Neue Nationalbibliothek in Prag : Ein Monster oder dem Zeitgeist des 21. Jahrhunderts angepasster Bau?

Das siegreiche Projekt für die neue Nationalbibliothek in Prag (Foto: CTK)

Am Freitag vergangener Woche war es so weit: Die internationale Jury, die ein ganzes Jahr lang mit Projekten für den Bau einer neuen Nationalbibliothek in Prag beschäftigt war, hat ihre mit großer Spannung erwartete Entscheidung über das siegreiche Projekt verkündet. Jitka Mladkova war dabei und berichtet:

Das siegreiche Projekt für die neue Nationalbibliothek in Prag  (Foto: CTK)
Es war kein leichter Auftrag für die internationale Jury, der neben dem Prager Oberbürgermeister und dem Generaldirektor der Nationalbibliothek auch weltweit renommierte Architekten angehörten. Anonym angemeldet, wie es den Wettbewerbsregeln entsprach, waren insgesamt 355 Projekte aus der ganzen Welt. Acht davon standen am letzten Donnerstag im Finale. Einen Tag später verkündete im Prager Klementinum, dem heutigen Sitz der Nationalbibliothek, ihr Generaldirektor Vlastimil Jezek:

"Gewinner des internationalen architektonischen Wettberwerbs, der von der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik im vorigen Jahr ausgeschrieben wurde, ist die Gesellschaft "Future Systems", repräsentiert von Jan Kaplicky."

Jan Kaplicky ist Tscheche, lebt aber seit seiner Emigration 1968 in Großbritannien, wo es ihm gelang, die Weltspitze der Architektur zu erklimmen. Über das Verdikt der Jury zeigte er sich überrascht:

Architekt Jan Kaplicky  (Foto: CTK)
"Es ist vielleicht der wichtigste Moment in meinem Leben. Ich hoffe, damit schließt sich der Kreis, der begann, als ich 1955 nicht an der Prager Technischen Hochschule aufgenommen wurde. Für mich ist es eine große Ehre, so etwas hierzulande zu erreichen."

Das Projekt von Jan Kaplicky und seinem fünfköpfigen Architektenteam ist recht kühn oder, etwas vereinfacht gesagt: futuristisch. Der Chefarchitekt rechnet damit, dass das Gebäude wegen seiner ungewöhnlichen Form einen Spitzamen im Volksmund bekommen wird, zum Beispiel "Krake". Und dass über das Projekt auch heftig diskutiert wird, ist eigentlich vorprogrammiert. Davor habe er aber keine Angst, denn konservativ denkende Menschen gebe es überall, nicht nur in Tschechien, sagte Kaplicky. Wichtig ist für ihn etwas anderes:

"Jetzt geht es darum, dass es als ein europäisches Gebäude in einem freien Land funktioniert. Es muss die modernste Bibliothek der Welt sein."

Die neue architektonische Dominante Prags mit nur neun Etagen soll, wenn alles nach Plan läuft, in drei Jahren als Rohbau oben auf der Letna oberhalb der Innenstadt stehen. In insgesamt fünf Jahren dürfte die Nationalbibliothek bereits in voller Pracht in ihrem champagnerfarbenen Fassadenkleid da sein und mit ihren violetten Bullaugen auf die Stadt herabschauen.

Die Lagerräume, die unter der Erde liegen werden, sollen insgesamt zehn Millionen Bücher beherbergen und der Kunde soll jedes bestellte Buch dank modernster Technik innerhalb von drei Minuten in der Hand halten können. Den Wissenshungrigen werden 1200 Studienplätze zu Verfügung stehen.