Nächster Halt Elektromobilität? Verkehrsemissionen verringern, ohne Mobilität einzuschränken

Karbon

Personenautos und Lkws, aber auch Flugzeuge und Schiffe laufen immer noch überwiegend mit fossilen Kraftstoffen. Kein Wunder also, dass im Verkehrssektor besonders viele Emissionen freigesetzt werden. Wieviel Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto des Flugverkehrs, wie viele auf das des Straßenverkehrs? Und gibt es Möglichkeiten, die Emissionen im Verkehr zu verringern, ohne die eigene Mobilität einzuschränken? 

Jana Plaňanská | Foto: Archiv von Jana Plananska Mobility Solutions GmbH

Jana Plaňanská ist Mobilitätsexpertin und Gründerin der Beraterfirma JP Mobility Solutions. Sie bezeichnet den Verkehr als einen grundlegenden Sektor im Kampf gegen den Klimawandel:

„Der Verkehr macht etwa ein Viertel der globalen Emissionen aus, in den entwickelten Ländern bis zu einem Drittel. Das Hauptproblem liegt darin, dass die vom Verkehr verursachten Emissionen – im Unterschied zu einigen anderen Sektoren – proportional fortwährend steigen.“

Wiebke Zimmer | Foto:  Agora Verkehrswende

In Diskussionen über Verkehrsemissionen ist meist vom Fliegen die Rede. Wie jedoch Wiebke Zimmer vom Berliner Think-Tank Agora Verkehrswende am Beispiel Deutschlands aufzeigt, ist tatsächlich der Straßenverkehr für den Großteil der Emissionen verantwortlich.

„Den größten Anteil haben die Pkws – sie emittieren etwa zwei Drittel der CO2-Emissionen im Verkehrssektor – und die Lkws etwa ein Drittel. Und dann kommt noch ein bisschen durch Busse oder die Bahn dazu, die teilweise weiter mit Dieseltraktion fährt. Aber das ist geringfügig. Und der nationale Luftverkehr trägt auch nur wenig bei“, erläutert die Fachfrau.

Illustrationsfoto: Simone Ramella,  Flickr,  CC BY 2.0

Laut Jana Plaňanská steckt hinter der hohen Emissionsintensität des Verkehrs eine relativ einfache Erklärung.

„Im Verkehr sind wir immer noch zu über 95 Prozent von fossilen Kraftstoffen abhängig, vor allem von Erdöl. Obwohl in Europa, Amerika und China viel die Rede ist von Elektroautos und der Elektrifizierung des Verkehrs, liegt im Rest der Welt die Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen weiter bei fast 100 Prozent.“

Abhängig von fossilen Kraftstoffen

Somit ist offensichtlich: Wenn wir eine Reduktion der Verkehrsemissionen erreichen wollen, geht das nicht ohne grundlegende Veränderungen im gesamten Sektor. Wie könnte ein solcher Wandel jedoch aussehen?

Illustrationsfoto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

„Es gibt verschiedene Strategien für eine Verkehrswende. Zum einen geht es um die Verkehrsnachfrage – also wie viel und mit welchen Verkehrsträgern gefahren wird. Diese muss auf umweltfreundlichere, klimaeffizientere Fortbewegungsmittel verlagert werde, also Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr. Zugleich wird aber auf jeden Fall eine nicht unerhebliche Restmenge an Straßenverkehr mit Pkw und Lkw verbleiben. Und dafür braucht es CO2-freie Optionen. Die effizienteste von ihnen ist die Elektrifizierung. Bei den Pkw sieht man den Trend und die Entwicklung – da zeigen alle Wege in Richtung batterieelektrischer Wagen“, erläutert Wiebke Zimmer.

Auch Jana Plaňanská sieht in der E-Mobilität einen Hauptpfeiler für die Verkehrstransformation:

Illustrationsfoto: Soňa Jindrová,  Tschechischer Rundfunk

„Wenn wir die Emissionen im Verkehr verringern wollen, müssen wir ihn elektrifizieren. Angesichts der heutigen Technologien ist das die effektivste, billigste und technisch einfachste Methode, um eine Dekarbonisierung des Verkehrs zu erreichen.“

Hinsichtlich der Elektrifizierung des Verkehrs ist es wichtig, zugleich die Emissionen zu reduzieren, die bei der Stromproduktion entstehen. Zum Beispiel durch eine Erhöhung des Stromanteils, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Wie Jana Plaňanská jedoch betont, sind E-Autos bereits unter den Bedingungen der heutigen europäischen Energiewirtschaft ökologischer als Verbrenner:

„Mit dem Energiemix in Europa ist ein Elektroauto bereits nach rund 11.000 bis 13.000 gefahrenen Kilometern klimafreundlicher. Das heißt, dass Elektroautos unter Berücksichtigung der Gesamtemissionen – also des gesamten Lebenszyklus – bereits heute eindeutig weniger schädlich sind als fossil angetriebene Fahrzeuge.“

Illustrationsfoto: Daniela Pilařová,  Tschechischer Rundfunk

Darüber hinaus werden die Technologien zur Herstellung von E-Autos fortlaufend verbessert. Man kann also davon ausgehen, dass solche Wagen in Zukunft noch effizienter werden.

