Sprachkampf, Autotests und Bastelbögen – drei Zeitschriften, drei Geschichten

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Jede hat eine andere Ausrichtung, und sie sind unterschiedlich alt – es geht um drei bekannte tschechische Zeitschriften, die dieses Jahr Geburtstag feiern. Aber eines haben sie gemeinsam: eine interessante Geschichte.

Foto: Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften
Das älteste der drei Geburtstagskinder ist die sprachwissenschaftliche Fachzeitschrift „Naše řeč“ (Unsere Sprache). Ihre Geschichte beginnt schon im Dezember 1916, die erste Ausgabe erscheint also noch zu Zeiten der Habsburger Monarchie und mitten im Ersten Weltkrieg. Die offizielle Amtssprache in den Böhmischen Ländern ist damals Deutsch, und bis zur Gründung der selbständigen Tschechoslowakei sollten noch zwei Jahre vergehen. Was war also das Ziel der Zeitschrift? Markéta Pravdová leitet heute die Redaktion von „Naše řeč“:

„Die tschechische Sprache sollte gefördert und kultiviert und ihre Selbstständigkeit betont werden. Zudem wollte man an alte Traditionen erinnern. Die erste Nummer erschien am 1. Dezember 1916, doch als erster Jahrgang galt 1917. Die Initiative kam von der Böhmischen Kaiser-Franz-Josef-Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst.“

Den ersten Redaktionsrat bildeten vier renommierte Sprachwissenschaftler. Ein Jahr später kommt noch ein fünfter Kollege hinzu. Im Leitartikel der ersten Ausgabe von „Naše řeč“ steht unter anderem, Zitat:

„Unsere große, außerordentliche Zeit ruft nach einer Reinigung. Sie ruft mit ihrer weit hörbaren Stimme nach einer unbeschädigten Ausdrucksweise, nach einer reinen und geschliffenen Sprache.“

Tschechisch ohne Germanismen

Markéta Pravdová  (Foto: Elena Horálková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Dazu sollten insbesondere Fremd- und Lehnwörter durch passende beziehungsweise passend erscheinende tschechische Wörter ersetzt werden. Was dies in der Praxis bedeutete, erläutert Markéta Pravdová:

„Die Zeitschrift befasste sich sowohl mit breit gefächerten Themen der Sprachwissenschaft als auch mit unerwünschten Erscheinungen in der tschechischen Sprache. Letzteres grenzte nicht selten an Purismus, man wollte das Tschechische von Germanismen reinigen. Zum Beispiel das Verb ‚listovat‘, auf Deutsch ‚blättern‘. Es setzte sich zusammen aus dem Substantiv ‚list‘, also ‚das Blatt‘, und dem Infinitivsuffix ‚ovat‘. Unter der Redaktionsleitung von Jiří Haller wurde das Verb in den 1930er Jahren als Germanismus angeprangert. Dasselbe galt für das Verb ‚vykolejit‘. Es hieß, es sei eine unnötige Nachahmung des deutschen Wortes ‚entgleisen‘. Die Zeitschrift befasste sich aber neben diesen Diskussionen um Elemente des Wortschatzes auch mit der sprachlichen Analyse literarischer Werke und Presseartikel.“

Foto: Archiv des Instituts für die tschechische Sprache
Markéta Pravdová glaubt allerdings, dass die damalige Redaktionsleitung vor allem der tschechischen Sprache helfen wollte. Und das vielleicht um jeden Preis. In jedem Fall geriet die bohemistische Fachzeitschrift damit in eine Debatte um die Sprachpflege:

„In den 1930er Jahren musste sich ‚Naše řec‘ vom international anerkannten ‚Prager linguistischen Zirkels‘ abgrenzen. Zwei Grundprinzipien standen gegeneinander: auf der einen Seite die Sprachreinheit beziehungsweise sprachliche Richtigkeit, auf der anderen eine Sprachkultur, die eben nicht auf sprachliche Richtigkeit reduziert werden sollte. Beide Seiten rangen um die künftige Ausrichtung der tschechischen Sprache.“

Seitdem sei vieles anders geworden, betont die Chefredakteurin:

„Der Kreis der Leser hat sich natürlich genauso verändert wie die Menschen, die in unserem Land leben. Am Anfang, als ‚Naše řec‘ noch um ihr Bestehen ringen musste, hatte die Zeitschrift mehrere Tausend Leser. Mit der Gründung der selbständigen Tschechoslowakei ließ das Bedürfnis nach, die tschechische Sprache zu verteidigen. Die Zeitschrift konzentrierte sich dann immer mehr auf Fachthemen der Linguistik.“

Und damit sank die Zahl der Leser. Heutzutage sind es überwiegend Hunderte von Sprachwissenschaftlern, aber auch Lehrer oder Bohemistik-Studenten. Zum 100. Geburtstag der ältesten Zeitschrift für Bohemistik fand im vergangenen Januar eine dreitägige Konferenz statt. Rund 150 Sprachwissenschaftler diskutierten dabei in Prag über verschiedene Aspekte des Tschechischen.

