Netzwerk "Erinnerung und Solidarität": Tschechien vorerst nicht dabei

Christina Weiss (Foto: CTK)
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Der Zweite Weltkrieg und seine Auswirkungen. Dieses dunkle Kapitel der Menschheitsgeschichte, von dem vor allem die europäischen Staaten betroffen waren, wird uns in diesen Tagen, Wochen und Monaten wieder ins Bewusstsein gerufen, da wir der verschiedensten Ereignisse des Kriegsendes vor genau 60 Jahren gedenken. In diesem Kontext ist auch das Projekt eines Europäischen Netzwerkes für Erinnerung und Solidarität im Entstehen, das auf Initiative der deutschen Kulturstaatsministerin Christina Weiss in Kürze ins Leben gerufen werden soll. In dieses Projekt sind in erster Linie die vom Krieg betroffenen mitteleuropäischen Staaten involviert, doch die Tschechische Republik wird vermutlich bei der Unterzeichnung der Gründungserklärung am 2. Februar in Warschau fehlen. Warum das so ist, dieser Frage ist Lothar Martin nachgegangen.

Der für Europa schlimmste Krieg der Geschichte hat viele Narben hinterlassen. Auch aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, als es gerade in Mitteleuropa sehr oft zu Zwangsmigrationen und Vertreibungen gekommen ist. Die Geschichte der Vertreibungen aufzuarbeiten, genau diesem Anspruch will sich das zukünftige Europäische Netzwerk für Erinnerung und Solidarität stellen und hierfür ein Sekretariat in Warschau unterhalten. Es stellt in gewisser Weise eine Gegeninitiative zu den Plänen des in Deutschland ansässigen Bundes der Vertriebenen dar, der sehr zum Ärger Polens ein "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin errichten will. Mit der Entstehung eines solchen Zentrums sind nämlich bei den deutschen Nachbarstaaten die Befürchtungen verknüpft, dass die diffizile Problematik der Vertreibungen zu einseitig aus der Sichtweise des Bundes der Vertriebenen betrachtet würde. Daher fand die nunmehr auf dem Tisch liegende Initiative eines Netzwerkes für Erinnerung und Solidarität auch einen weit größeren Anklang unter den mitteleuropäischen Staaten Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich, Ungarn und Slowakei. Die Kulturminister der genannten sechs Länder sollen nach Vorstellung der Initiatoren am 2. Februar in Warschau die entsprechende Gründungserklärung unterzeichnen. Doch wie zu erfahren war, wird sich Tschechien an diesem Netzwerk vorerst nicht beteiligen, weshalb Kulturminister Pavel Dostal nicht nach Warschau reisen wird. Zu den Gründen seiner Nichtanwesenheit sagte dessen Sprecherin Katerina Besserova:

"Das Kulturministerium würdigt die Bemühungen der Initiatoren für eine objektive Behandlung der schmerzlichen Geschichtskapitel des 20. Jahrhunderts. Aber es kann der Bildung des Europäischen Netzwerkes für Erinnerung und Solidarität in der vorgeschlagenen Art und Weise nicht zustimmen. Seit der Entstehung dieser ganzen Initiative hat das Kulturministerium in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium einige Aspekte des so konzipierten Projektes ernsthaft in Frage gestellt, insbesondere die vorgeschlagene Begrenzung der Gründungsstaaten auf einige ausgewählte Länder Mitteleuropas als auch die vorgeschlagene thematische Ausrichtung des Projekts, die den Wirkungsbereich des Kulturministeriums übersteigt. Wir sind der Meinung, dass es nicht zweckmäßig wäre, neue Strukturen mit der entsprechenden finanziellen und administrativen Absicherung zu bilden und damit die Staatsausgaben zu erhöhen. Als pragmatischer sehen wir vielmehr die Unterstützung von konkreten Projekten, zum Beispiel im Bereich der bilateralen Zusammenarbeit, oder die gemeinsame Finanzierung von konkreten europäischen Projekten an."

Bereits vor der Bekanntgabe der Haltung des Prager Kulturministeriums hatte das tschechische Außenministerium verlauten lassen, dass man die Initiative gern in einem gesamteuropäischen Kontext sehen würde, also auch unter der Beteiligung eines Landes wie Frankreich, das mit Deutschland bereits eine tief greifende Aussöhnung zum leidvollen Kriegskapitel erzielt hat. Des weiteren würde man eine Beteiligung der USA und Israels an diesem Netzwerk begrüßen. Genau diesen Standpunkt bekräftigte Radio Prag gegenüber auch Katerina Besserova, indem sie betonte:

"Gern würde ich noch auf Folgendes verweisen: Die Tatsache, dass die Tschechische Republik kein Gründungsmitglied des Europäischen Netzwerkes für Erinnerung und Solidarität sein wird, schließt selbstverständlich die Beteiligung tschechischer Subjekte an europäischen Kultur- und Forschungsprojekten nicht aus."