„Der ökologisch schwierigste Teil des Elektroautos ist die Batterie. Sie ist etwa für 50 Prozent Emissionen solcher Fahrzeuge verantwortlich. Die Forschung macht jedoch ständig Fortschritte, sodass die Batterieherstellung immer effizienter und umweltfreundlicher wird. Zudem prüft die Europäische Union Möglichkeiten für das Recycling von Batterien. Elektroautos sind also schon heute umweltfreundlicher, und außerdem besteht das Potenzial für weitere Verbesserungen. Dahingegend sind bei Verbrennungsmotoren keine großen Fortschritte zu erwarten. Solange wir unsere Autos weiterhin mit Öl und Diesel betanken, ändern wir nichts“, so Plaňanská.

Eine der Hürden beim Kauf eines Elektroautos ist bisher noch der hohe Anschaffungspreis. Doch laut Jana Plaňanská ändert sich auch das gerade sehr schnell:

Illustrationsfoto: Petr Kološ,  Tschechischer Rundfunk

„In Westeuropa sind Elektroautos heute nicht teurer als klassische Wagen mit Verbrennungsmotor. Nimmt man den Preis unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus, kommen E-Autos bereits seit ein paar Jahren sogar eindeutig billiger – und das auch in Tschechien. Der Anschaffungspreis von E-Autos in Westeuropa nähert sich sehr schnell jenem von Autos mit fossilen Antrieben. Für das kommende Jahr wird sogar damit gerechnet, dass Elektroautos in einigen Segmenten die günstigste Wahl sein werden. In Tschechien sind die Unterschiede leider immer noch relativ groß. Aber ich denke, dass sich die Kosten innerhalb weniger Jahre angleichen – wenn nämlich mehr Modelle auf den Markt kommen.“

Klügere Nutzung von Autos

Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs trägt zwar zu einer bedeutenden Verringerung der Emissionen bei, doch das allein reicht nicht. Ziel sollte sein, und da ist sich Wiebke Zimmer sicher, die Gesamtproduktion an Autos zu senken.

Illustrationsfoto: bby_,  Flickr,  CC BY-NC 2.0

„Wenn wir sagen: Alles bleibt wie bisher und wir fahren nur mit batterieelektrischen Fahrzeugen durch die Gegend, dann liegen die benötigten Strommengen enorm hoch. Und da wir die Klimaneutralität erreichen wollen, brauchen wir Strom aus erneuerbaren Energien – und den müssen wir so effizient und sparsam wie möglich einsetzen“, so die Expertin.

Dabei sei gerade die Art und Weise, wie wir derzeit noch unsere Pkws nutzen, extrem ineffizient, erläutert Jana Plaňanská:

Illustrationsfoto: Alexandr Podvalny,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

„92 Prozent aller Autos auf den Straßen werden nur von einer Person genutzt. Und 95 Prozent der Zeit steht das Auto still, anstatt dass es bewegt wird. Das ist ein wirklich ineffizienter Umgang mit Ressourcen und mit dem öffentlichen Raum.“

Der Straßenverkehr ist in der Europäischen Union für etwa 70 Prozent aller Verkehrsemissionen verantwortlich. Die übrigen Emissionen, etwa ein Drittel, verursachen der Flug- und der Schiffsverkehr. Die Dekarbonisierung, also die Verringerung der Emissionsintensität dieser beiden Sektoren, gestaltet sich allerdings sehr viel schwieriger als im Straßenverkehr, warnt Wiebke Zimmer:

Illustrationsfoto: Nick Morales,  Unsplash,  CC0 1.0 DEED

„Den Luft- und Seeverkehr wird man nach heutigem Stand der Technik voraussichtlich nicht batterie-elektrisch betreiben können. Das heißt, die Dekarbonisierungsstrategie im Luft- und Seeverkehr ist die Dekarbonisierung des Kerosins. Das bedeutet, dass voraussichtlich strombasierte Kraftstoffe eingesetzt werden. Aus Strom und Wasser wird also Wasserstoff hergestellt, aus Wasserstoff und CO2 dann strombasierte Kraftstoffe, die sogenannten eFuels. Das sind praktisch die CO2-freien Kraftstoffe für den Luft- und Seeverkehr.“

Auch der Umstieg auf grünes Kerosin wäre nicht gleichbedeutend mit einem völligen Ende der Emissionen im Flugverkehr. Denn in großen Höhen bilden sich hinter Flugzeugen sogenannte Kondensstreifen, die Wärme absorbieren und zur globalen Erwärmung beitragen.