„Sparsam und angenehme Fahreigenschaften“

Petr Žantovský  (Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der zweite Jubilar der tschechischen Medienlandschaft ist zwar nur 70 Jahre alt, aber beliebt bei Jung und Alt. Es handelt sich um „Svět motorů“, auf Deutsch „Die Welt der Motoren“. Die Zeitschrift erschien erstmals am 20. Januar 1947 im Verlag „Automotoklub der Tschechoslowakischen Republik“. Der Publizist Petr Žantovský:

„Die Zeitschrift wurde gegründet, noch bevor die Kommunisten hierzulande die Macht ergriffen. Das Layout ähnelte dem westlicher Zeitschriften dieser Art inklusive attraktiver Fotos von Autos, Motorrädern und schönen Frauen auf dem Titelblatt. Damals hatte die Zeitschrift ein hohes Niveau. Und ihr Renommee überdauerte überraschenderweise die folgenden 40 Jahre Kommunismus. Auch nicht die Konkurrenz nach der politischen Wende von 1989 konnte ihr etwas anhaben. Damals erschienen jede Menge neuer Blätter, und zwar entweder westliche Zeitschriften im Franchiseverfahren oder neue einheimische Titel. Letztere erinnerten eher an Reklameveröffentlichungen für Autos und Autozubehör. ‚Svět motorů‘ hat aber bis heute das Wesentliche bewahrt: die gute journalistische Form.“

Gleich im Gründungsjahr 1947 ließ die Redaktion erstmals ein Auto testen. Es war der Škoda 1002 Tudor. Das Urteil lautete: „sparsam, gründlich gebaut, leise und mit angenehmen Fahreigenschaften“. Und von Anfang an gehörten zum Inhalt auch umfangreiche Informationen für Autofahrer sowie Berichte aus den Bereichen Freizeit und Motorsport.

Nach der kommunistischen Machtübernahme geriet die „Svět motorů“ wie andere Printmedien unter politischen Einfluss. So dominierten Berichte aus der Sowjetunion eine Zeitlang den Bereich „Auto-Moto-Welt“. Nach und nach erweiterte sich jedoch das Themenspektrum aus dem In- und Ausland. Und ab den 1970er Jahren wurde auch das Layout moderner. In den 1980er Jahren war „Svět motorů“ dann der Marktführer hierzulande. Die Auflage des Magazins lag bei über 300.000 Exemplaren alle 14 Tage. Heutzutage erreicht die Printversion immerhin noch 200.000 Leser, wodurch sie nach wie vor die Spitzenposition im Segment einnimmt.

Junge Techniker und kleine Forscher

Ihren 60. Geburtstag feiert in diesem Jahr zudem eine Kinderzeitschrift, für die sich die Namen „Ábíčko“ oder „Ábécéčko“ eingebürgert haben. Gegründet wurde sie 1957 offiziell als „ABC für junge Techniker und Naturwissenschaftler“. Die „ABC“ zielte auf junge Leser um zwölf Jahre, gewann aber auch viele Fans unter wesentlich jüngeren sowie älteren Kindern. Erster Chefredakteur war Vlastimil Toman (1933), der diese Funktion bis 1992 innehatte. Unter seiner Leitung wurde die Zeitschrift bald zu einem ungewöhnlich reichweitenstarken Printmedium ihrer Art. Vlastimil Toman:

„Das lag am einmaligen Inhalt der Zeitschrift. Die Bereiche Wissenschaft, Technik und Natur waren bis dahin in keiner Kinderzeitschrift bei uns zu finden. Einige Magazine haben nur gelegentlich Beilagen zu einem konkreten Thema aus diesen Bereichen herausgebracht. Wir wollten Wissen im Stil des Alphabets vermitteln, damit es für Jungs und Mädchen verständlich ist.“

Vlastimil Toman hat sich darum verdient gemacht, erstmals in der kommunistischen Tschechoslowakei eine Comic-Serie für Kinder zu veröffentlichen. Sie erschien vor rund 40 Jahren als Beilage zur ABC. Toman ließ sich dabei von der eigenen Kindheit inspirieren:

„Ich bin mit jenen Comics aufgewachsen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei herausgegeben wurden. Später wollte ich in der ABC das nachahmen, was mir als Kind gefallen hat. In den 1950er Jahren tauchten hierzulande schon hie und da Comics auf. Zum Beispiel in den Zeitschriften für Schulkinder wie ‚Pionier‘ oder ‚Ohníček‘. Doch in ‚ABC‘ haben wir ganze Comic-Serien entwickelt. Und auf diesem Gebiet wurde die Zeitschrift dann zu einem Flaggschiff.“

Als um die Mitte der Siebziger Jahre die erste Comic-Geschichte erschien, war dies in der Tat ein Event hierzulande. Heute finden sich auf den insgesamt 60 Seiten jeder Ausgabe der Zeitschrift meist sieben Seiten mit Comics. Traditionell gehören dazu Abenteuer, Humor und Science Fiction. Und der ABC liegen auch immer Bastelbögen bei, zum Beispiel zur Weltraumtechnik. Manches davon ist später auch Wirklichkeit geworden.

Dass die Kinderzeitschrift mehrere Generationen bereits Freude bereitet hat, davon zeugen nicht zuletzt die Treffen von ABC-Fans. Und vor kurzem wurden drei der legendären Comics von Vlastimil Toman als Autor mit Originalzeichnungen des bereits verstorbenen František Kobík in einer App für Smartphones herausgebracht. Dies stieß auf begeisterte Reaktionen in den Social Media. Unter anderem hieß es da: „Klasse! Danke für die Rückkehr in meine Kindheit!“