Doppel-Ass Barbora Strýcová beendet ihre erfolgreiche Tenniskarriere
Im Damentennis gehört Tschechien zur absoluten Weltspitze. Besonders im zurückliegenden Jahrzehnt haben die Spielerinnen aus dem Herzland Europas dem Geschehen im „weißen Sport“ ihren Stempel aufgedrückt – angefangen vom Wimbledonsieg Petra Kvitovás und dem Fed Cup-Gewinn im Jahr 2011 bis zum jüngsten Triumph von Barbora Krejčíková und Kateřina Siniaková im Doppel beim WTA-Turnier in Madrid. Mit Barbora Strýcová hat indes eine Protagonistin dieser erfolgreichen Ära nun ihre aktive Laufbahn beendet.
Am vergangenen Dienstag hatte Barbora Strýcová in Prag zu einer Pressekonferenz geladen, um das Ende ihrer sportlichen Karriere zu verkünden. Dazu sagte die 35-Jährige unter anderem:
„Mittlerweile bin ich mit mir im Reinen. Es ist so, wie es sein soll. Ich bin für meine Karriere sehr dankbar, und das was ich erlebt habe, war erstaunlich. Doch jetzt erwartet mich eine völlig andere und noch wichtigere Etappe in meinem Leben, auf die ich mich freue. Und genauso wollte ich es auch.“
Barbora Strýcová sieht Mutterfreuden entgegen
Barbora Strýcová sieht Mutterfreuden entgegen. Sie folgt damit ihren langjährigen Mitstreiterinnen im tschechischen Fed-Cup-Team, Lucie Šafářová (34) und Andrea Sestini Hlaváčková (34). Diese haben ihre Sprösslinge jeweils 2019 auf die Welt gebracht. Vor Journalisten nannte die gebürtige Pilsnerin jedoch noch einen anderen Grund, der ihren Abschied ebenso befeuert habe:
„Im vergangenen Jahr waren die Olympischen Spiele für mich sehr wichtig, denn in Tokio dabei sein zu können, hat mich sehr motiviert. Als im Mai aber verkündet wurde, Olympia werde um ein Jahr verschoben, hat mich das mitgenommen und auch etwas demotiviert. Auf der anderen Seite wollte ich schon immer Mutter werden, auch schon vor den Spielen. Bei den diesjährigen Australian Open habe ich dann festgestellt, dass ich schwanger bin. Und vielleicht kommt diese Schwangerschaft genau zur richtigen Zeit, denn Tennis ohne Zuschauer ist einfach nur traurig.“
In Australien war es allerdings anders. Dort war das Coronavirus schon im Januar so gut wie ausgemerzt. Um sicher zu gehen, dass die zahlreichen ausländischen Gäste nicht etwa das Virus wiedereinschleppen, mussten alle Tennisspieler und ihre Betreuer vor dem Turnier für 14 Tage vorsorglich in Quarantäne. Kurz nach dem Ende der Isolation stellte Strýcová ihre Schwangerschaft fest. Das war dann auch ein Grund für ihren kurzen Auftritt beim Turnier, denn die Tschechin schied im Einzel schon in der ersten Runde aus:
„Ich fühlte mich nicht besonders gut und hatte auch kaum Appetit. Im Unterbewusstsein hat man etwas Angst, auch wenn die Ärzte sagen, es könne nichts passieren. Doch man hat es einfach im Kopf und konzentriert sich darauf, dass nichts passieren darf. Für mich war das wirklich nicht einfach.“
Geplant ist noch ein Abschiedsspiel, wenn möglich in Wimbledon
Einfach ist es Barbora Strýcová indes auch nicht gefallen, ihren geliebten Sport – auch wenn die Gründe eindeutig sind – von jetzt auf gleich an den Nagel zu hängen…
„Ich habe mir diesen Sport selbst ausgesucht. Als Kind habe ich noch Eiskunstlauf gemacht, doch so mit zwölf, dreizehn Jahren musste ich mich entscheiden. Tennis stand aber immer an erster Stelle, denn es war schon damals meine Liebe.“
Nach fast 20 Jahren hat die Profikarriere von Barbora Strýcová, die 2002 mit ihrem Debüt im Fed Cup begann, nun ihr Ende gefunden. Aber so mir nichts, dir nichts will die lebensfrohe Tschechin die Tennisbühne dann doch nicht verlassen:
„Ich möchte gern noch ein Match vor Zuschauern spielen. Es soll kein Turnierspiel sein, denn ich werde nicht mehr auf Tour gehen. Aber es soll eine Begegnung sein, bei der ich mich von meinen Fans verabschieden kann.“
Dieser Abschluss soll in ein bis zwei Jahren erfolgen. Dabei schwebt Strýcová ein besonderer Ort vor:
