Noch weniger Lohn für noch mehr Arbeit: (Un-)Gleichstellung von Mann und Frau in Tschechien und der EU
Die Mehrheit der heutigen Hochschulabsolventen sind Frauen. Jedoch nehmen sie lediglich etwas mehr als die Hälfte der Führungspositionen ein und verdienen im Schnitt um fast 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. So lauten die Zahlen für die meisten der alten EU-Länder. In den neuen EU-Ländern sieht das Verhältnis noch krasser aus - zum Nachteil für die Frauen. In Tschechien soll nun eine eigene Frauenpartei dazu beitragen, diesem und anderen Missständen Abhilfe zu schaffen. Sandra Dudek hat sich über den Stand der Gleichstellung von Mann und Frau in Tschechien und der EU informiert:
"dass die Frau nicht nur Fürsorgerin, Putzfrau, Abwäscherin, Lehrerin und alles auf einmal ist, sondern dass sie darüber hinaus noch ein aktiver wirtschaftlicher Bestandteil der Familie ist, der zum Familieneinkommen beträchtlich beiträgt, wenn auch weniger als der Mann, weil sie auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert ist und ein Drittel weniger verdient, aber nichtsdestoweniger trägt sie dazu bei."
Während Frauen also untertags einem Beruf nachgehen, für den sie schlechter bezahlt werden als Männer, müssen sie am Abend noch eine zweite Schicht im Haushalt einlegen, die als selbstverständlich betrachtet wird und unbezahlt ist. Dazu Zdenka Ulmannová:"Die Frau zahlt drauf, sie hat überhaupt keine Möglichkeit, sich an den öffentlich wichtigen Dingen zu beteiligen und vor allem nicht an den Entscheidungsprozessen, zum Beispiel an der Politik, wo Dinge entschieden werden."
Gerade in der mangelnden politischen Vertretung spezifischer Frauenanliegen sieht Zdenka Ulmannová einen Grund für die Ungleichstellung. In der tschechischen Politik gebe es zwar diverse Vertretungen, wie beispielsweise den Regierungsbeirat für Gleichstellungsfragen von Frauen und Männern, dieser aber habe nur beratende Funktion und keine Rechtsbefugnis. Und wie sieht es auf parlamentarischer Ebene aus? Dazu Zdenka Ulmannová:
"Wenn im Unterhaus 83 Prozent und im Oberhaus 88 Prozent Männer sind, dann spielen dort die Frauen in Wahrheit im Männertrikot, sie kicken schlicht und einfach für ihren Klub und sind von ihrer Parteidisziplin und ihrem Arbeitsstil abgebunden. Unter diesen Bedingungen können die Frauen, die formal dafür verantwortlich wären, überhaupt nichts durchsetzen."
Dabei ist der Frauenanteil bei tschechischen Abgeordneten und Ministerstellvertretern mit rund 15 Prozent im Vergleich noch hoch. Mehr Frauen gibt es nur unter den Verfassungsrichtern und im nationalen Kontrollamt NKU, jeweils in etwa 25 Prozent. Die größten Unterschiede sind im Top-Management zu verzeichnen: Hier werden lediglich acht Prozent der Führungspositionen von Frauen eingenommen. Auf landespolitischer Ebene kann man nur ironisch von Unterschieden sprechen, denn: In Tschechien ist keine einzige Frau Bürgermeisterin oder Landkreisvorsitzende. Eine Möglichkeit, den Frauenanteil vor allem in Führungspositionen zu erhöhen, wäre die so genannte "Quotenregelung", in Österreich oder Deutschland beispielsweise gesetzlich verankert. Dadurch müssen bei Stellennachbesetzungen Frauen ihren männlichen Mitbewerbern vorgezogen werden, sofern sie über die gleiche Qualifikation verfügen. Dies ist häufig natürlich auch eine Interpretationssache. In Tschechien gibt es eine derartige Regelung noch nicht. Zur Umsetzung in Tschechien meint Alena Králíková, Direktorin für Bildung der Organisation "Gender Studies":"Ich unterstütze die Quotenregelung in der Politik, das heißt Quoten auf den Kandidatenlisten, damit dort eine gewisse Anzahl an Frauen ist, sein muss. Aber ich weiß nicht recht, in welcher Art sich diese positive Maßnahme am Arbeitsmarkt einführen läßt, weil das schon eine Angelegenheit des Gesetzes ist, und sehr oft ist das auch eine Angelegenheit der Privatfirmen, die sich da nicht viel reinreden lassen. Es ist sicher eine ziemlich interessante Lösung, aber ich bin mir nicht über die Art sicher, wie sich das anwenden ließe, wie man das praktisch umsetzen könnte."
Bis 2010 soll die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt gemacht werden. Eine aktive Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen ist dafür eine wichtige Voraussetzung, im Jahr 2010 soll die Frauenbeschäftigungsquote 60 Prozent betragen. Dafür müssen aber auch die Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern geschaffen werden. Und gerade in diesem Bereich gibt es große strukturelle Unterschiede. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist in vielen neuen EU-Ländern und auch in Tschechien immer noch überwiegend eine Frauenangelegenheit. Schuld daran sei unter anderem die unzureichende Familienpolitik der Regierung und die Unflexibilität der Arbeitgeber, so Alena Králíková von "Gender Studies". Dass es auch anders geht, zeigen Länder wie Schweden oder Dänemark, wo beispielsweise Elternschaftsurlaub nicht nur eine Wortneuschöpfung ohne Inhalt ist. In Tschechien aber werde an alten Rollenbildern festgehalten, die im Endeffekt nicht nur Frauen, sondern auch Männer diskriminieren, so Alena Králíková:
"Es gibt so ein Vorurteil, dass der Mann einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen und ein Haus bauen muss. Aber so wie es eine Gruppe von Frauen gibt, die vor allem Karriere machen möchten, gibt es genauso eine Gruppe von Männern, die zu Hause bleiben und sich den Kindern widmen möchten und die Karriere einfach der Frau überlassen wollen. Daran ist auch überhaupt nichts Schlechtes. Aber so wie die Karrierefrauen negativ wahr genommen werden, werden ähnlich negativ die Männer wahr genommen, die in Elternschaftsurlaub gehen."
Viele, insbesondere junge tschechische Männer sind sich des Problems der Ungleichstellung von Mann und Frau vor allem auf dem Arbeitsmarkt durchaus bewusst. Andererseits sind sie großteils noch so in den alten Rollenmustern verhaftet, dass es für sie schwierig ist, ihren Platz in dem sich verändernden Gesellschaftsgefüge zu finden, wie Alena Králíková zu berichten weiß:
"Die Frauen werden von einer Reihe Organisationen und Gruppierungen beraten, was sie machen sollen, wie sie sich gegen Diskriminierung wehren können. Aber die Männer berät niemand, wie sie damit zurecht kommen sollen, dass die Frauen auf einmal die Rolle ändern. Und sie wurden so erzogen, dass die Frau immer zu Hause ist, dass es ein warmes Abendessen gibt. Männer denken auch darüber nach. Es geht nicht einfach darum, dass sie sagen: "Ihr seid schlecht, weil ihr emanzipiert seid.", sondern dass sie meinen: "Ich wünsche euch, dass ihr emanzipiert seid, aber was soll ich jetzt damit tun?"
Die Gründung der Frauenpartei "Chancengleichheit" wird das Problem der Ungleichstellung sicherlich nicht von heute auf morgen lösen können. Die Diskussion darüber aber hat sie wieder neu entfacht.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt