Nacht der Kirchen: Bischof in der Bahn, Barockpracht und eine kleine Kapelle

Kirche St. Johannes Nepomuk am Felsen (Foto: Martina Schneibergová)

Am vergangenen Freitag fand in Tschechien bereits zum achten Mal die Nacht der Kirchen statt. 15 Religionsgemeinschaften schlossen sich in der Prager Erzdiözese in diesem Jahr dem ökumenischen Projekt an. Sie öffneten 317 Gotteshäuser, Klöster und Gebetsräume für Besucher. Und die kamen zahlreich: Knapp 130.000 Menschen wurden gezählt.

Johannes-Nepomuk-Kirche auf dem Hradschin  (Foto: Martina Schneibergová)
Konzerte, Führungen, Turmbesteigungen, Diskussionen. Das Programm der Nacht der Kirchen war in Prag auch diesmal sehr vielfältig. Viele der Besucher haben sich anhand der Programmbroschüren schon im Voraus eine Route zusammengestellt, um während des Abends möglichst viele Veranstaltungen erleben zu können. Auf dem Hradschin gibt es gleich mehrere Kirchen, doch die Johannes-Nepomuk-Kirche ist bei Weitem nicht so bekannt wie das nahe gelegene Kloster Strahov oder die um die Ecke stehende Prager Loreto-Kirche. Die Nepomuk-Kirche war der erste Sakralbau des namhaften Barockarchitekten Kilian Ignaz Dientzenhofer. Seit 2002 ist das Gotteshaus nach mehr als 50 Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Nachdem 1998 der Seelsorgedienst in der Tschechischen Armee wieder eingeführt worden war, stellte man die Nepomuk-Kirche den Streitkräften zur Verfügung. Während der Nacht der Kirchen standen am Eingang einige Militärgeistliche verschiedener Glaubensbekenntnisse. Sie beantworteten die Fragen der zahlreichen Besucher:

Johannes-Nepomuk-Kirche auf dem Hradschin  (Foto: Martina Schneibergová)
„Diese Kirche ist insbesondere ein Ort des Gebets für die Versöhnung. Es wird hier auch für diejenigen gebetet, die zu den Auslandseinsätzen entsendet werden. Sie können hier für die Verstorbenen eine Kerze anzünden.“

Nach dem Gebet folgt eine Führung. Im Blickpunkt stehen vor allem die Fresken von Václav Vavřinec Reiner (Wenzel Lorenz Reiner). Die Kirche war bereits in der Vergangenheit mit der Armee verbunden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts diente sie evangelischen Militärgeistlichen. Später wurde Johannes Nepomuk als katholische Militärkirche für die Kadettenschule genutzt. Während des Kommunismus verkam der Sakralbau und wurde erst nach der Wende wieder instand gesetzt.

Fahrende Kirche platzt aus allen Nähten

Fahrende Kirche  (Foto: Martina Schneibergová)
In diesem Jahr gab es zum ersten Mal auch eine fahrende Kirche in Prag. Eine zur Kirche umfunktionierte Straßenbahn kreuzte am Freitagabend durch die Stadt. Sie fuhr auf der bei Touristen beliebten Linie 22 – von Malovanka bis in den Stadtteil Vršovice. In der Straßenbahn gab es die Möglichkeit, Persönlichkeiten aus Kirche und Kultur zu treffen und zu diskutieren. Die Diskussionen wurden dann live im Internet übertragen. Auf einem kleinen Tisch vorne stand eine Kerze, ganz hinten sogar eine Orgel. Die Idee schien ein Volltreffer zu sein. Die Straßenbahn platzte aus allen Nähten, die Passagiere drängten sich auch auf den Treppen. Auf dem Kleinseitner Ring war es kaum mehr möglich, einzusteigen. Der Prager Bischof und ehemalige Dissident Václav Malý saß vorne. Er wurde gerade gefragt, warum er sich vor kurzem mit einem Schreiben an den Polizeipräsidenten wandte, in dem er die Polizisten für ihren Einsatz gegen die Protestierenden während des Besuchs des chinesischen Staatsoberhauptes in Prag kritisierte. Václav Malý dazu:

Daniel Herman  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich bin zwar Bischof, aber auch ein Bürger dieser Republik und interessiere mich dafür, wie die Atmosphäre in der Gesellschaft ist und was hier passiert.“

Einige Haltestellen weiter stieg sogar ein Regierungsmitglied ein, und zwar der Kulturminister Daniel Herman. Er zeigte sich begeistert über das Projekt.

