Neustart des tschechischen Tourismus – mit heimischen Gästen

Erholungszentrum am Lipno-Stausee (Foto: Rene Cortin, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Über zwei Monate lang mussten die Hotels und Gastbetriebe geschlossen bleiben. Seit Montag haben sie wieder offen. Doch der Neustart des Tourismus in Tschechien kann nur langsam erfolgen. Denn zunächst wird die Nachfrage von den Einheimischen abhängen. Frühestens in der zweiten Juniwoche dürften auch wieder ausländische Gäste kommen – dann könnten nämlich die Beschränkungen an den Grenzen zu Österreich und der Slowakei wegfallen. Doch fraglich ist, ob die Menschen nach dem Corona-Schock so schnell wieder verreisen wollen.

Erholungszentrum am Lipno-Stausee  (Foto: Rene Cortin,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Dolní Morava  | Foto: Petr Štefek,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0
Der Ort Dolní Morava / Nieder-Mohrau liegt am Fuß des Großen Schneebergs im Nordwesten Mährens. Durch die Corona-Maßnahmen wurden die dortigen Hoteliers um einen Teil ihres Wintergeschäfts gebracht. Seit Montag bieten sie nun wieder ihre Zimmer an. Das aber geht nur unter strengen Hygienevorschriften. Jitka Stützová leitet eines der Häuser in dem Tal an der Grenze zu Polen:

„Überall an den Zugängen zum Beispiel zum Wellness-Bereich, zum Restaurant oder zur Rezeption sind berührungslose Desinfektionsmittelspender. Auch auf den Zimmern gibt es Handdesinfektion. Und das Personal trägt selbstverständlich Atemmasken und Handschuhe.“

Zwar liegen die Einnahmenverluste in Dolní Morava wegen des Shutdowns bei umgerechnet mehreren Hunderttausend Euro. Doch schon jetzt sind für den Sommer die Betten fast alle belegt. Denn die Tschechen wollen dieses Jahr meist Urlaub im eigenen Land machen. Und die Mittelgebirge sind dabei gefragt, in diesem Fall das Glatzer Schneegebirge.

Billigere Hotelbetten

Illustrationsfoto: Rabih Hourani Massri,  Flickr,  CC BY-NC-ND 2.00
An anderen Orten zeigt sich die Lage aber auch anders. Beispielsweise im schönen Litomyšl / Leitomischl – Luftlinie rund 40 Kilometer südwestlich von Dolní Morava. Im historischen Stadtzentrum betreibt David Fišer ein Hotel. In den insgesamt 23 Zimmern verweilen ansonsten meist ausländische Gäste. Aber noch sind die Grenzen nicht offen für Touristen. Und selbst wenn wie geplant am 15. Juni auch wieder Neugierige aus Österreich und Deutschland nach Tschechien reisen können, bleibt die Frage, ob sie auch wirklich kommen. Deswegen hat sich David Fišer erst einmal umgestellt, wie er diese Woche in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schilderte:

„Wir haben uns entschieden, unseren ganzen Wirtschaftsplan neu durchzurechnen und uns vor allem an tschechische Kunden zu wenden. Deswegen haben wir unsere Preise um 30 Prozent gesenkt, bei gleichem Service und Essen.“

Litomyšl  (Foto: Marie Čcheidzeová,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Hinzukommen Übernachtungspakete, die zum Beispiel auch den Eintritt ins örtliche Schwimmbad enthalten oder die Ausleihe eines E-Bikes.

Petra Dostálová ist ebenfalls in der Stadt Litomyšl ansässig, ihr gehört dort eine Pension. Sie hatte das Glück, selbst im Lockdown noch Einnahmen generieren zu können…

„Unsere Pension stand zunächst leer. Dann haben wir aber vom Ministerium eine Ausnahmegenehmigung erhalten und konnten Gäste bei uns einquartieren, die zum Arbeiten regelmäßig hier hergekommen sind. Das hat uns recht gut über Wasser gehalten. Trotzdem musste einer unserer Angestellten zu Hause bleiben“, so die Unternehmerin.

Karlovy Vary  (Foto: VitVit,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Am 16. März ließ die tschechische Regierung die Grenzen schließen. Schon die zwei Wochen ohne ausländische Besucher im ersten Quartal haben die Übernachtungszahlen hierzulande deutlich zurückgehen lassen. Landesweit gab es ein Minus von 16,7 Prozent. Ganz besonders hart trifft die Lage aber Prag, denn 80 Prozent der Betten in Hotels und Pensionen sind normalerweise mit Menschen aus anderen Ländern belegt. Aber auch Karlovy Vary / Karlsbad ist stark von ausländischer Klientel abhängig. Květoslav Návratil leitet dort ein Viersterne-Hotel. Für ihn geht es mittlerweile ans Eingemachte:

„Ich lasse jetzt erst einmal nur ein Drittel meines Personals wieder arbeiten. Für einen Vollbetrieb unseres Hauses liegen die Kosten zu hoch. Das könnten wir nicht stemmen.“

Die Idee mit den Vouchern

Klára Dostálová  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Gerade in solchen Regionen muss aber auch die Politik helfen. Regionalentwicklungsministerin Klára Dostálová bestätigte dies vor Kurzem in einem Rundfunkinterview.

