Neue Kulturzeitschrift A2

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"Erstaunlicherweise gibt es in der Tschechischen Republik bislang keine Wochenschrift, die sich mit Kultur beschäftigt" - so heißt es im Editorial zur ersten Ausgabe der neuen Kulturzeitschrift A2, die seit Anfang Oktober in Tschechien erscheint.

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Ins Leben gerufen wurde die Zeitschrift von ehemaligen Redakteuren der traditionsreichen Literarni noviny (Literaturzeitung), deren Redaktion sich im Frühjahr nach länger andauernden personellen wie inhaltlichen Querelen gespalten hatte. Hintergrund war in erster Linie die Kritik an Chefredakteur Jakub Patocka, der nach Meinung eines großen Teils der Redaktion die Literarni noviny zugunsten seines parteipolitischen Engagements bei den Grünen zunehmend vernachlässige. Libuse Belunkova, Chefredakteurin von A2 und zuvor vier Jahre Redakteurin bei den Literarni noviny, erinnert sich an die damalige Krisenstimmung:

"Wir waren einfach nicht mehr zufrieden mit der Arbeit unseres Chefredakteurs. Er war in den vergangenen zwei Jahren hauptsächlich mit seiner politischen Karriere beschäftigt und hatte für die Zeitschrift keine Zeit. Die Zeitschrift litt darunter, die Schulden wuchsen, wir konnten keine Gehälter mehr zahlen. Und wir hatten das Gefühl, dass sich daran schon nichts mehr ändert, dass wir einfach nicht gut unsere Arbeit machen können."

Libuse Belunkova  (Foto: Autorin)
In der Folge kündigte ein großer Teil der Redakteure die Zusammenarbeit mit den "Literarky" und gründete nachfolgend die neue Zeitschrift A2. Patocka hingegen zog mit dem Rest der Redaktion in seine Heimatstadt Brünn. Damit gingen letztlich auch zwei unterschiedliche inhaltliche Konzeptionen der Zeitschrift ihre eigenen Wege. Karel Hvizdala, Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft, die die Zeitschrift A2 herausgibt: In der Folge kündigte ein großer Teil der Redakteure die Zusammenarbeit mit den "Literarky" und gründete nachfolgend die neue Zeitschrift A2. Patocka hingegen zog mit dem Rest der Redaktion in seine Heimatstadt Brünn. Damit gingen letztlich auch zwei unterschiedliche inhaltliche Konzeptionen der Zeitschrift ihre eigenen Wege. Karel Hvizdala, Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft, die die Zeitschrift A2 herausgibt:

"Die Literarni noviny wurden in der letzten Zeit mehr eine politische Zeitung, und die Gruppe, die hier in Prag geblieben ist und die neue Zeitschrift gegründet hat, möchte mehr eine literarische oder sagen wir kulturelle Zeitschrift machen." Der Streit in den Literarni noviny, so Hvizdala, sei leider symptomatisch für die gegenwärtige Medienlandschaft in Tschechien:

"Leider funktionieren die Medien umgekehrt: sie polarisieren die Gesellschaft, und das ist wirklich schade. Normalerweise sollten die Medien die Menschen zusammenbringen."

Die Redaktion der neuen Kulturzeitschrift befindet sich im Dachgeschoss des Hauses Nr. 2 in der Americka-Straße in Prag. Daher auch der Titel der Zeitschrift - A2. Nicht nur Kürzel für die Adresse, sondern vor allem Ausdruck der besonderen Atmosphäre und Geschichte des Ortes, an dem sich die Redaktion niedergelassen hat, erklärt Chefredakteurin Libuse Belunkova:

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"Die Räume, in denen unsere Redaktion jetzt sitzt, sind hell, sauber und geräumig und wir würden uns wünschen, dass sich diese Atmosphäre auch in der Zeitschrift widerspiegelt. In diesem Haus haben immer Künstler gewohnt, die Wohnung selbst ist seit den 1930er Jahren ein Atelier. Diese schöpferische Atmosphäre, die hier herrschte, war es, die uns veranlasste, die Adresse zum Namen zu nehmen. Und dann die Tatsache, dass wir uns hier an der Grenze zwischen dem reichen Stadtteil Vinohrady und dem armen Vrsovice befinden und sich hier Aristokratie mit Plebejertum mischt."

Ihren Hauptauftrag sehen die Redakteure von A2 darin, das gesellschaftliche und politische Geschehen des Landes aus der Perspektive der Kultur zu kommentieren und vor allem auf neue, noch unbekannte Künstler und Kunstströmungen aufmerksam zu machen.

"Es erscheint zum Beispiel momentan unglaublich viel Poesie bei uns, es gibt Autorenlesungen. Es passiert eine Menge, aber es gibt keine Menschen, die dafür ein Gespür haben, die die Künstler entdecken, bewerten und möglicherweise ins Ausland schicken."

Doch nicht nur um Kunst und Künstler geht es, sondern vor allem auch um die tschechische Öffentlichkeit. Karel Hvizdala, Geschäftsführer der GmbH, die die Zeitschrift A2 herausgibt:

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"Es geht auch um kulturellen Service, und das ist sehr wichtig. Bei uns sind sehr viele Bücher, CDs etc. auf dem Markt und man könnte sich kaum orientieren. Eines der Hauptziele ist es daher auch, einen Überblick zu bieten für die, sagen wir, Mittelklasse, die etwas Gutes lesen will und keine Zeit hat sich zu orientieren." Von einer Konkurrenz zu den Literarni noviny, wie sie viele Beobachter vermutet hätten, als sie von der Gründung der neuen Zeitschrift hörten, meint Chefredakteurin Belunkova, könne keine Rede sein. Dieses Wort sei mit Blick auf die Verhältnisse in Tschechien ohnehin fehl am Platz:

"Den Kulturperiodika geht es hier allen finanziell so schlecht, dass es einfach überhaupt keinen Sinn macht, sich in irgendeiner Weise gegenseitig zu konkurrieren. Wer sich in Tschechien mit Kultur beschäftigt oder einen anderen Blick auf die Politik sucht, der liest ohnehin alles, soviel gibt es hier ja nicht."

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Dies hänge nicht zuletzt mit der beschämend geringen staatlichen Unterstützung für Kulturzeitschriften zusammen.:

"Vor einer Woche wurde entschieden, dass die tschechische Regierung ein knappes halbes Prozent des Staatshaushalts für Kultur ausgeben wird. Das ist ganz einfach eine Schande innerhalb der Europäischen Union. Die meisten zivilisierten Staaten wenden wenigstens ein Prozent für Kultur auf. Und womit sollten wir uns als kleines Land in der EU besser präsentieren als mit Kultur? Wir werden schließlich nicht nur Skodas exportieren..."

Was die potentielle Zielgruppe für ihre Zeitschrift anbelang, ist Libuse Belunkova vorsichtig optimistisch:

"Ein bisschen denke ich, dass sich in den letzten fünf Jahren die Situation verändert hat: Unsere Zeitschrift kostet beispielsweise 25 Kronen. Vertreter meiner Generation rechnen sich, wenn sie so einen Preis hören, sofort aus, wie viel Biere sie dafür trinken könnten. Jetzt wächst eine Generation heran, die nicht sofort alles in Biere umrechnet, sondern es normal findet, auch Geld für Kultur auszugeben. Wir glauben, jetzt beginnt eine normalere, europäische Zeit. Und wir wollen den Beginn dieser Zeit gern in unserer Zeitschrift einfangen."