Neues TPCA-Autowerk in Kolin eingeweiht - Probleme mit der Infrastruktur
Vor genau drei Monaten haben wir darüber berichtet, dass im mittelböhmischen Kolin die PKW-Produktion von drei neuen Kleinwagen-Modellen des japanisch-französischen Konsortiums TPCA angelaufen sei. Am vergangenen Dienstag wurde das neue Autowerk in der Elbestadt nun offiziell eingeweiht, was eigentlich immer einen Akt darstellt, der eine erfolgreich beschrittene Wegstrecke beschließen und eine neue Ära einleiten sollte. Doch in diesem Fall blieben bisher noch jede Menge Wünsche offen im Zusammenspiel zwischen dem Investor, dem tschechischen Staat und der Stadt Kolin. Lothar Martin berichtet.
"Ich kann mich nicht beschweren. Letzten Endes war es nicht meine Entscheidung, in die Tschechische Republik zu investieren. Richtig aber ist, dass man stets alles verbessern kann. Ich würde es zum Beispiel begrüßen, wenn man in der hiesigen Industrie ein besseres Konkurrenzmilieu schaffen würde, oder wenn es zu einer besseren Kommunikation mit der Regierung sowie zur Vereinfachung der Legislative kommen würde." Mit diesen Worten hatte Masatake Enomoto, der japanische Chef des TPCA-Unternehmens, vor einem Vierteljahr einerseits bestätigt, dass es durchaus richtig war, die vollzogene Großinvestition in Tschechien zu tätigen, dass es andererseits aber noch jede Menge zu verbessern gebe. Beim zweiten Punkt aber war seinerzeit wohl eher der Wunsch Vater des Gedanken. Denn heute, zu Beginn des Monats Juni, in dem die Produktion bereits im Mehrschichtsystem erfolgen und dank 2500 Beschäftigter gewährleistet werden sollte, ist der PKW-Hersteller immer noch unterbesetzt und ringt mit infrastrukturellen Problemen. "Die tschechische Regierung hat uns bis Mitte des Jahres die Fertigstellung von 850 neuen Wohnungen versprochen. Leider haben wir bisher nur 136 erhalten", nannte TPCA-Vizepräsident Jean-Pierre Chantossel ein gravierendes davon gegenüber der Agentur AFP. "Jeden Monat verlassen 50 bis 60 Leute die Firma, da sie keine passende Unterkunft haben. Für neu Hinzukommende ist das eine Katastrophe", wird Chantossel des weiteren zitiert. In der Tageszeitung "Deniky Bohemia" wird darauf verwiesen, dass auch die Stadt Kolin bereits erheblich an Kredit bei den TPCA-Verantwortlichen verloren habe. Denn die Stadtväter wollten in letzter Konsequenz dafür Rechnung tragen, dass die neuen Wohnungen fristgemäß bezogen werden können. Im Rathaus beklagt man jedoch vor allem die auf die Milliarde zugehenden Schulden, die man beim bisherigen Wohnungsbau bereits auf sich nehmen haben müsse, sowie das inzwischen entstandene Verkehrschaos, das nunmehr täglich in der Stadt herrsche. Die Regierung müsse daher, so Stadtvertreter Ondrej Plasil, den Bau einer Straßen-Ortsumgehung von Kolin, deren direkte Anbindung an die Industriezone sowie die Finanzierung der Wohnungen mit zu ihren Prioritäten erheben. Doch der Vizepremier für Ökonomie, Martin Jahn, der der offiziellen Einweihung des Werkes am Dienstag beiwohnte, hatte bei der Feierstunde vorerst nur warme Worte parat. Da sich zudem die Verlängerung der Autobahn D11 von Prag nach Hradec Kralove/Königgrätz ebenso verzögert, ist dem neuen Industriestandort Kolin nur ein sehr reibungsvoller Beginn beschieden. Und daher ist es auch noch ein steiniger Weg bis zur Erfüllung jener Prognose, die der Minister für Industrie und Handel, Milan Urban, etwas voreilig bereits vor drei Monaten getroffen hat:"Die Tschechische Republik wird im Jahr 2005 tatsächlich der weltgrößte Automobilhersteller sein, was die Produktion pro Kopf der Bevölkerung betrifft. Insgesamt sollen ca. 800.000 PKW im Jahr produziert werden."