Naturschönheit und Kapitalismuskritik: Festival des Umweltfilms in Krumau
In Cesky Krumlov / Krumau und Ceske Budejovice / Budweis fand Mitte Oktober zum 33. Mal unter dem Titel "Ökofilm" die internationale Festwoche des Umweltfilms statt. Die Veranstaltung lockt jedes Jahr viele Naturschützer, Politiker, Filmemacher und andere Interessierte in die beiden Städte in Südböhmen.
Ökofilm ist der älteste internationale Wettbewerb von Umweltfilmen in Europa. An seiner Wiege standen jene Künstler und Umweltaktivisten, die in der kommunistischen Zeit auf die Zerstörung der Natur in der damaligen Tschechoslowakei hinweisen wollten. Und da dies damals nicht direkt möglich war, entschieden sie sich für die Form der Kunst. Eine eindeutige Symbolik trug dabei schon der Veranstaltungsort: die nordmährische Stadt Ostrava / Ostrau, die durch den rücksichtlosen Kohlebergbau und die Stahlindustrie in der Gegend unter enormer Umweltbelastung zu leiden hatte. 1997 zog die Veranstaltung jedoch in die südböhmische Weltkulturerbestadt Krumau um; fünf Jahre später wurde noch die nahe gelegene Kreishauptstadt Budweis hinzugenommen. Diese Form hat sich bewährt, meint die künstlerische Leiterin des Festivals, Jitka Radova:
"Es ist natürlich schwieriger, das Festival an zwei Orten zu organisieren, aber für die Zuschauer ist es eindeutig von Vorteil. Budweis ist die größere Stadt und hat eine Universität; sie ist besser erreichbar, hier finden zudem auch Schulklassen oder Gruppen bessere Räume. Krumau ist dagegen kunsthistorisch interessant und besitzt eine einzigartige Atmosphäre, in die Film- und Naturfreunde gerne eintauchen. Für die festliche Preisverleihung lässt sich kaum ein würdigeres Ambiente finden als das Münzhaus im Krumauer Schloss. Die Kombination beider Orte ist deshalb jedenfalls günstig."
Die Zahl der Filme bei dem Festival steigt kontinuierlich an: Dieses Jahr hatten die Filmemacher aus 33 Länder insgesamt 142 Werke im Gepäck; ein Drittel der Streifen stammte aus Tschechien. Die internationale Jury vergab 14 Preise. Die Qualität der Wettbewerbsfilme ist grundsätzlich sehr hoch - und wer beim Ökofilm erfolgreich ist, der hat größere Chancen auch bei anderen Filmfestivals, sagt Jakub Kaspar aus dem tschechischen Umweltministerium, welches das Festival mitveranstaltet.
"Für den Eröffnungsabend haben wir dieses Jahr die tschechische Premiere des Films ´Die elfte Stunde´ ausgewählt. Das ist das dokumentarische Debüt des amerikanischen Schauspielers Leonardo di Caprio, das sich mit den dringenden globalen Problemen der heutigen Welt beschäftigt. Neben di Caprio treten im Streifen auch andere bekannte Personen auf, wie zum Beispiel der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow. Auf dem diesjährigen Festival dominierte jedoch die Frage, wie wir reichen Leuten aus dem Westen uns gegenüber der so genannten Dritten Welt verhalten. Aus Australien, den Vereinigten Staaten und der Schweiz kamen sogar drei abendfüllende Filme dazu, sie berichteten von den Folgen der Ölgewinnung in Entwicklungsländern. Des Weiteren wurde auch das italienische Dokument `Der ertrunkene Abladeplatz´ präsentiert, der die unmoralische Handlung der Weltmächte bei der Entsorgung von Kernwaffen beleuchtet. Er gewann einen der Preise. Aus dieser Ecke kommt auch der mit dem Hauptpreis ausgezeichnet Film ´ A Killer Bargain´. Der dänische Regisseur Tom Heineman erzählt darin, wie bei der Produktion von möglichst billiger Baumwolle verbotene Chemikalien benützt werden. So einfach würde einem das gar nicht einfallen, dass die Menschen in Indien für unsere T-Shirts oder Handtücher mit ihrer Gesundheit zahlen müssen."
