Wohin mit dem Geld? Tschechische Regierung uneins bei Einnahmen aus Emissionsrechtehandel
Es geht um mehrere Dutzend Milliarden Kronen. Innerhalb der tschechischen Regierungskoalition ist man sich noch nicht einig, in welche Ressorts die Einnahmen aus den Emissionszertifikaten fließen sollen. Von Seiten der Industrie gibt es bereits Kritik, dass Investitionen verschleppt werden und die Konkurrenzfähigkeit Tschechiens damit Schaden nimmt.
Seit letztem Frühsommer kehrt ein Thema immer wieder auf die Tagesordnung der Kabinettssitzungen zurück: die Gesetzesnovelle zum Emissionsrechtehandel. Bisher hat es die Regierung von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) noch nicht geschafft, sich auf die neuen Regeln und die Verwendung der Einnahmen zu einigen. Jetzt stellte Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten) eine Abstimmung bis Ende April in Aussicht. Jan Rafaj, Präsident des Verbandes für Industrie und Verkehr (SP ČR), mahnte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Jeder Aufschub ist überflüssig. Sie sollen sich einfach endlich einigen. Wenn das bis Ende April geschieht, ist es immer noch sinnvoll. Bisher wird die Entscheidung aber immer weiter hinausgezögert. Wenn Tschechien bei etwas versagt, dann ist es die Umsetzung von Projekten. Oft sprechen wir über Dinge und wissen auch, was wir gern hätten. Aber die Umsetzung verdient dann häufig nur eine sehr schlechte Note.“
Seine Kritik formulierte der Verband für Industrie und Verkehr in einer Presseerklärung, die am Montag veröffentlicht wurde. Darin heißt es, wichtige Investitionen in die einheimische Industrie und Energieproduktion seien gefährdet, weil die Unternehmen sich nicht auf die neuen Regeln vorbereiten könnten. Denn diese wird erst die Gesetzesnovelle festlegen. Diese sollte in Tschechien eigentlich schon Anfang des Jahres in Kraft treten. Rafaj erinnert an den ursprünglichen Zweck dahinter:
„Die Emissionszertifikate wurden von der Europäischen Kommission unter anderem deswegen eingeführt, um Industrie und Handel besteuern zu können. Dies war sehr schmerzhaft, sollte aber Gelder zur Transformation der Ökonomie der jeweiligen Länder generieren.“
Die EU-Richtlinie legt seit neuestem fest, dass alle Einnahmen aus dem Emissionsrechtehandel dem Umweltschutz zugutekommen sollen. Bisher galt diese Bedingung nur für die Hälfte der Gelder, die andere Hälfte war frei verfügbar. Im tschechischen Regierungskabinett streitet man sich nun, welchen Ministerien die Finanzen zukommen sollen. Ansprüche melden gleich mehrere Ressorts an: neben dem Umweltministerium auch jene für Industrie und Handel, für Finanzen sowie für Verkehr. Allein in diesem Jahr werden Einnahmen von etwa 40 Milliarden Kronen (1,6 Milliarden Euro) erwartet. Finanzminister Zbyněk Stanjura (Bürgerdemokraten) schlägt sogar vor, die Gelder zur freien Verfügung in den Staatshaushalt zu leiten. In diesem Falle müssten sie aber für ihren definierten Zweck reserviert werden, gibt Petr Bartoň zu bedenken. Er ist Chefökonom bei der Investmentgruppe Natland:
„Man muss im Kopf behalten, dass es sich um ein sehr großes Finanzbündel für die kommenden Jahre handelt – also mindestens bis 2030, und dann wird es wahrscheinlich für einen weiteren Zeitraum umgearbeitet. Auf lange Sicht müssen die Firmen durch die verzögerte Einigung also nicht mit allzu hohen Verlusten rechnen. Weil es einen so großen Kuchen zu portionieren gibt, braucht die Regierung eben lange für ihre Entscheidung, unter welchen Ministerien er aufgeteilt wird.“
Egal wie die Entscheidung ausfalle, die Gelder müssten in die Umstrukturierung der tschechischen Wirtschaft investiert werden, betont Jan Rafaj. Vor allem die zentrale Energieinfrastruktur müsse auf erneuerbare Quellen und modulare Produktionseinrichtungen umgerüstet werden. Sobald die Investitionen mit den Emissionseinnahmen finanziert würden, könnten auch die Energiepreise gesenkt werden. Und weiter Rafaj:
„Die Regierung kann sich streiten, wie sie will – für uns ist wichtig, dass die Verteilung klar ist. Die Mittel sollen regelmäßig und zielgerichtet in die Transformation der tschechischen Industrie fließen. Wir wollen nicht jedes Jahr aufs Neue die Politiker bitten müssen, die Gelder zur Verfügung zu stellen.“
Das Geld müsse auch deswegen verlässlich verfügbar sein, so Petr Bartoň, weil zentrale Unternehmen mit einem sehr hohen Energieverbrauch finanziell unterstützt werden müssten, die nur schwer auf Alternativen umrüsten können:
„Die tschechische Wirtschaft ist gleich nach Bulgarien die energieaufwendigste in der ganzen EU, wenn man sie auf das Bruttoinlandsprodukt aufrechnet. Das heißt, dass wir zusammen mit Bulgarien hinsichtlich der Senkung des Energieverbrauchs in Ökonomie und Industrie den größten Brocken Arbeit vor uns haben.“
Falls sich das Regierungskabinett bis Ende April nicht auf die Gesetzesnovelle einigen kann, müssen die Chefs der fünf Regierungsparteien über den Text entscheiden.