Navratilova: Bin stolz auf das neue Tschechien, aber nicht auf Präsident Vaclav Klaus

Martina Navratilova (Foto: CTK)

Martina is back! So oder ähnlich lauten in diesen Tagen die Schlagzeilen in der tschechischen Sportpresse, wenn über das Damen-Tennisturnier berichtet wird, das dieser Tage in Prag stattfindet. Hinter diesen Schlagzeilen verbirgt sich niemand anderes als eine Grand Dame des Tennissports, die es auf die Rekordzahl von bisher 167 WTA-Einzel- und 175 WTA-Doppelsiege gebracht hat: Martina Navratilova.

Martina Navratilova,  ECM Prague Open Turnier  (Foto: CTK)
Im Damentennis der Weltelite gab und gibt es viele hervorragende Spielerinnen, die in ihrer Glanzzeit das Spiel mit der gelben Filzkugel geprägt haben. Aber es gibt in der Tat wohl keine andere Frau in der Welt, die das Racket über drei Jahrzehnte so erfolgreich geschwungen hat wie die heute 49-jährige Martina Navratilova. Die Linkshänderin mit dem aggressiven Serve-und-Volley-Spiel wurde am 18. Oktober 1956 in Prag geboren, erhielt mit drei Jahren den Familiennamen ihres nunmehrigen Stiefvaters und kehrte als fast 19-Jährige im Spätsommer 1975 ihrem Heimatland den Rücken. Die totalitär regierte Tschechoslowakei (CSSR) schränkt ihre sportliche Karriere ein, bei ihren vielen Auslandsturnieren ist sie zudem begeistert von den Möglichkeiten, den Freiheiten und dem Überfluss, den die westlichen Länder in jeder Hinsicht bieten. Deshalb beantragt sie 1975 politisches Asyl in den Vereinigten Staaten und erhält in jenem Jahr für die US Open eine Greencard.

Nach einer Wartezeit von gut fünf Jahren erhält Martina Navratilova 1981 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Doch es dauert weitere fünf Jahre, bis sie im Sommer 1986 erstmals wieder in ihr Geburtsland reist - als Mitglied des US-Damenteams zum Federation Cup, der in jenem Jahr im neu errichteten Tennisstadion auf der Prager Hetzinsel (Stvanice) ausgetragen wird. Zuvor aber musste die kommunistische Staatsführung der CSSR erst zusichern, die neue Staatsbürgerschaft der Tennis-Queen auch anzuerkennen und sie nicht wegen so genannter Republikflucht zu verfolgen. Und wie es das Szenarium wollte, die USA mit der Ex-Tschechin Navratilova gewann das Federation-Cup-Finale gegen die Tschechoslowakei mit 3:0.

Martina Navratilova  (Foto: CTK)
Seitdem sind 20 Jahre vergangen, und genau solange hat die hierzulande sehr beliebte Martina Navratilova kein Tennisturnier mehr in ihrem Geburtsland bestritten. Bis zum diesjährigen ECM Prague Open Turnier, wo sie an der Seite der erst 20-jährigen Tschechin Barbora Strycova in dieser Woche in der Doppelkonkurrenz an den Start geht. Die schon vor ihrem ersten Aufschlag informationshungrigen Prager Medien wollten natürlich am Anfang der von der Grand Dame des Tennissports eigens einberufenen Pressekonferenz gleich wissen, ob die Luft in der Tennisarena noch genauso angespannt ist wie vor 20 Jahren:

"In diesem Land weht jetzt ein ganz anderer Wind. Schon bei der Begrüßung auf dem Flughafen fühlte ich mich völlig anders als 1986. Als ich damals wieder abgeflogen bin, habe ich es am meisten bedauert, dass die Menschen, die hier lebten, nicht so wie ich auch ganz einfach wegfliegen können, zum Beispiel zu Besuch nach Deutschland, nach Österreich oder anderswo hin. Sie konnten es nicht."

Daran anknüpfend schilderte Martina Navratilova ihre Eindrücke, die sie von der heutigen Tschechischen Republik habe:

"Das ist wirklich ein ganz anderes Gefühl. Jetzt schäme ich mich schon nicht mehr für das Land, sondern bin stolz auf diese neue Tschechische Republik. Ich bin sehr glücklich darüber, dass es so gekommen ist. Und Prag ist einfach phantastisch. Die Energie, die diese Stadt versprüht, erlebt man kaum woanders."

Martina Navratilova  (links) mit Barbora Strycova,  ECM Prague Open Turnier  (Foto: CTK)
Und wie hat sie sich selbst verändert? Auf diese Frage antwortete die Tennislady mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht:

"Ich habe ein paar Falten mehr im Gesicht. Ich bin etwas langsamer geworden, habe weniger Muskeln und dafür ein etwas breiteres Gesäß. Aber als Mensch bin ich, so hoffe ich, ein gutes Stück vorangekommen, und ich bin stets bemüht, mich weiter zu verbessern."

