Grüner Klimawandel? Tschechischer Umweltminister mit ambitionierten Plänen
Der aktuelle UN-Klimabericht hat weltweit für Aufregung gesorgt. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte die Temperatur weltweit um 6,4 Grad ansteigen, heißt es in dem Papier, das vor wenigen Tagen in Paris präsentiert wurde. Die Pole schmelzen, die Meeresspiegel steigen rasant an. Schuld daran ist der Mensch, stellt der Klimaausschuss der Vereinten Nationen in seinem Bericht fest. In Tschechien haben die Grünen, die seit kurzem in der Regierung sitzen, rasch reagiert und ihre Strategien gegen den Klimawandel vorgestellt. Öko-Aktivisten befürchten aber, dass es mit dem Umweltbewusstsein der Tschechen nicht gerade zum Besten steht.
Karel Dolejsi von der Prager Greenpeace-Sektion kann sich da nur wundern. Das Ökologiebewusstsein im Land hat in den letzten Jahren stark abgenommen, meint er. Als 1989 das kommunistische Regime gestürzt wurde, da rangierten Umweltthemen nämlich noch im Spitzenfeld. Mehr noch: Der desolate Zustand ganzer Landstriche sei damals sogar eines der wichtigsten Argumente gegen die Politik der abtretenden Machthaber gewesen, sagt Dolejsi:
"Dass es schlecht um die Umwelt steht, das war damals allgemein bekannt. Auch in den Medien wurde viel berichtet, zum Beispiel über die Situation in Nordböhmen, wo die Umweltqualität durch Braunkohlekraftwerke und die chemische Industrie viel stärker belastet war als heute. Diese Probleme waren einfach nicht mehr zu übersehen."
Seither hat sich einiges zum Besseren gewendet, räumt Dolejsi ein. Kraftwerke blasen längst nicht mehr so viel Schwefeldioxid in die Luft, aus den Fabriken gelangen weit weniger Chemikalien in die Umwelt, als noch zu kommunistischen Zeiten. Aber:"Leider ist nicht alles besser geworden. Und einige der Dinge, die nicht besser geworden sind, werden heute als Preis des Fortschritts in Kauf genommen. Dass zum Beispiel die Landschaft durch den intensiven Ausbau von Autobahnen zerstört wird, das gilt heute kaum mehr als Problem", so Dolejsi.
Optimistischer ist der neue Umweltminister Martin Bursik, Chef der tschechischen Grünen. Vielleicht nicht ganz zu unrecht. Bursik nämlich bezieht sich auf Untersuchungen, die ökologische Probleme direkt ansprechen und ein anderes Bild zeichnen, als die offene Frage nach den größten Ängsten.
"Laut Eurobarometer sind Umweltthemen für 85 Prozent der EU-Bürger genauso wichtig wie ökonomische oder soziale Themen. In den letzten zwei Jahren steigt auch in Tschechien wieder das Interesse an der Umwelt - und zwar insbesondere was den Kampf gegen den Klimawandel betrifft. Für uns ist das sehr wichtig, denn zur Umsetzung unserer Politik brauchen wir nicht nur die Unterstützung der Regierungskollegen, sondern auch die der breiten Öffentlichkeit", sagt Umweltminister Martin Bursik.Im Juni hat seine Partei erstmals den Einzug ins Abgeordnetenhaus geschafft und danach auch gleich den Sprung in die Regierung. Entsprechend groß ist der Elan, die Gunst der Stunde zu nutzen und so etwas wie eine ökologische Wende herbeizuführen:
"Wir sind immer noch in der Phase der wirtschaftlichen Transformation. Die Struktur der Energieversorgung ändert sich grundlegend, die Lebensdauer der Kraftwerke in Nordböhmen geht zu Ende, die Industrie wird modernisiert. Jetzt haben wir die einzigartige Chance, die Modernisierung der Wirtschaft nicht nur dazu zu nutzen, unsere Konkurrenzfähigkeit auf den europäischen und weltweiten Märkten zu steigern, sondern gleichzeitig auch dazu, die Qualität unserer Umwelt zu verbessern."
Einige Sektoren, so Bursik, seien bisher stark vernachlässigt worden. Erneuerbare Energiequellen etwa, oder alternative Treibstoffe. Bereiche, die nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes wichtig sind, sondern auch Zukunftsmärkte für die Wirtschaft erschließen können - und gleichzeitig dazu beitragen, die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern.
Was will der grüne Umweltminister Martin Bursik konkret ändern? Zum Beispiel das System der staatlichen Unterstützung für Umweltinvestitionen. Bisher hätten Antragsteller lange bürokratische Wege gehen müssen, um am Ende vielleicht doch abgelehnt zu werden. Künftig soll es einen Anspruch auf Subventionierung geben, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.
"Investitionen in diesen Bereich, also zum Beispiel in die Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen, müssen aber unbedingt mit Energiesparmaßnahmen Hand in Hand gehen. Wenn Sie nämlich ein Haus haben, das extrem viel Energie ungenutzt verpuffen lässt, dann macht es überhaupt keinen Sinn, in moderne Technologien zur alternativen Wärmegewinnung zu investieren", sagt Bursik und möchte daher künftig auch Einsparungsmaßnahmen finanzieren.
Den wirklich großen Wurf wollen die Grünen aber im Bereich der Steuerpolitik erzielen.
"Unser Flaggschiff ist und bleibt die ökologische Steuerreform", so Bursik. "Die erste Phase wird Anfang nächsten Jahres eingeführt, in Form von Mindeststeuersätzen für den Verbrauch von Energie aus Kohle und Erdgas. Gleichzeitig aber beginnen wir mit der Vorbereitung für Phase zwei. Die ist weitaus interessanter und zeigt den Weg, den wir künftig gehen wollen. Konkret handelt es sich dabei um die Einführung einer CO2-Steuer. Wir werden jetzt die entsprechenden Studien in Auftrag geben, denn das Modell muss auch Kompensationsmaßnahmen beinhalten. Etwa in Form von niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen für Rentner oder für Familien mit schwachem Einkommen."
Tschechische Umweltschützer betrachten die grünen Pläne vorerst noch mit einer gehörigen Portion Skepsis. Manche trauen der Partei nicht so recht zu, sich im neuen Mitte-Rechts-Kabinett gegen die Koalitionspartner von der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) zu behaupten. Deren Credo lautet vor allem "mehr privat, weniger Staat", ein Grundsatz, der sich mit den grünen Ökosteuerplänen nicht unbedingt vertragen muss. Greenpeace-Sprecher Karel Dolejsi kommentiert die Erfolge der Grünen daher lieber noch zurückhaltend.
"Soziologisch gesprochen kann man sagen: Die Grünen haben im politischen Spektrum den Platz eingenommen, der früher von anderen Parteien der liberalen Mitte besetzt war, und bieten bestimmten Wählern eine neue Alternative. Das heißt aber noch lange nicht, dass in der tschechischen Gesellschaft das Umweltbewusstsein massiv angewachsen wäre. Andererseits bin ich mir fast sicher, dass Umweltthemen aufgrund der Regierungsbeteiligung der Grünen nun mehr in den politischen Mainstream gelangen werden."
Für Tschechien würde das vor allem eines bedeuten: Eine bessere Ankoppelung an internationale Ökologie-Debatten. Von Vorteil wäre das auf jeden Fall. Denn schließlich kümmert sich auch die globale Erwärmung nicht um Staatsgrenzen. Und das nicht erst seit der Pariser Klimakonferenz.