Neue ODS-Fraktion fordert von eigenem Premier Grundsatztreue zum Parteiprogramm

Vlastimil Tlusty verkündet die Gründung einer innerparteilichen Plattform (Foto: CTK)

Kaum hat die tschechische Mitte-Rechts-Regierung von Premier Mirek Topolanek am Mittwoch vergangener Woche im Parlament den ersten Misstrauensantrag der sozialdemokratischen Opposition überstanden, eröffnete sich für den Regierungschef ein neues Schlachtfeld: Acht Abgeordnete seiner eigenen Partei, der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), die noch kurz zuvor halfen das Kabinett am Leben zu erhalten, erklärten die Gründung einer innerparteilichen Plattform.

Vlastimil Tlusty verkündet die Gründung einer innerparteilichen Plattform  (Foto: CTK)
Der Grund ist die Unzufriedenheit der Parlamentarier aus den Reihen der stärksten Regierungspartei mit dem Reformvorhaben, auf das sich das Kabinett vor kurzem geeinigt hat. Nach Ansicht der Unterzeichner der Plattform unterscheiden sich die Reformschritte zu stark vom Programm der ODS.

Nun, so müsste man annehmen, dürften bei Mirek Topolanek die Alarmglocken schellen. Stattdessen übt sich der Premier seither in Beschwichtigungen. In einer ersten Reaktion meinte er sogar, dass er selbst überlege, dieser innerparteilichen Gruppierung beizutreten. Schließlich sei auch er unzufrieden, dass seine Partei bei den Koalitionsverhandlungen zu große Abstriche von ihrem ursprünglichen Programm machen musste.

Eine Fraktion wurde im Rahmen der ODS in der Vergangenheit schon einmal ins Leben gerufen, und zwar im Herbst 1997 im Zuge des damaligen Spendenskandals. Der Mitglieder spalteten sich im Frühjahr 1998 von ihrer Mutterpartei ab und gründeten die liberalen Freiheitsunion; die Bürgerdemokraten mussten nach vorgezogenen Wahlen in Opposition.

Wie ernst ist also die letzte Entwicklung in der ODS zu nehmen? Wird es auch diesmal zu einer Abspaltung der unzufriedenen Parteimitglieder kommen? Dazu der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril von der Prager Karlsuniversität:

Premier und ODS-Vorsitzender Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
"Das ist möglich, aber die Situation im Jahr 1997 war eine völlig andere. Damals ging es um den Verdacht von Korruption oder illegaler Parteienfinanzierung. Jetzt steht die Teilhabe an der Macht im Mittelpunkt, von der sich die eine Gruppe im Rahmen der Partei ausgeschlossen fühlt. Sicherlich geht es nicht um programmatische Gründe, denn schließlich musste von Beginn an allen klar sein, dass man in einer Koalition Kompromisse schließen muss. Bei genauerem Hinsehen lässt sich jedoch feststellen, dass vor allem jene Persönlichkeiten - wie etwa Vlastimil Tlusty - Mitglieder der Fraktion sind, die in den vergangenen acht Jahren größtenteils die undankbare Oppositionsarbeit verrichteten und die Partei praktisch nach außen vertreten haben."

Der bereits erwähnte frühere Fraktionschef der Partei und kurzzeitiger Finanzminister in Topolaneks erster Regierung, Vlastimil Tlusty, profiliert sich zwar nun als Gralshüter des ODS-Parteiprogramms. Gleichzeitig eilt ihm der Ruf voraus, dass er - wenn die Möglichkeit dazu bestünde - eine große Koalition mit den Sozialdemokraten dem jetzigen Regierungsbündnis mit den Christdemokraten und Grünen vorziehen würde. Doch in einer solchen Koalition dürften die Bürgerdemokraten noch deutlich größere Abstriche von ihrem ursprünglichen Programm machen müssen, als in der bisherigen Regierungsallianz. Das glaubt auch Zdenek Zboril:

