig in Nordböhmen.

Fehlende Facharbeiter engen Spielraum ein

Josef Žádník  (Foto: Archiv von Josef Žádník)
Die tschechische Automobilindustrie exportiert vor allem in andere europäische Staaten. Dabei hat der Verkauf von Neuwagen in Europa noch nicht den Umfang wie vor der Krise erreicht. 2007 waren es 16 Millionen Fahrzeuge gewesen, im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 13 Millionen. Aus dieser Sicht besteht also Spielraum für Wachstum. Allerdings bereitet hierzulande weiterhin ein Engpass gewisse Sorgen. Strategiemanager Josef Žádník von PricewaterhouseCoopers (PwC) wies im Fernsehen auf ein allseits diskutiertes Problem hin:

„Die Frage ist, ob es in Tschechien genügend qualifizierte Arbeitskräfte gibt. Schon seit Langem erwarten wir, dass in hierzulande die technische Ausbildung gestärkt wird, um das Wachstum in der Autobranche und weiteren Industriezweigen zu stärken.“

Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik
Verbandschef Jahn sagt, dass dieses Problemfeld von den Unternehmen seiner Branche selbst beackert werde – aber letztlich sei die Politik gefordert.

„Wir haben auch selbst einige Projekte gestartet, wie ‚Autos machen uns Spaß‘. Dies ist ein Internetportal, auf dem die spannenden Aspekte und die Vorteile erklärt werden, die eine Anstellung in der Autoindustrie mit sich bringt. Wir haben das Projekt ‚Gemeinsam‘ in die Wege geleitet, das auf dem dualen Berufsausbildungssystems Deutschlands beruht. Die meisten Fahrzeughersteller und die größten Hersteller von Komponenten haben eigene Ausbildungsstätten oder investieren auf andere Weise in die Berufsausbildung. Wir versuchen also, ein Maximum selbst zu machen. Leider konnten wegen der kurzen durchschnittlichen Halbwertzeit der Bildungsminister nicht alle Projekte umgesetzt werden. Wir hoffen, dass die neue Bildungsministerin nicht nur die auf den Weg gebrachten Projektideen aufgreift, sondern ihre Umsetzung beschleunigt und die technische Ausbildung als etwas verstehen wird, das die tschechische Wirtschaft weiterbringt.“

Kateřina Valachová  (Foto: Jana Stachová,  Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Am Mittwoch wurde die neue Bildungsministerin Kateřina Valachová ernannt. Martin Jahn scheint nicht nur bei ihr, sondern bei der gesamten Regierung offene Türen einzurennen. So hatte Premierminister Bohuslav Sobotka erst letztens gegenüber Mitgliedern der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer betont, wie wichtig ihm sei, ein System praxisbezogener Berufsbildung hierzulande zu schaffen. Aber er wies auch darauf hin, dass die Kreise des Landes mitziehen müssten, denn die Mittelschulbildung falle in ihre Kompetenz – und nicht in die des Staates.

Autor: Till Janzer
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