• 29.06.2004

    Die Konkurrenzfähigkeit der tschechischen Wirtschaft und ihrer Arbeitskräfte ist gemessen am Kulturpotential des Landes niedrig. Zudem sinke sie seit einigen Jahren, im Gegensatz zu anderen mittel- und osteuropäischen Staaten, in denen ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist. Das sagte Petr Mateju vom Institut für Sozial- und Wirtschaftsanalysen auf einer Veranstaltung der gemeinnützigen Organisation "Prosperita". Grundlage für seine Analysen seien Daten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung (OECD) und der Weltbank. Pavel Komárek von "Prosperita" mahnte die geringe Anpassung der Tschechen an die neuen wirtschaftlichen Bedingungen und geringe Flexibilität an. Ein Arbeitsamtmitarbeiter sagte, die flächendeckenden Sozialleistungen verhinderten mehr Aktivität bei Arbeitslosen. Der Unterschied zwischen Mindestlohn und Existenzminimum in Tschechien sei zu gering, zu arbeiten zahle sich häufig nicht aus.

    Autor: Daniel Satra
  • 29.06.2004

    Österreicher im Grenzgebiet haben eine bessere Meinung über ihre neuen tschechischen EU-Nachbarn als noch vor drei Jahren. Das geht aus einer Studie der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) hervor. Nach der EU-Erweiterung im Mai haben Tschechen in Nieder- und Oberösterreich das erste Mal mehr Zuspruch als Ablehnung erhalten. Positiv über ihre tschechischen Nachbarn äußerten sich 45 Prozent der Nieder- und 38 Prozent der Oberösterreicher. Die ablehnenden Urteile sanken auf 22 und 29 Prozent. Nach Angaben der ÖGfE hatten sich im Jahr 2001 noch 37 Prozent Nieder- und 51 Prozent Oberösterreicher gegen einen Beitritt Tschechiens zur EU ausgesprochen. Nach wie vor ist jedoch die Mehrzahl der Befragten davon überzeugt, dass Bürger der Beitrittstaaten ihre Arbeitsplätze bedrohen und es einen Anstieg der Kriminalität geben werde.

    Autor: Daniel Satra
  • 28.06.2004

    Tschechien hat am Montag die Übergabe der Souveränität an die irakische Übergangsregierung begrüßt. Der Schritt sei "die Erfüllung eines Grundrechts des irakischen Volkes und entscheidend beim Aufbau eines freien, wirtschaftlich starken und demokratischen Landes", hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Prag. Tschechien würdigte die bisherige Arbeit der US-geführten Koalition und biete dem Irak auch weiter Hilfe bei der Stabilisierung des Landes an. Tschechien war im Irak-Krieg kein Mitglied in der US-geführten "Koalition der Willigen". Allerdings hat das Land noch bis Jahresende etwa 100 Militärpolizisten im Irak.

    Autor: Lothar Martin
  • 28.06.2004

    Zwei Tage nach dem Rücktritt des tschechischen Ministerpräsidenten Vladimír Spidla hat Innenminister Stanislav Gross seine Bereitschaft zur Bildung einer neuen Regierung erklärt. Die Entscheidung liege natürlich bei Präsident Václav Klaus, sagte Gross am Montag. Es wäre aber normal, wenn er noch diese Woche als neuer Parteichef der stärksten Regierungskraft mit dieser Aufgabe betraut würde, sagte der Vorsitzende der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei (CSSD).

    Gross will an diesem Dienstag mit den bisherigen Partnern der CSSD, den Christdemokraten (KDU-CSL) und den Liberalen (DU-DEU), über die weitere Zusammenarbeit sprechen. Ein Bündnis zwischen CSSD und KDU-CSL, das Gross angeblich bevorzugt, müsste sich mit 91 der 200 Sitze im Parlament von einer der Oppositionsparteien tolerieren lassen. Während Gross Angebote der Kommunisten ausschlug, verweigern sich die Konservativen bisher einer solchen Lösung. Experten halten daher Neuwahlen in einigen Monaten für möglich.