„Ich war soeben in der Maria-Schneekirche, wo das Programm eröffnet wurde. Es ist eine wunderschöne Kirche, die an eine versteinerte Partitur verschiedener Baustile von der Gotik bis zum Barock erinnert. Ein Franziskaner führte uns diesmal auch durch den Klostergarten, wo eine 400 Jahre alte Eibe steht. Zudem werden dort sogar Feigen und Zitronen gezüchtet, was ich zuvor nicht geahnt habe. Dies zeugt davon, dass dort das Vermächtnis des heiligen Franz von Assisi aufrechterhalten wird.“

Václav Malý  (Foto: Martina Schneibergová)
Bevor die fahrende Kirche die Endhaltestelle erreichte, hat Bischof Malý mit den Passagieren noch gebetet:

„Wir danken dir, Gott, für diese Weile, in der wir uns gegenseitig ermuntern konnten und unsere Sorgen nicht in den Vordergrund stellten. Wir danken auch dafür, dass wir uns nah sein können. Wir bitten dich darum, dass wir diese gegenseitige Nähe und Offenheit auch in unser persönliches Leben mitnehmen. Gib uns die Kraft, den anderen zuzuhören und Gespräche zu führen. Wecke in uns die Dankbarkeit dafür, dass wir vor dir Zeugnis ablegen können.“

Václav Malý fasste seine Eindrücke von der fahrenden Kirche gegenüber Radio Prag so zusammen:

„Das war ein sehr schönes Erlebnis. Das große Interesse hat mich sehr überrascht. Es wurden interessante Fragen gestellt. Ich habe auch sehr offen meine Meinung gesagt. Es scheint mir, dass mich die Menschen akzeptiert haben.“

Märtyrerinnen von der Drina und Zdislavas Kapelle

Kapelle der heiligen Zdislava in der Straße Ječná Nr. 33  (Foto: Martina Schneibergová)
Nahe der Haltestelle Štěpánská, wo auch die Straßenbahnlinie 22 hält, gibt es einen Gebetsraum, über dessen Existenz vermutlich nur wenige wissen: die Kapelle der heiligen Zdislava. Sie befindet sich im Gebäude des früheren Marieninstituts in der Straße Ječná Nr. 33. Das Marieninstitut wurde von der Ordensschwester Franziska Lechner 1880 gegründet. Lechner war Begründerin der Ordensgemeinschaft der Töchter der göttlichen Liebe. Die in Wien entstandene Gemeinschaft kümmerte sich um mittellose Frauen, bot ihnen Verpflegung und Ausbildung. Später gründete sie Grundschulen und Lehranstalten in vielen Städten der k. u. k. Monarchie. Im Prager Marieninstitut wurde eine Kapelle eingerichtet, die ursprünglich Kreuzkapelle hieß. Während des Ersten Weltkriegs war in dem Gebäude ein Militärlazarett für verletzte Soldaten. Später befand sich dort eine Kinderklinik. Während des Kommunismus hatte die Militärverwaltung ihren Sitz im früheren Marieninstitut. Erst nach der Wende von 1989 konnte das Haus wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen. Heute sind dort drei Schulen untergebracht. Die Sozialschule der heiligen Zdislava ist in der Trägerschaft derselben Ordensgemeinschaft, die vor fast 140 Jahren das Gebäude erbauen ließ. 1994 wurde die seit Jahren nicht mehr genutzte Kapelle wieder geweiht, erzählte eine der Lehrerinnen, die die Besucher während der Nacht der Kirchen durch das Haus führte. In der modern eingerichteten Kapelle machte sie auf kleine Reliquienschreine aufmerksam.