Regisseure und Produzenten drehen aber auch weiterhin klassische Filme über die Schönheit der Natur. Den Preis für die beste Kamera vergab die Jury an den slowakischen Dokumentarfilmer Zdeno Valach, der seit vielen Jahren das Leben von Fauna und Flora in unberührter Natur aufnimmt. Sein Film heißt einfach "In den Urwäldern der Karpaten". Aus Frankreich kam zudem der Bildungsfilm "Leben und Tod im Moor", der für seine einzigartige Darstellung der Wasserwelt ausgezeichnet wurde. An den Franzosen Jerome Ryneaud ging der Preis für das beste Drehbuch für seinen Fim "Jaglavak - Die Beschwörung der Killerameisen". In dem Streifen wird die Lösung ökologischer Probleme in der Natur dargestellt und nebenher an die das kulturelle Erbe der Ureinwohner von Afrika erinnert. Positive Beispiele, wie Menschen in und mit der Natur leben können, griffen auch weitere Filmemacher auf, betont Festival-Pressesprecherin Veronika Duskova:
"Die Rückkehr des Menschen zur Natur ist vor allem in tschechischen Filmen offensichtlich. Beispielsweise der Fernsehdokument ´Die Bauern´ stellt Landwirte dar, wie sie jeden Tag mit der Natur zusammenarbeiten, sie verstehen lernen und dabei noch gegen die unsinnige Bürokratie kämpfen. Das ist besonders in Tschechien, wo die Schicht der Bauern in kommunistischer Zeit fast zerstört wurde, von großer Bedeutung. Aus gleichem Holz ist der Streifen ´Die Alleen´. Er schildert, wie die Menschen die alten Baumreihen an den Straßen ehren und pflegen. Das Tschechische Fernsehen punktete auch mit dem Dokument ´Das lebendige Herz Europas´ über die Pflege lokaler Naturbesonderheiten."
Gerade die Filme mit einer positiven Kernaussage waren beim diesjährigen Festival am besten besucht. Auf Interesse der Besucher stießen auch die Gespräche mit Filmschaffenden und bekannten Persönlichkeiten, die zum Ökofilm jedes Jahr gehören. Unter anderem war der Schauspieler und Architekt David Vavra gekommen. Er entpuppte sich als witziger und zugleich aufmerksamer Zuschauer, der einige Filme mit dem Humor kommentierte, den oft die ernsthaften ökologischen Debatten entbehren. Sehr großen Anklang fand zudem das Live-Videogespräch mit dem Redakteur des Tschechischen Fernsehens in China, Tomas Etzler. Zwar berichtete er vor allem davon, wie die Natur dem wirtschaftlichen Aufschwung Chinas zum Opfer fällt, doch vermittelte er auch ein paar hoffnungsvolle Informationen. Es scheint, dass die chinesische Regierung beginnt, die Umweltprobleme endlich ernst zu nehmen - das war der Schluss des zweistündigen Interviews, das im voll besetzten Kino Kotva in Budweis stattfand.
Das Programm des Ökofilms wartete dieses Jahr noch mit einer Neuigkeit auf: den Veranstaltungen im so genannten Kinozug. Es handelt sich um drei alte, als Kinoräume gestaltete Eisenbahnwaggons, die die Tschechische Bahn zu verschiedenen Gelegenheiten nutzt. Festival-Sprecherin Duskova.
"Der Kinozug stand zunächst in Budweis und wurde für die zweite Hälfte der Festwoche nach Krumau gefahren. Dank dem Zug hatten wir genügend Vorführräume, um den Zuschauern das Beste aus den vorigen Jahrgängen zu zeigen. In jedem Waggon wurde immer ein anderer Film gezeigt, die Interessenten konnten also nach Belieben wählen. Darüber hinaus fanden dort verschiedene Gespräche statt, zum Beispiel mit einem Ehepaar, das jedes Jahr ein paar Monate in Grönland verbringt und im Auftrag der dortigen Regierung die Natur dieser arktischen Insel in der Welt bekannt macht. Im Übrigen wurde das Gespräch auch für Taubstumme übersetzt."
Das diesjährige Ökofilm-Festival ist zwar vorbei, aber es hallt noch nach. In mehreren tschechischen Städten ist derzeit eine Auswahl der dort gezeigten Streifen zu sehen. Und auch das Tschechische Fernsehen verspricht, die besten Werke demnächst auszustrahlen.