Nationalmuseum strahlt in neuem Gewand
Seit Sonntag ist das historische Hauptgebäude des Nationalmuseums in Prag wieder offen. Am 100. Gründungstag der Tschechoslowakei starteten zwei Sonderausstellungen und das Pantheon des Monumentalgebäudes ist wieder begehbar. In den nächsten Monaten werden schrittweise die ursprünglichen Sammlungen wieder zugänglich gemacht und die Dauerausstellungen präsentiert.
„Der Bau war sehr anspruchsvoll. Erstens ist es eines der größten Gebäude in Prag und ganz Tschechien, wenn man von den Burgen und Schlössern absieht. Zudem wurde es nicht nur instandgesetzt, sondern es wurden viele neue Konstruktionen und Elemente eingebaut, durch die das Museum modernisiert wurde. Da der ganze Bau ein nationales Kulturdenkmal ist, mussten fast alle Arbeiten von qualifizierten Restauratoren durchgeführt werden. Man findet hier fast alle vorstellbaren Baumaterialien, von Beton, über Holz bis Gold. Am Umbau waren alle möglichen Facharbeiter beteiligt, und alle möglichen Technologien wurden dabei angewandt.“
100 Jahre Republik – 200 Jahre Nationalmuseum
Mit der Wiedereröffnung des Neurenaissance-Gebäudes wird der 100. Gründungstag der Tschechoslowakei gefeiert, aber auch der 200. Geburtstag des Nationalmuseums selbst. Erstmals öffnete es nämlich im Jahr 1818 seine Pforten, damals noch als Vaterländisches Museum in Böhmen. In den ersten Jahrzehnten wurden seine Sammlungen an verschiedenen Orten in Prag ausgestellt. Erst 1891 wurde nach einem Entwurf des Architekten Josef Schulz das bekannte Museumsgebäude im Stil der Neurenaissance erbaut.Heute steht der Palast an einer verkehrsreichen Kreuzung im Zentrum der Hauptstadt. Das war aber nicht immer der Fall. Der Kunsthistoriker Pavel Jerie hat die jüngsten Arbeiten beaufsichtigt. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erläuterte er, wie die Umgebung des Museums Ende des 19. Jahrhunderts ausgesehen hatte:
„Damals lag die Baustelle am Stadtrand. Dahinter startete gerade der Bau des neuen Stadtviertels Vinohrady. Die Umgebung war ruhig und geprägt durch einen Park. Man suchte nach einem Ort, der gut zugänglich und gleichzeitig monumental ist.“
Und dort wurde das Museum erbaut. Kurz nach der Eröffnung zeigte sich allerdings ein großes Problem, sagt Pavel Jerie:„Direkt am Museum führen die Schienen in Richtung Hauptbahnhof entlang. In den Lokomotiven wurde damals mit Kohle geheizt, und der Qualm hat die Museumsfassade sehr verunreinigt. Wir kennen das Museum eigentlich als schwarzes Gebäude. Immer wenn die Fassade renoviert wurde, wurde ein dunklerer Farbton als zuvor gewählt. Manchmal wurden die Bauelemente sogar künstlich schwarz gefärbt, vor allem die Statuen und die Säulen in der Front des Museums.“
Dies war zuletzt bei der Instandsetzung in den frühen 1970er Jahren der Fall. Bei der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 wurde das Nationalmuseum von sowjetischen Soldaten beschossen. Die beschädigten Stellen wurden mit neuen, schwarzgestrichenen Steinen besetzt. Allerdings hielt die Farbe nicht, und die reparierten Stellen waren sehr deutlich zu sehen. Insgesamt waren die Prager sehr überrascht, als vor wenigen Monaten die Bauplanen fielen und ein fast weißes Museum zum Vorschein kam. So sah es nämlich zuletzt Ende des 19. Jahrhunderts aus.
