Naturschützer weiter gegen geplanten Elbe-Ausbau

Schloss Děčín (Foto: Daniel Kortschak)

Tschechien hält am Ausbau der Elbe zur internationalen Wasserstraße fest. Dagegen protestieren Umweltschützer auf beiden Seiten der Grenze. Wir haben bereits ausführlich darüber berichtet. Die vor kurzem angetretene neue Regierung hat den Elbausbau nun zu einer ihrer Prioritäten erklärt und will bis zu 800 Millionen Euro in den Bau von zwei Staustufen im tschechisch-deutschen Grenzgebiet investieren. Radio Prag hat sich vor Ort ein Bild gemacht.

Schloss Děčín  (Foto: Daniel Kortschak)
Die Grenzstadt Děčín / Tetschen-Bodenbach liegt ebenso malerisch wie strategisch günstig an einer Elbschleife. Majestätisch thront das Schloss über dem Fluss. Direkt darunter liegt das Motorschiff Poseidon vor Anker. Wir gehen an Bord und machen uns auf stromabwärts in Richtung Deutschland. Rasch lassen wir die Stadt hinter uns. Rechts taucht der Güterhafen auf, mehrere Riesenkräne laden Sand, Schotter und Getreide von Lastkähnen auf Lkw und Güterwaggons um. Links winden sich an den schroffen Abhängen des Elbsandsteins die Eisenbahn-Hauptstrecke Prag–Dresden und ein Radweg entlang. Einige Kilometer weiter ist auf beiden Seiten der Elbe nur mehr Wald und Aulandschaft zu sehen. Gemächlich fließt der Strom dahin.

Schloss Děčín
Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Grenzgemeinde Hřensko / Herrnskretschen. Neben einigen Fachwerkhäusern, die sich eng an die Sandsteinfelsen schmiegen, besteht der Ort aus der für einen tschechischen Grenzort typischen Ausstattung: Ramschmärkte voller Zigaretten, Benzinkanister und Gartenzwerge, Tankstellen, Wechselstuben und einige zwielichtige Vergnügungsbetriebe. Nach einem kurzen Zwischenstopp geht’s weiter stromabwärts. Allmählich wird das Elbtal wieder ein wenig weiter, auf der rechten Seite stehen vermehrt Häuser, links weiden auf den sanft abfallenden Wiesen Schafe und Kühe. Angesichts des schwülen Wetters suchen einige Tiere Abkühlung in der langsam dahinplätschernden Elbe.

Motorschiff Poseidon  (Foto: Daniel Kortschak)
Diese Idylle ist nun in Gefahr, sind sich tschechische und deutsche Umweltschützer einig. Tschechien hat bereits im Jahr 2006 mit Deutschland ein Abkommen über den Ausbau der Elbe zur internationalen Wasserstraße geschlossen. Zurzeit leidet die Güterschifffahrt unter der stark schwankenden Wassertiefe. Dadurch müssen die Güter oft auf kleinere Kähne umgeladen werden und an vielen Tagen im Jahr muss die Schifffahrt überhaupt eingestellt werden. Sei es, weil gerade zu viel Wasser durch das Elbtal fließt, oder aber, weil eine Trockenperiode den Wasserstand stark sinken hat lassen. Zwei große Staustufen samt Schleusen sollen in Zukunft das ganze Jahr über eine Mindesttiefe des Fahrwassers von 1,60 Meter garantieren. Die Pläne dazu sind längst fertig und liegen in den Schubladen der tschechischen Wasserstraßendirektion. Die neue Regierung von Petr Nečas hat das Projekt nun zur Priorität erklärt und will trotz des Sparhaushaltes umgerechnet rund 800 Millionen Euro in den Ausbau der Elbe investieren. Wegen ihrer Bedeutung als internationale Wasserstraße hoffe man auf Förderungen der EU, heißt es aus dem Verkehrsministerium.

Güterhafen in Děčín  (Foto: Daniel Kortschak)
Die Poseidon hat inzwischen den traditionsreichen sächsischen Kurort Bad Schandau erreicht. Bevor wir wenden und anlegen können, müssen wir einem der zahlreichen Fährschiffe Vorfahrt gewähren. In kurzem Takt verbinden sie Bad Schandau mit den Nachbarorten und dem auf dem anderen Ufer der Elbe gelegenen Bahnhof.

Auf dem Oberdeck der Poseidon treffe ich Werner Hentschel, den langjährigen Leiter des Naturschutzgebietes Elbsandsteingebirge.

Hřensko  (Foto: Daniel Kortschak)
Herr Ingenieur Hentschel, was sagen Sie zum geplanten Ausbau der Elbe?