    Es wird damit gerechnet, dass das seit 2002 amtierende sozialliberale Kabinett am Mittwoch offiziell seinen Rücktritt bei Klaus einreichen wird. Der Präsident werde aber vermutlich Spidla und die Minister bitten, bis zur Vereidigung einer neuen Regierung kommissarisch im Amt zu bleiben, meldete die Nachrichtenagentur CTK am Montag. Dies könne "Monate dauern", hieß es. Am Donnerstag wolle Klaus dann erste Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung führen.

    Autor: Lothar Martin
  • 28.06.2004

    In der ersten öffentlichen Stellungnahme seit seiner Rücktrittserklärung hat der tschechische Ministerpräsident Vladimir Spidla am Sonntag seinen Verbleib in der Politik angekündigt. Wörtlich sagte Spidla: "Ich will um einen modernen Sozialstaat und gegen eine konservative Revolution kämpfen." Sein "größter Fehler" als Regierungschef sei gewesen, dass er erst ein Jahr nach dem Amtsantritt im Jahr 2002 eine Finanzreform begonnen habe. Er räumte ein: "Wir hätten das sofort tun sollen." Zur Begründung seiner Demission sagte er, das Vertrauen in die sozial-liberale Regierung sei bei den verlorenen Europa-Wahlen erschüttert worden. Spidla schloss am Sonntag eine Beteiligung an einem Gross-Kabinett aus. Er könnte nach Angaben des tschechischen Fernsehens aber ein möglicher Kandidat für den Posten des tschechischen EU-Kommissars sein.

    Autor: Lothar Martin
  • 28.06.2004

    In der aller Voraussicht nach von Innenminister Stanislav Gross neu zu bildenden tschechischen Regierung sollte nach der am Montag veröffentlichten Meinung der populären Tageszeitungen "Hospodárské noviny" und "Mladá fronta Dnes" Finanzminister Bohuslav Sobotka nicht fehlen. Sobotka führe sein Amt bisher sehr gut, er habe das wirkliche Bestreben, den Stand der öffentlichen Finanzen in Tschechien zu verbessern, und er genieße auch ein gehöriges Renommee im Ausland, urteilten unisono inländische Experten. Ab dem 1. Juli soll zudem der 31-jährige Tomás Prouza zu Sobotkas neuem Stellvertreter im Finanzministerium ernannt werden.

    Autor: Lothar Martin
  • 28.06.2004

    Die Regierungskrise in Tschechien nahm am Montag auch einen breiten Raum in der Berichterstattung von Tageszeitungen der Nachbarländer Deutschland und Österreich ein. So urteilt die angesehene "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), dass Spidlas Rücktritt ein schlechtes Zeichen für die ökonomischen Reformen in Tschechien und die Bestätigung der Krise bei den hiesigen Sozialdemokraten sei. Der FAZ zufolge habe Vladimír Spidla alles, was ein erfolgreicher Ministerpräsident benötige - ihm fehle lediglich eine geeignete Partei, die wirklich zu ihm halte.

    Eine ähnliche Auffassung vertritt die liberale österreichische Tageszeitung "Der Standard", die sich zum Rücktritt des tschechischen Premiers wie folgt äußerte: Der tschechische Premier Vladimír Spidla ist das erste prominente nationale Opfer der Europawahlen vor zwei Wochen geworden. Er hat den Denkzettel, den die Bürger seiner tief gespaltenen Sozialdemokratischen Partei (CSSD) verpassten (nur knapp neun Prozent), politisch nicht überlebt. Dass der erklärte Pro-Europäer und Reformpolitiker Spidla über eine Wahl strauchelte, bei der es eigentlich um europäische Themen gehen sollte, ist eine bittere Ironie."

    Autor: Lothar Martin
  • 28.06.2004

    In ganz Tschechien haben in der Nacht zum Montag Tausende die Qualifikation ihrer Mannschaft für das Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft gefeiert. In Prag waren bereits vor dem Schlusspfiff zahlreiche Fans in den Trikots ihrer Idole und mit rot-weiß-blauer Farbe im Gesicht auf den zentralen Wenzelsplatz geeilt, um mit Sekt und Dosenbier auf das 3:0 gegen Dänemark anzustoßen. In vielen Städten hatten Tausende am Sonntagabend vor Großbildleinwänden die spannende Begegnung verfolgt, davon zahlreiche mit tschechischer Nationalflagge. Nach dem Schlusspfiff fielen sich die Menschen in die Arme und strömten zum Feiern in nahe Gaststätten. Erst nach diesem Sieg glauben die zuvor eher skeptischen tschechischen Fußballfans fest an den EM-Titel für die eigene Mannschaft. Auf dem Weg dorthin wollen wieder mehrere Tausend Tschechen ihre Lieblinge beim am Donnerstag in Porto stattfindenden Semifinalduell mit Griechenland unterstützen. Tausende derjenigen, die sich die weite Reise nach Portugal nicht leisten können, haben sich bereits in der Nacht zum Montag in Restaurants Fernsehplätze für das Spiel gegen die Hellenen reserviert.