„Schon jetzt gibt es Gegenden in Tschechien, deren Betten zu 90 Prozent belegt sind. Aber gerade die Kurstädte und Kurorte melden nur rund fünf Prozent Belegung. Dort hätten wir es gerne, dass einheimische Touristen den Ausfall der ausländischen Gäste wettmachen“, so die parteilose Ressortchefin.

Deswegen plant die Regierung die Herausgabe von Vouchern. Die Verhandlungen von Dostálová mit weiteren Ministerien laufen derzeit noch. Bisher ist die Idee, dass Arbeitgeber und Staat bis zu 8000 Kronen (knapp 300 Euro) bei der Buchung eines mehrtägigen Aufenthalts hinzuzahlen. Doch die konkrete Ausformung sei noch offen, gestand die Regionalentwicklungsministerin Ende vergangener Woche:

Illustrationsfoto: Marco Verch,  Flick,  CC BY 2.0
„Die Diskussion in dieser Phase geht noch darüber, ob nicht vielleicht nur der Staat zu den Vouchern beiträgt. Denn nicht alle Arbeitgeber werden in der Lage sein, ihren Beitrag zu leisten. Zudem steht in Frage, ob man die Gutscheine wirklich überall in Tschechien wird einlösen können – also auch dort, wo ohnehin die tschechischen Urlauber gerne hinfahren wie an den Lipno-Stausee oder ins Altvatergebirge. Oder eben nur an jenen Orten, denen die ausländische Kundschaft derzeit fehlt.“

Kommende Woche will sich das Kabinett einigen. Denn die Zeit drängt. Die Voucher sollten möglichst noch vor dem Start der Schulferien in Umlauf kommen, und die beginnen am 1. Juli.

In Karlsbad ist man da schon einen Schritt weiter. Die Stadt hat am Dienstag beschlossen, mit insgesamt 45 Millionen Kronen (1,67 Millionen Euro) die Wiederaufnahme des Kurbetriebs zu fördern. Der größte Teil von 35 Millionen Kronen (1,3 Millionen Euro) geht dabei in eine Werbekampagne. Für die restlichen 10 Millionen (370.000 Euro) aber werden Voucher angeboten. Andrea Pfeffer-Ferklová ist Oberbürgermeisterin der Stadt in Westböhmen:

Andrea Pfeffer-Ferklová | Foto: Tomáš Melc,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED
„Die Voucher gibt es zu drei unterschiedlichen Werten: 1000 Kronen, 2500 Kronen und 5000 Kronen. Über die Webseiten Vary Voucher kann der Kunde den jeweiligen Gutschein auswählen. Dort macht er die geforderten Angaben. Das System generiert dann den Voucher. Und diesen kann er dann in ausgewählten Hotels und Pensionen einlösen.“

Zum Beispiel ein sogenannter Wellness-Aufenthalt: Dies ist der Voucher zu 2500 Kronen, also etwas unter 100 Euro. Er lässt sich bei der Reservierung eines Aufenthalts von mindestens vier Tagen Länge und einem Mindestpreis von 9000 Kronen (330 Euro) einlösen.

Ohnehin sind die Hotels in solchen Destinationen mit ihren Preisen erst einmal heruntergegangen. Das quittiert Jan Papež mit einem gewissen Wohlwollen. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Verbandes tschechischer Reiseunternehmen.

Fotos: Archiv des Magistrats der Haupstadt Prag und Juan Pablo Bertazza
„Die Hoteliers in Prag, Karlsbad oder auch in Krumau haben verstanden, dass jetzt die einzigartige Möglichkeit besteht, auch tschechische Besucher anzulocken. Vor zwei Jahren hat der Verband eine Umfrage gemacht. Demnach haben mehr als zwei Drittel der Tschechen noch nie in Prag übernachtet. Das heißt, sie haben auch noch nie ihre Hauptstadt bei Nacht im Schein der Lampen erlebt. Das können sie nun endlich nachholen. Für die Hoteliers geht es erst einmal darum, ihr Haus wieder in Gang zu bekommen. Wenn dann die ausländischen Touristen wieder kommen, dürften die Preise auch wieder steigen“, glaubt der Verbandschef.

Autor: Till Janzer
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