„Natürlich wäre es mein Traum, noch einmal vor Zuschauern in Wimbledon zu spielen. Ich kann aber nicht sagen, ob das realistisch ist. Es wäre aber sehr schön für mich, denn dort habe ich meine größten Erfolge gefeiert. Wimbledon ist zudem das Mekka des Tennissports.“
Als Wimbledon Championships wird das älteste und prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt bezeichnet. Wer dort, im Südwesten Londons, auf Rasen erfolgreich ist, darf sich durchaus zur Tenniselite zählen. Und Barbora Strýcová gehört dazu:
„Selbstverständlich erinnere ich mich gern an Wimbledon. Dort habe ich nicht nur 2019 zusammen mit Hsieh Su-wei das Doppel gewonnen, sondern auch in anderen Jahren sehr gute Spiele bestritten. Ich erinnere mich ebenso gerne an die Australian Open und natürlich an meinen ersten Turniersieg 2011 in Québec. Ganz speziell war auch das Turnier 2017 in Linz, denn es war sehr emotional für mich. Dann ist da noch Olympia 2016, der Fed Cup – ja es gibt wirklich sehr viel, an das ich mich mit Stolz erinnern kann.“
In Wimbledon schaffte Strýcová 2019 mit dem Einzug ins Halbfinale auch ihre beste Platzierung im Einzel bei einem Grand-Slam-Turnier. Ansonsten konnte sie sich im Einzel neben den Turniersiegen in Québec und Linz noch mit ihren beiden Grand-Slam-Triumphen bei den Juniorinnen 2002 und 2003 in Australien schmücken. In erster Linie aber war die burschikose Tschechin eine Doppel-Spezialistin. In dieser Disziplin brachte sie es auf insgesamt 41 Turniersiege, davon hat sie 31 auf der WTA-Tour erzielt. Im Ranking des WTA-Verbandes wurde sie ab Juli 2019 dann auch für mehrere Wochen als Nummer eins der Welt geführt. Ihre Stärke im Zusammenspiel mit einer Partnerin machte Barbora Strýcová schließlich zu einem unverzichtbaren Mitglied des tschechischen Fed-Cup-Teams. Mit ihren Landsfrauen gewann sie die begehrte Trophäe ganze fünf Mal.
„Ich habe in der tschechischen Fed-Cup-Mannschaft wirklich viele tolle Momente erlebt. Und in mir kamen Gefühle auf, die einfach unbeschreiblich sind. Ich bin für jeden Triumph dankbar, und den Fed Cup fünfmal zu gewinnen, ist schon ein dickes Brett. Dass ich den letzten Fed Cup in seinem alten Modus in der ausverkauften Prager O2-Arena spielen konnte, macht mich besonders stolz. Daran werde ich mich immer erinnern.“
Strýcová: Die Zuschauer werden mir fehlen, das viele Reisen aber nicht
Das Gefühl, in einer Mannschaft Teil von etwas ganz Großem zu sein, hat Strýcová immer besonders beflügelt. Sie mochte es, sich für das Team aufzuopfern. Und es machte sie immer stärker, wenn sie und eine Partnerin sich gegenseitig zur Höchstleistung pushen konnten. Die Rolle der Einzelkämpferin lag ihr dagegen nicht so. Vielleicht ist auch dies der Grund, weshalb die heute in Dubai lebende Tschechin im Einzel nicht so oft am Limit spielte:
„Es ist nicht so leicht, im Tennis echte Freundinnen zu haben. Denn am Abend sitzt man noch gemeinsam beim Essen, doch am nächsten Tag ist dieselbe Frau auf dem Court deine Gegnerin. Im Tenniszirkus hatte ich nur wenige Freundinnen – denn wie gesagt: In erster Linie sind alle Spielerinnen deine Gegnerinnen.“
Das Harmonieren mit einer Partnerin auf dem Court, die Begeisterungsausbrüche der Fans – das und einiges mehr wird Strýcová nun fehlen. Doch es gibt auch einen Aspekt im Tennis, auf den sie gerne verzichten kann:
„Im Tennis reist man zwar zu den Turnieren in tolle Städte und schöne Länder, aber davon sieht man so gut wie nichts. Man ist die überwiegende Zeit im Hotel oder auf dem Tennisplatz. Und das wurde mit der Zeit für mich immer ermüdender. Weil ich die Turnierstädte also kaum kennengelernt habe, fehlt mir das auch nicht.“
Und vor dem Mikrofon des Tschechischen Rundfunks sprach Strýcová abschließend noch über eine Sache, von der sie in ihrem „neuen Leben“ ebenso Abstand halten will:
„Ich habe schon einige Angebote von Autoren bekommen, die meine Autobiografie schreiben wollen. Aber ich werde sie wohl nicht annehmen, denn dafür muss man sein Inneres gewiss sehr weit öffnen – und das mag ich nicht. Ich fühle mich nicht wohl dabei.“