Kerosin | Foto: Longhair,  Wikimedia Commons,  public domain

„Selbst wenn der Kraftstoff, also das Kerosin, CO2-frei hergestellt würde, beeinflusst der Luftverkehr trotzdem sas Klima. Diesen Effekt kann man zwar reduzieren, aber nicht beseitigen. Das heißt, der Luftverkehr wird niemals komplett klimaneutral sein. Dementsprechend wichtig ist es, gerade in diesem Bereich die Nachfrage zu senken – also zumindest aus dem starken Anstieg herauszukommen oder nach Möglichkeit den Gesamtumfang etwas zu reduzieren“, weiß Wiebke Zimmer.

Umgestaltung des Verkehrswesens

Gemeinsam mit der Energiewende ist die Umgestaltung des Verkehrswesens ein wesentlicher Bestandteil der Bemühungen um Kohleneutralität. Experten zufolge dürfte sich die Dekarbonisierung des Verkehrs dabei noch schwieriger gestalten als die Emissionsreduktion im Energiesektor. Noch einmal die Expertin von Agora Verkehrswende:

Illustrationsfoto: congerdesign,  Pixabay,  Pixabay License

„Der große Unterschied zwischen den Sektoren Verkehr und Strom ist, dass ersterer ein Nachfragesektor ist. Beim Strom ist es so: Jeder Mensch steckt einfach den Stecker in die Steckdose, und für ihn ändert sich nichts. Im Verkehrssektor gelangt man zur Klimaneutralität nur durch Veränderungen im Mobilitätsverhalten und bei den Technologien der Fahrzeuge. Deswegen ist die Wende im Verkehrssektor noch einmal schwieriger, weil man auch die Bevölkerung viel stärker mitnehmen muss als im Stromsektor. Ich glaube trotzdem, dass man mit einer Verkehrsnachfrageänderung und einer deutlich stärkeren Elektrifizierung, in deren Richtung wir die ersten Schritte bereits gemacht haben, bis 2045 zu einer Klimaneutralität kommt.“

Zur Reduktion der Verkehrsemissionen kann bis zu einem gewissen Grad jeder von uns beitragen. Eine der wirksamsten Möglichkeiten sei, weniger Auto zu fahren, sagt Jana Plaňanská…

Illustrationsfoto: Michael Coghlan,  Flickr,  CC BY-SA 2.0

„Die erste wichtige Frage lautet: Brauche ich für meinen Alltag wirklich ein Auto? Sobald ich ein Auto habe, nutze ich es natürlich auch. Das gilt für Elektroautos genauso. Sie sind zwar ökologischer, verbrauchen aber immer noch gewisse Ressourcen, etwa den öffentlichen Raum und Weiteres. Darum ist es gut, sich zunächst einmal zu überlegen, ob man den Kauf eines Autos nicht vermeiden kann. Wir sollten uns immer bemühen, die umweltfreundlichsten Verkehrsmittel zu nutzen – zu Fuß gehen und Fahrradfahren auf der einen Seite, der öffentliche Nahverkehr und Sharing-Dienste auf der anderen Seite. Und erst dann sollten wir die Anschaffung eines eigenen Autos in Betracht ziehen. Ideal ist es, die täglichen Distanzen aktiv zu bewältigen, das heißt zu Fuß oder auf dem Fahrrad. Denn es ist einerseits ökologischer, und andererseits tut man damit etwas für seine Gesundheit“, erläutert Plaňanská.

Die Verbesserung der Lebensqualität ist neben der Verringerung der Emissionen ein weiterer Vorteil der Verkehrswende. Wiebke Zimmer verweist darauf, dass heute überall in Europa Bürgerinitiativen entstehen, die bessere Bedingungen für das Leben in Städten einfordern:

Illustrationsfoto: Dana Jelínková,  Tschechischer Rundfunk

„Die Leute sagen: Nein, wir wollen mehr Lebensqualität in den Städten, und das heißt für uns weniger Autos auf den Straßen. Wir wollen mehr Fahrradwege und mit dem Fahrrad fahren. Wir möchten keine Parkplätze vor der Tür haben, sondern lieber einen Spielplatz, eine Spielstraße oder mehr Bäume. Wir beobachten tatsächlich eine Bewegung von unten, und es wäre schön, wenn diese von der Regierung stärker aufgegriffen würde.“

Autoren: Filip Rambousek , Štěpán Vizi
schlüsselwörter:
abspielen

Verbunden