Energiegemeinschaften in Tschechien kurz vor dem Start

Energiegemeinschaften und Gemeinschaftsstrom werden in Tschechien langsam zur Realität. So soll es demnächst möglich sein, den eigens erzeugten Strom mit Familienmitgliedern, Nachbarn und weiteren Menschen zu teilen.

Auch in Tschechien soll es ab kommendem Jahr möglich sein, Strom gemeinsam zu nutzen. Die Regierung bespricht derzeit eine entsprechende Novellierung des Energiegesetzes. So sollen etwa Menschen mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach selbst bestimmen können, wem sie den von ihnen erzeugten Strom zur Verfügung stellen.

Vieroslava begrüßt die geplante Neuerung. Sie lebt in einem Einfamilienhaus in Ponětovice bei Brno / Brünn. Die Solaranlage ihres Hauses produziert momentan etwa 35 Kilowattstunden pro Tag. Was der eigene Haushalt nicht verbraucht, wird an den Versorger verkauft – und genau das möchte Vieroslava in Zukunft gern ändern. „Auf jeden Fall will ich den Strom lieber an meine beiden Töchter weiterleiten“, sagt sie.

Die Gesetzesnovelle wurde vom Ministerium für Industrie und Handel ausgearbeitet. Demzufolge können die Bürger den erzeugten und nicht verbrauchten Strom virtuell an bis zu zehn Verbrauchsstellen senden, und zwar auf dem ganzen Gebiet Tschechiens.

Jozef Síkela | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

Laut Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela (parteilos) kann der Strom aber nicht nur in kleineren Mengen zwischen den zehn Einzelverbrauchern, sondern auch zwischen größeren Gemeinschaften übertragen werden:

„Das wird die Einrichtung einer sogenannten Energiegemeinschaft erfordern, wofür die Gründung einer juristischen Person oder eines Verein nötig ist. An der Gemeinschaft können bis zu tausend Subjekte in drei benachbarten Gemeinden mit erweitertem Wirkungsbereich teilhaben.“

Ab 2026 soll dann die Obergrenze für die Mitgliederzahl in einem Zusammenschluss abgeschafft werden. Ermöglicht werden soll dies durch die Einrichtung eines neuen Elektroenergetischen Datenzentrums. Minister Síkela:

Foto: Zuzana Machálková,  Tschechischer Rundfunk

„Das Zentrum wird die Erzeugung und den Verbrauch der einzelnen Teilnehmer messen und die Daten teilen. Dies wird zu einer sprunghaften Entwicklung der Energiegemeinschaften führen.“

Die Einführung des entsprechenden Gesetzes ist aufgrund europäischen Rechts erforderlich. Eigentlich sollte es hierzulande bereits 2020 in Kraft treten. Deshalb begrüßen Branchenverbände die Gesetzesnovelle. Sie äußern aber auch manche Vorbehalte. Martin Ander vom Verband moderner Energetik etwa sagt:

„Es macht zum Beispiel keinen Sinn, dass man den Menschen langfristig die Möglichkeit nimmt, Mitglied in mehreren Energiegemeinschaften zu sein. Der Haushalt sollte wählen können, welchen Teil seines Verbrauchs er aus welcher Gemeinschaft bezieht.“

Martin Ander | Foto: Marián Vojtek,  Tschechischer Rundfunk

Die Union für Gemeinschaftsenergie kritisiert, dass die Novellierung einige Mitglieder benachteilige. Die Anwältin der Union Eliška Beranová verweist auf die Bestimmung, dass kein Mitglied der Gemeinschaft mehr als zehn Prozent der Stimmrechte besitzen dürfe:

„Dies gilt unabhängig davon, wer wie viel Geld in die Gemeinschaft investiert hat. Wenn wir das aus der Perspektive der Gemeinden betrachten, die die treibende Kraft der gemeinsamen Energiewirtschaft sein werden und hohe Investitionen planen, kann eine solche Bedingung problematisch sein. Denn wenn eine Gemeinde nur zehn Prozent der Stimmrechte hat, verliert sie praktisch die Kontrolle über ihre Investitionen.“

Die Änderung des Energiegesetzes muss noch vom Abgeordnetenhaus und vom Senat genehmigt sowie vom Präsidenten unterzeichnet werden. Sie soll ab Januar nächsten Jahres in Kraft treten.

Autoren: Markéta Kachlíková , Jan Bílek
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