Nicht verbessert allerdings habe sich in ihren Augen die Politik des US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush, sagte Navratilova. Vor drei Jahren hatte sie ihn wegen der Führung des Irak-Kriegs kritisiert. Mittlerweile aber ärgert sie sich genauso über das tschechische Staatsoberhaupt Vaclav Klaus, und das aus gutem Grund:

"Nun, ich habe gehört, wie er sich zu homosexuellen Beziehungen geäußert hat. Seine Privatmeinung ist die eine Sache. Aber wenn er als tschechischer Präsident mich nicht als einen 100-prozentigen Menschen anerkennt, weil meine zwischenmenschlichen Beziehungen andere sind als die seinigen, dann kann ich mit solch einem Präsidenten nicht zufrieden sein."

Dazu muss man wissen, dass sich Martina Navratilova als US-Bürgerin schon relativ früh als Lesbin geoutet hatte, Präsident Klaus aber noch unlängst einen Gesetzentwurf über gleichgeschlechtliche Beziehungen in der tschechischen Gesellschaft abgelehnt hat. In den Vereinigten Staaten hätte sie eine solche Meinung nicht überrascht, dafür aber umso mehr in Europa, wo die Auffassung von Klaus schon eher zu den Ausnahmen gehöre, ergänzte Navratilova. Erfreut sei sie hingegen, dass die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auch in der Tenniswelt langsam aber sicher zur Normalität werde. Das neueste Beispiel dafür sei die Angleichung des Preisgeldes bei den French Open in Paris, eine Tatsache, die sie allerdings ein wenig erstaunt aufnahm:

Martina Navratilova,  ECM Prague Open Turnier (Foto: CTK)
"Nun, darüber sprechen wir schon 30 Jahre, aber interessant ist - und das hat mich schon überrascht -, dass es das Turnier in Paris ist, wo der Siegerin des Damenwettbewerbs jetzt das Gleiche gezahlt wird wie dem Gewinner der Herrenkonkurrenz, und nicht in Wimbledon. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass die Franzosen die Engländer auf diese Weise übertreffen."

Und etwas nachdenklich, aber ebenso erleichtert fügte Navratilova dem hinzu:

"Die ganzen Gründe dafür, weshalb man den Männern mehr zahle als den Frauen, das sind doch alles nur Ausflüchte. Anders lässt sich das nicht sagen. Oder aber: Willkommen im 21. Jahrhundert! Wenn alle Leute noch so denken würden, dann dürften die Frauen ja auch heute noch nicht wählen."

In dieser Woche aber, wo in Prag neben dem ATP Challenger Turnier der Herren zum zweiten Male auch das ECM Prague Open Turnier der Damen ausgetragen wird, wolle sie aber weniger an das denken, was war oder was in Zukunft noch sein könnte, sondern sie will diese sportliche Herausforderung in ihrer Geburtsstadt einfach genießen.

Nartina Navratilova,  ECM Prague Open Turnier  (Foto: CTK)
"Ich habe große Lust auf Tennis, und darüber hinaus spiele ich jetzt mein erstes normales Turnier in Prag. Deshalb bin ich schon jetzt so richtig aufgekratzt und freue mich riesig darauf. Es wird andererseits darum gehen, dass ich auch meine Emotionen unter Kontrolle haben werde. Denn eventuell werde ich so voller Euphorie sein, dass ich den Ball zu hart schlagen werde. Also muss ich mich noch mehr kontrollieren als üblich, ansonsten aber freue ich mich schon."

Und das war ihr dann auch bei ihrem Prager Auftaktmatch am Dienstag anzumerken. Mit ihrer Partnerin Barbora Strycova gewann sie das Doppel gegen das zweite tschechisch-amerikanische Paar Olga Blahotova und Asha Rolle klar und sicher mit 6:2 und 6:3. Ihre Eindrücke von dieser Begegnung hat sie so kommentiert:

"Es war insgesamt ein einfaches Spiel, das noch einfacher hätte ein können, wenn wir den Matchball beim Stand von 5:0 im zweiten Satz verwandelt hätten. Ich habe mein Service ohne Probleme durchgebracht und nur ein paar Bälle verschlagen. Aber das passiert, ist ganz normal. Auch Bara hat sehr gut und selbstbewusst gespielt. Sie ist ein toller Typ, es war angenehm mit ihr zu spielen. Es lief prima und von unserer Seite war es ein wirklich solides Spiel."

Autor: Lothar Martin
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