„Der Elbe-Ausbau ist schon seit über 70 Jahren geplant. Und bisher ist es Gott sei Dank nie dazu gekommen. Wenn man auf tschechischer Seite eine Staustufe baut, müsste man 24 weitere in Deutschland bauen, damit das Projekt einen Sinn hat. Soviel Geld zu investieren für so wenig Ware, die noch auf der Elbe transportiert wird, ist eine totale Vergeudung.“

Kühe auf den sanft abfallenden Wiesen  (Foto: Daniel Kortschak)
Die tschechische Wasserstraßendirektion, mit deren Leiter ich vor Kurzem gesprochen habe, hält an dem Projekt fest und sagt, es sei wichtig für die tschechische Wirtschaft.

„Wenn es wichtig ist, dass man 500.000, 600.000 Tonnen auf der Elbe transportiert… Das sind ein paar wenige Güterzüge. Man kann diese Menge mit einigen wenigen Zügen auch transportieren.“

Wenn man sich in der Region Ústí nad Labem / Aussig und Děčín / Tetschen-Bodenbach umhört, hört man auch sehr viele positive Stimmen für den Ausbau der Elbe. Vor allem von Seiten der Politik, auch von den Sozialdemokraten, die ja in den Landkreisen an der Macht sind. Woher kommt diese starke Unterstützung?

Elbsandsteingebirge
„Gerade unter den Sozialdemokraten gibt es etliche, die früher selbst auf den Schiffen gefahren sind. Der eine Abgeordnete, der für die Staustufen plädiert, ist selbst ein ehemaliger Schiffsmann. Bei denen ist das also auch so eine Art Herzensangelegenheit. Aber man kann nicht Sachen machen, nur weil sie jemandem gefallen oder nicht. Man muss auch ausrechnen, was das bringt und was ich damit zerstöre. Ob ich mehr kaputtmache oder einen wirtschaftlichen Nutzen erziele. Die Elbe ist ein Korridor zwischen der böhmischen Kessellandschaft und der norddeutschen Ebene. Sie ist die einzige Verbindung für Tiere und Pflanzen zwischen diesen beiden Naturräumen. Gerade von Děčín aus bewegen sie sich dann weiter ins Erzgebirge, ins Elbsandsteingebirge, ins Lausitzer Gebirge, ins Iser- und ins Riesengebirge. Das ist eine Kreuzung, wo seit Jahrtausenden alle biologischen Vorgänge aufeinandertreffen.“

Elbe in der Böhmischen Schweiz  (Foto: Petr Novák,  www.wikimedia.org)
Was würde denn der Bau der Staustufe bei Děčín konkret für den Fluss bedeuten?

„Wenn man Fluss sagt, ist das Wasser, das fließt. Eine Staustufe bringt einen Stau, also einen Teich. Sehen wir uns konkret die Fischarten an: Oberhalb der Staustufe bei Ústí / Aussig sind es zwölf bis vierzehn Arten. In dem fließenden Wasser unterhalb von Ústí sind es 42 Arten. Dort fehlen mit dem Stör und dem Maifisch nur noch zwei Arten, und dann wären wieder alle Fische im Fluss heimisch, die schon vor Jahrtausenden da waren.“

Werner Hentschel  (Foto: Daniel Kortschak)
Der Ausbau der Staustufe hätte aber nicht nur Auswirkungen auf die Elbe, sondern die Auswirkungen würden bis in den mährischen Karst reichen. Wie kommt das?

„Das kommt ganz einfach, weil man für diesen Ausbau viel Zement braucht. Und der Zement wird aus Kalkstein im mährischen und böhmischen Karst abgebaut. Für die 50.000 Kubikmeter Beton, die man für die Staumauern benötigt, müsste man wieder ein Stück geschützte Landschaft zerstören. Und das ist der mährische oder der böhmische Karst. Beides sind geschützte Landschaften. Man muss auch einmal wahrnehmen, dass eine Landschaft einfach eine Landschaft bleiben soll.“

Was würde denn der Staustufenbau für die Bewohner von Ústí und Děčín bedeuten? Sie haben den Transport angesprochen.

„Ja, selbstverständlich, das ganze Abbau- und Aushubmaterial würde durch die Stadt Děčín transportiert. Nicht über die Elbe nach Deutschland, nein, durch die Stadt. Das bringt jede Menge Staub, Lärm und so weiter. Das ist etwas, was man der Bevölkerung auch nicht sagt. Dabei geht es da um zehntausende Tonnen Material, um tausende Lastautos.“