Kapelle der heiligen Zdislava  (Foto: Martina Schneibergová)
„In einem der Schreine befindet sich ein Knochenfragment der heiligen Zdislava. Sie lebte im 13. Jahrhundert und wird als Schutzheilige der Armen und Leidenden verehrt. Eine der Schwestern hatte die Reliquie geerbt und dem Orden geschenkt. Als die Kapelle neu gestaltet wurde, wurde der Reliquienschrein hier platziert. Zudem befindet sich hier ein Ziborium, das an die ‚Märtyrinnen von der Drina‘ erinnert. Das waren fünf Ordensschwestern aus dem Kloster Pale in Bosnien. Sie wurden 1941 von den serbischen Freischärlern ermordet. Die Kapelle wird mit einem Holzschnitt geschmückt, er stellt den heiligen Josef dar, der auch als Schutzpatron des Ordens der Töchter der göttlichen Liebe gilt.“



„Sie schauen, wie wir Gläubige ticken“

Kirche St. Johannes Nepomuk am Felsen  (Foto: Martina Schneibergová)
In der nahe gelegenen griechisch-katholischen Kirche der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gab es gerade ein Chorkonzert. Nach einer Stippvisite ging es über den Karlsplatz weiter in die Kirche St. Johannes Nepomuk am Felsen. Die Barockkirche wird von der deutschsprachigen katholischen Gemeinde genutzt. Durch das Tor auf dem Karlsplatz strömten viele Menschen Richtung Nepomuk-Kirche. Draußen wurden die Besucher in einem Gästezelt mit Getränken und hausgemachten Delikatessen versorgt. Pater Martin Leitgöb ist Seelsorger der Gemeinde:

Pater Leitgöb, die Nacht der Kirchen läuft seit ein paar Stunden. Wie viele Besucher gab es bislang in der Nepomuk-Kirche?

„Die heutige Nacht der Kirchen ist ein großer Erfolg. Dazu trägt natürlich auch das wunderbare Wetter bei. In den früheren Jahren hat es immer geregnet. Wir hatten bis jetzt etwa 850 Besucherinnen und Besucher in unserer kleinen Kirche. Wir freuen uns darüber, dass so viele kommen. Ich glaube, es ist ein Angebot, dass auch sehr gut zur tschechischen Gesellschaft passt. Denn es gibt hier viele Menschen, die zwar auf dem Papier nicht religiös sind, aber die dennoch suchende Menschen sind. Viele Menschen nutzen den Abend, um Mal in eine Kirche zu gehen und eine Kirche von innen zu sehen. Ich glaube, sie nützen den Abend, um kennenzulernen, wie wir als Gläubige, als religiöse Menschen, ticken, und das ist ein guter Anlass.“

Foto: Martina Schneibergová
Ich habe in der Kirche gesehen, dass viele die Gelegenheit nutzen, etwas auf einen Zettel zu schreiben. Was verbirgt sich dahinter?

„Wir haben bei einem Nebenaltar die Möglichkeit geboten, kleine Teelichter anzuzünden. Letzten Endes legt der Mensch mit jedem Licht, das er anzündet, auch seine ganze Freude, seine Sehnsucht nieder und bittet oder betet für sich oder für Verwandte oder Freunde. Wir haben zudem blanke Zettel ausliegen, auf denen die Menschen ihre Wünsche und ihre Gebete niederschreiben können. Auch das nutzen die Besucher sehr gerne. Da sieht man, dass jeder Mensch nicht nur in ökonomischen Zusammenhängen, sondern auch von den Kräften des Herzens lebt. Das gibt mir eigentlich Hoffnung für unser gesellschaftliches Zusammenleben.“