    Autor: Lothar Martin
  • 27.06.2004

    Tschechiens Premier Vladimir Spidla hat am Samstag seinen Rücktritt erklärt. Das Vertrauen in die sozial-liberale Regierung sei bei den verlorenen Europa-Wahlen erschüttert worden, sagte er. Als möglicher Nachfolger gilt Innenminister Stanislav Gross. Der Rücktritt Spidlas bedeutet das Aus für die Koalitionsregierung. Gross wurde vom sozialdemokratischen Exekutivausschuss mit der Regierungsneubildung beauftragt. Der scheidende Premier Spidla will am Mittwoch seinen Rücktritt offiziell bei Präsident Václav Klaus einreichen und zuvor sein Land noch beim NATO-Gipfel in Istanbul vertreten. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Gross eine Minderheitenregierung seiner Sozialdemokraten mit den Christdemokraten anstrebt. Gross sagte, er rechne damit, dass Präsident Václav Klaus ihn mit der Regierungsbildung beauftragen werde. Er will spätestens am Dienstag mit den bisherigen Koalitionspartnern der Sozialdemokraten, den Christdemokraten (KDU-CSL) und der liberalen Freiheitsunion (US-DEU), über eine mögliche weitere Zusammenarbeit sprechen. Spidla hatte als Vorsitzender der Sozialdemokraten am Samstagmittag eine parteiinterne Vertrauensabstimmung zur Abwahl als Parteichef nur mit sechs Stimmen Mehrheit überstanden. 103 Delegierte hatten bei der Krisensitzung gegen Spidla gestimmt, 109 wären für seine Abwahl erforderlich gewesen. Spidla hatte sein Amt als Regierungschef vor der Vertrauensabstimmung an seinen Posten als Parteichef geknüpft. Vor der Abstimmung hatte Spidla einen Rücktritt als Parteivorsitzender abgelehnt. Er stand in der Kritik, weil die Sozialdemokraten bei der Europa-Wahl nur 2 der 24 tschechischen Mandate gewinnen konnte. Spidla hat den CSSD-Vorsitz 2001 übernommen und war seit 2002 Ministerpräsident.

    Autor: Daniel Satra
  • 27.06.2004

    Präsident Václav Klaus hat am Sonntag angekündigt mit Sozialdemokraten, Christdemokraten und der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei die Verhandlungen über eine Regierungsneubildung zu beginnen. Zu den Gesprächen, die Klaus für kommenden Donnerstag angekündigt hat, hat er die oppositionellen Kommunisten nicht eingeladen. Klaus geht davon aus, dass Premier Vladimír Spidla am Mittwoch sein offizielles Rücktrittsgesuch einreichen wird. Auf dem außerplanmäßigen Treffen mit Journalisten in Prag sagte Klaus, dass er die drei Parteien für die relevanten Akteure der gegenwärtigen Politszene hält. Über das geplante Treffen sagte Klaus: "Ich werde mit diesen Politikvertretern über ihre Vorstellungen einer Regierungszusammensetzung sprechen, die in der Lage wäre das Vertrauen des Abgeordnetenhauses zu gewinnen und die überlebensfähig wäre." Neuwahlen wären erst "eine Lösung, wenn die Gespräche zu nichts führen", sagte das Staatsoberhaupt. Tschechiens Verfassung nennt beim Sturz einer Regierung keine Frist für die Bildung eines neuen Kabinetts. Vor seinem Abflug zum NATO-Gipfel in Istanbul wollte Klaus nicht bestätigen, dass er Innenminister Stanislav Gross mit der Regierungsbildung betrauen wird.

    Autor: Daniel Satra

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