"Ja natürlich, deshalb sage ich auch, dass ich diese programmatischen Fragen völlig außer Acht lasse, weil sie nicht entscheidend sind. Weder Topolanek, noch ein anderer Politiker, der in seiner Lage wäre, könnte unter diesen Umständen anders handeln. Ich würde aber erwarten, dass bei wirklich tief greifenden Reformen, die ein bestimmtes System auf Jahre hinaus verändern werden, schon aus Prinzip eine Einigung mit der Opposition angestrebt wird. Natürlich würde so eine Vorgehensweise voraussetzen, dass man über den genauen Inhalt der Reformen lange verhandelt. Das eigentliche Problem der jetzigen Reformbestrebungen ist daher auch, dass ohne einen solchen Grundkonsens bei der Konfrontation mit der Opposition das ganze Vorhaben in Einzelteile zerfällt. Dabei geht es um ganz grundlegende Fragen wie die Sanierung des Staatshaushalts. Und da kann ich mir nicht vorstellen, dass ein anderer Regierungschef unter den gegeben Umständen etwas anderes zustande gebracht hätte als Mirek Topolanek. Vielleicht wären dann sogar die Abstriche zu Gunsten der Opposition noch größer, als bei der heutigen Regierung."

Gegenwärtig ist noch nicht absehbar, ob es Partei- und Regierungschef Topolanek schaffen wird, die unzufriedenen Abgeordneten wieder zu beruhigen und auf Linie zu bringen. Sollte es ihm nicht gelingen, hätte die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei theoretisch noch eine "Schlichtungs-Instanz", nämlich in der Person ihres Gründers und langjährigen Vorsitzenden Vaclav Klaus. Formal ist er schließlich immer noch Ehrenvorsitzender der Partei. Andererseits kann Klaus selbst kein Interesse an einem innerparteilichen Konflikt haben, will er im Februar nächsten Jahres wieder zum Präsidenten gewählt werden. Könnte Vaclav Klaus also eventuell im Fall, dass der Konflikt zwischen der neuen Fraktion und der offiziellen Parteiführung eskalieren sollte, eingreifen? Dazu der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril:

"Er wird bestimmt, wenn es zu einem inneren Konflikt kommen sollte, wie jetzt bei der Gründung der Plattform, vor allem darauf achten, wie unabhängig diese Gruppe von der offiziellen Parteilinie agiert - etwa bei Abstimmungen im Parlament. Sollte das wirklich eintreten, dann müsste Klaus tatsächlich eingreifen, auch wenn er sich damit auf sehr dünnes Eis begeben würde. Derzeit lässt sich noch längst nicht abschätzen, ob das seiner Wiederwahl helfen oder eher schaden würde. Er kann natürlich in seiner Eigenschaft als Ökonom die einzelnen Reformvorhaben bewerten. Es kann aber auch - wie bereits in der Vergangenheit geschehen - dazu kommen, dass ihm zwar alle applaudieren, aber niemand sich an seine Empfehlungen halten wird. Für den Präsidenten ist dies derzeit weitaus gefährlicher als noch vor einigen Monaten, als er seine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt gab."

Noch bei einem weiteren Thema vertritt die Demokratische Bürgerpartei gegenwärtig eine andere Position, als es bislang üblich war: in der Europafrage. Hier hat die Partei nach ihrem Regierungseintritt erstaunlicherweise moderate Töne angeschlagen und die bis dahin dominierende europakritische Rhetorik bei Seite gelegt. Kann diese Abweichung von der bisherigen Linie nicht auch für innerparteiliche Konflikte sorgen? Politologe Zdenek Zboril von der Prager Karlsuniversität schätzt dies wie folgt ein:

"Ich will nicht sagen, dass ich die Kritik von Vaclav Klaus an der Europäischen Union nie ernst genommen hätte. Aber ich hatte oft das Gefühl, dass es sich von seiner Seite um eine Art politisches Spiel handelte, um im negativen Sinne auf sich aufmerksam zu machen. Ich habe mit großen Interesse die Aussagen von Premier Topolanek vor dem jüngsten EU-Gipfel vernommen, in denen er meinte, dass seine Position zu hundert Prozent mit jener des Präsidenten übereinstimmt. Also: Da sagt jemand nicht die Wahrheit! Das scheint mir entweder die ganze bisherige Linie der ODS in Sachen EU in Frage zu stellen, oder die Partei hat es mit ihrer Europa-Kritik nie ernst gemeint. Es ist ja eine Tatsache, dass die Wähler und Parteimitglieder der ODS große Anhänger der EU-Mitgliedschaft sind. Mir scheint, als ob es hier um ein innenpolitisches Spielchen geht, bei dem auch das Verhältnis zur EU herhalten muss, weil es dort um komplexe und sehr schwer überschaubare Zusammenhänge geht. Diese Spielchen werden aber auf einem ungeeigneten Feld ausgetragen."