Neue Akten zur Affäre Zilk – österreichischer Historiker mahnt zur Vorsicht

Helmut Zilk und Václav Havel

Vergangene Woche hat die tschechische Tageszeitung Mladá fronta Dnes neue Informationen rund um die so genannte Affäre Zilk veröffentlicht. Helmut Zilk, dem im Vorjahr verstorbenen Wiener Ex-Bürgermeister, wurde in Tschechien bereits vor Jahren vorgeworfen, er hätte einst mit der kommunistischen Staatssicherheit (StB) zusammengearbeitet. Im Oktober 1998 beschloss der damalige tschechische Präsident Václav Havel sogar, ihm eine geplante staatliche Auszeichnung deshalb zu verweigern. Genau zehn Jahre später, im Oktober 2008, hat sich Havel auf Zilks Begräbnis dafür entschuldigt. Nun sind Einzelheiten aus der Akte Zilk aufgetaucht, die die Affäre in ein neues Licht stellen.

Helmut Zilks Beziehung zu Prag war langjährig und intensiv. Ihren wichtigsten Ausdruck fand diese Beziehung wohl bereits in den sechziger Jahren, in der gelockerten Atmosphäre des Prager Frühlings, als Zilk, damals Mitarbeiter des Österreichischen Fernsehens, die so genannten Stadtgespräche ins Leben rief. Das Prinzip: Diskussionsteilnehmer aus Österreich und der Tschechoslowakei debattieren miteinander im Fernsehen – live, ungeschnitten und unzensuriert. Stefan Karner, Leiter des Ludwig-Bolzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung und einer der führenden Historiker Österreichs, erinnert sich:

„Mit dieser Aufgabe hat Zilk Bahnbrechendes geleistet. Das war die erste simultan übersetzte Live-Sendung über ein politisches Thema in einem Ostblockstaat! Das war schon gewaltig.“

Stefan Karner  (Foto: Autor)
Dass er in der Vorbereitung der Stadtgespräche zwangsläufig mit Funktionären aus Politik und Medien in Kontakt kam, von denen viele zumindest Informanten des tschechoslowakischen Geheimdienstes waren, das muss Zilk klar gewesen sein, meint Karner. Außerdem konnte er keine österreichischen Staatsgeheimnisse ausplaudern – schon allein deshalb, weil er damals als einfacher Journalist gar kein Geheimnisträger war.

Die Dokumente, die nun der Mladá fronta Dnes vorliegen, scheinen auf den ersten Blick eine andere Sprache zu sprechen: Fast sechzig Mal habe sich Zilk zwischen 1965 und 1968 mit tschechoslowakischen Geheimdienstmitarbeitern getroffen, heißt es da. Und er habe Geld bekommen. 55.000 Schilling und 13.000 Kronen, dazu noch andere Geschenke wie Luster und Lampen aus böhmischem Glas. Stefan Karner aber mahnt zur Vorsicht:

„Speziell Geheimdienstberichte brauchen eine äußerst detaillierte und genaue Quellenkritik von historischer Seite. In diesem Fall gilt das ganz besonders, denn Zilk ist eine Person des öffentlichen Interesses.“

Helmut Zilk, der spätere Fernsehdirektor, Unterrichtsminister und Wiener Bürgermeister, soll nach 1968 auf einer Liste von Kontakten aufgetaucht sein, die der tschechische Spion Ladislav Bittmann den Amerikanern übergab, nachdem er sich in den Westen abgesetzt hatte. Wie konnte Zilk danach in Österreich Karriere machen, fragen sich nun tschechische Journalisten. Und sie haben auch schon eine Idee: Zilk habe in Wirklichkeit vielleicht im Dienste der CIA gestanden. Für Stefan Karner aber sind auch das einstweilen nur Spekulationen:

„Ich würde meinen, dass man sich in Ruhe, und am besten gemeinsam, also mit tschechischen und österreichischen Historikern, diese Protokolle ansehe sollte. Erst dann kann man zu einer Aussage kommen. Eine Ferndiagnose ist in so einem Fall absolut unmöglich.“