Architekt Josef Schulz und sein Foto-Hobby
Dasselbe gilt auch für die Innenräume. Man hat bei dem Umbau zu den ursprünglichen Farben gegriffen. Pavel Jerie:„Es war schwierig, zu erforschen, in welcher Farbe die Innenräume einst gestrichen waren. Eine Tatsache hat uns aber geholfen: Als in den Ausstellungssälen, Arbeitszimmern und Depositaren Wände gestrichen wurden, wurden die Möbel nicht weggeschoben. Hinter den historischen Schränken und Regalen haben wir also die ursprünglichen Farben gefunden. Es waren dunkle Pastellfarben, die wir nun auch wieder verwendet haben. Und das sieht besonders gut aus, weil die Wände jetzt mit der Farbe der Decken zusammenspielen. Die hellen Wände, die es früher hier gab, entsprachen nicht der Architektur des Gebäudes.“
Bei der Rekonstruktion des ursprünglichen Aussehens hat den Denkmalschutzexperten ein Hobby des Architekten Josef Schulz sehr geholfen:
„Josef Schulz war ein leidenschaftlicher Fotograf. Als er das Museum baute, dokumentierte er den Prozess auf großformatigen Glas-Negativen. Wir sehen darauf zum Beispiel, dass die Treppe aus einer Stahlkonstruktion besteht, die mit Marmor und Stuck verkleidet wurde. Auf den Bildern sind auch Dinge dargestellt, die inzwischen verschwunden sind.“
Wie etwa die Details, die im Jahr 1945 zerstört wurden. Damals fiel eine Bombe auf das Museum:„Die Bombe hat nicht nur die Fenster zerschlagen und Exponate beschädigt, sondern auch die Glasdecke im Treppenhaus und im Pantheon sowie die dekorierten Fenster. Die Schwarz-weiß-Negative von Schulz vermitteln uns eine Vorstellung davon, wie alles einst ausgesehen hatte. Glücklicherweise wurden im Depositar Fragmente der bemalten Glasscheiben gefunden, so dass diese Elemente rekonstruiert werden konnten. Die Negative wurden gescannt und im Computer bearbeitet. Die moderne Technik und die historischen Negative haben dazu beigetragen, dass die ursprünglichen Elemente ins Museum zurückgebracht werden konnten.“
Pantheon mit Statuen und Büsten
Das Museum wird an diesem Sonntag wiedereröffnet. Als erstes wird das Pantheon zugänglich gemacht. Gerade dieser monumentale Teil des Gebäudes überzeugte einst die Jury, die damals den passenden Entwurf für das Nationalmuseum auswählen musste. Insgesamt wurden 27 Vorschläge eingereicht, wobei sich nur Schulz durchsetzen konnte. Das Pantheon ist ein Repräsentationsraum, in dem Büsten und Statuen der größten Persönlichkeiten der tschechischen Wissenschaft und Kultur ausgestellt sind. Die Auswahl hat sich im Laufe der Zeit mehrmals verändert, am stärksten in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Generaldirektor Michal Lukeš erläutert das aktuelle Konzept des Pantheons:„Unserer Meinung nach wäre es nicht richtig gewesen, hier das kommunistische Pantheon zu erhalten. Wir hatten daher zwei Möglichkeiten: Entweder die Ruhmeshalle völlig neu, aus der Sicht des 21. Jahrhunderts, zu gestalten. Diese Möglichkeit brachte aber einige Probleme: Das Pantheon ist zwar ziemlich groß, es haben aber nur 50, möglicherweise 56 Statuen und Büsten Platz unter der Kuppel. Wer sollte da die Wahl treffen und dabei entscheiden, wer zu den größten Tschechen gehört? Davor hatten wir die größte Angst. Wir haben uns daher gesagt, dass die Idee der Pantheons aus dem Gedankengut des 19. Jahrhunderts ausgeht, und haben ihm seine ursprüngliche Gestalt aus dem 19. Jahrhundert verliehen.“
