Verabschiedung des Wahlgesetzes wird immer zwingender
In genau einem Jahr sollen in der Tschechischen Republik die nächsten Wahlen zum Abgeordnetenhaus stattfinden. Zur Zeit wäre ihre Durchführung jedoch gar nicht möglich. Der triftige Grund: es fehlt das gültige Wahlgesetz. Deshalb müssen die Abgeordneten und Senatoren noch vor der Sommerpause ihre "Hausaufgaben" erledigen, wollen sie die für Juni 2002 geplanten Wahlen nicht gefährden. Mehr zu diesem Thema von Lothar Martin.
Auf dem Tisch liegen derzeit zwei Entwürfe zum Wahlgesetz: der am Mittwoch vom sozialdemokratischen Kabinett verabschiedete und der von der Viererkoalition ausgearbeitete. Beide Entwürfe müssen noch in diesen Tagen von beiden Kammern des tschechischen Parlaments behandelt und zu einer Kompromisslösung geführt werden, die bei der Abstimmung sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat die erforderliche Mehrheit erhält. Anderenfalls kann das eintreten, was Innenminister Stanislav Gross so beschreibt: "Wenn wir das jetzt nicht behandeln, könnte es passieren, dass der Entwurf zum Wahlgesetz nicht auf die Tagesordnung der Juni-Sitzung, sondern erst auf die der Oktober-Sitzung des Abgeordnetenhauses gelangt. Und das könnte bei Einhaltung der festgeschriebenen legislativen Prozeduren in der Tat eine sehr große Gefährdung dessen bedeuten, dass zum vorgesehenen Termin überhaupt Wahlen stattfinden werden."
Damit es noch in diesem Monat zu einem Kompromiss bei beiden Entwürfen und damit zu einer Einigung zwischen den Sozialdemokraten und der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) auf der einen Seite sowie der Viererkoalition auf der anderen Seite kommen kann, muss vor allem ein Streitpunkt geklärt werden: die unterschiedliche Auslegung der Fünf-Prozent-Hürde, deren Überwindung zum Einzug ins Abgeordnetenhaus berechtigt. Während die Viererkoalition davon ausgeht, dass für das Abgeordnetenmandat auch für sie als Koalition vierer Parteien die einfache Fünf-Prozent-Regel gilt, rechnet man nach dem Regierungsentwurf wie folgt: vier Parteien á fünf Prozent macht 20 Prozent, die für eine Vierer-Koalition notwendig sind, um überhaupt im Unterhaus des Parlaments Platz nehmen zu dürfen.
Kein Wunder, dass der Vorsitzende der Viererkoalition und zugleich der Freiheitsunion, Karel Kühnl, den Regierungsentwurf mit den Worten geißelt, dass dieser de facto "das Verbot von Koalition" bedeutet. Doch dieser Knackpunkt muss alsbald gelöst werden, will man sich quasi nicht selbst in Frage stellen. Denn ohne Wahlgesetz - keine Wahlen und ohne Wahlen - keine lukrativen Abgeordnetensitze. Über die weiteren Veränderungen gegenüber dem bisherigen Wahlgesetz ist man sich dagegen schon so gut wie einig. Denn wie beide Entwürfe vorsehen, soll die Zahl der Wahlbezirke von acht auf 14 erhöht werden. Die im vorangegangenen Entwurf beabsichtigte Erhöhung auf 35 Wahlbezirke war nach einem Einspruch von Staatspräsident Vaclav Havel durch das Verfassungsgericht in Brno/Brünn abgewiesen worden. Zum alten Modus zurück will man auch mit der Ausschreibung der Wahlganges auf zwei Tage (Freitag Nachmittag und Samstag Vormittag) gelangen. Die Festlegung auf den Sonntag als Wahltermin hatte nämlich bei den letzten Senatswahlen im November vergangenen Jahres das bisher schlechteste Ergebnis bei der Wahlbeteiligung seit der Wende 1989 nach sich gezogen.