In einer der Säulen im Pantheon wurde bis zur Renovierung auch das Gehirn des tschechischen Historikers und Politikers des 19. Jahrhunderts, František Palacký, aufbewahrt. Michal Lukeš:„Ich muss ehrlich sagen, als ich als junger Praktikant im Nationalmuseum arbeitete, dachte ich, dass es sich nur um ein Gerücht handelt. Es ist aber wahr. Das Gehirn wurde hier tatsächlich aufbewahrt. František Palacký wurde im 19. Jahrhundert als ein großer Denker und als Genie geehrt. Die Wissenschaftler hatten diese Genialität damals anhand der physiologischen Struktur seines Gehirns erklärt. Aus diesem Grund wurde das Organ nicht mit der Leiche bestattet, sondern mehrfach untersucht. Es befand sich zunächst unter den anderen Präparaten im Depositar. Erst im 20. Jahrhundert entschied die Museumsleitung, dass das Gehirn eine würdevolle Aufbewahrungsstelle bekommen sollte, und es kam ins Pantheon. Wir haben lange überlegt, ob wir das Gehirn nun beerdigen sollten. Wir haben uns aber entschieden, die Tradition zu ehren, obwohl sie heute etwas merkwürdig scheinen mag. Das Gehirn wird also wieder ins Pantheon gebracht.“
Neben dem Pantheon werden aus dem Anlass des heutigen Staatsfeiertags zwei Sonderausstellungen eröffnet: Die „Tschechisch-slowakische/Slowakisch-tschechische Ausstellung“ dokumentiert die gemeinsame Geschichte der Tschechen und der Slowaken im 20. Jahrhundert. Und die Ausstellung „2 x 100“ präsentiert die interessantesten Sammlungsstücke des Museums und ihre Geschichten. Im Laufe des nächsten und des übernächsten Jahres plant man die Öffnung der Dauerausstellung:
„Wir haben das Museum erweitert. Zwei Höfe wurden mit Glasdecken überdacht, um als Ausstellungsraum dienen zu können. Die Besucher kommen neu auch in Räumlichkeiten, in denen früher Büros untergebracht waren. Aber auch in das Kellergeschoss, in dem wir eine Tresorschatzkammer aufbauen. Noch tiefer erreicht man den Gang, der den historischen Palast mit dem neuen Gebäude in der ehemaligen Föderalversammlung verbindet. Dieser soll aber nicht nur eine bloße Unterführung unter der Straße sein.“
Blick von der Kuppel
Der multimediale Raum im Gang zeigt die architektonische Entwicklung des Wenzelsplatzes und die historischen Ereignisse, die sich dort abgespielt haben. Aber nicht nur die unterirdischen Räume, sondern auch die monumentale Kuppel soll in Zukunft für Besucher begehbar sein:„Wir fanden es schade, dass die Kuppel nicht zugänglich war. Denn von dort aus bietet sich ein wunderschöner Blick nicht nur auf Prag, sondern auch auf das historische Museumsgebäude. Wir haben uns daher entschieden, die Kuppel zugänglich zu machen. Sie war nicht als öffentlicher Raum geplant, ihr Zweck war, Licht ins Pantheon zu bringen. Sie bekommt nun einen Boden aus transparentem Glas, den die Besucher betreten können. Zudem wollen wir in der Kuppel auch einige Bauelemente der Fassade in ihrer realen Größe ausstellen, wie etwa die Löwenstatuen. Bei der Betrachtung aus der Ferne sehen sie klein aus, hier wird man gut sehen können, wie groß sie eigentlich sind. Ich denke, dass dieser Raum mit dem Ausblick auf Prag sehr attraktiv sein wird.“
Das Nationalmuseum auf dem Wenzelsplatz ist täglich geöffnet sein, die Besichtigung mit einem Museumsführer dauert 30 Minuten. Für den Besuch des Pantheons ist eine Vorabmeldung via Internet nötig. Der Eintritt ist bis Ende des Jahres frei.