Karel Havlícek Borovský - Begründer der Journalistik und literarischen Satire

Und nun besuchen Sie den Kultursalon, in dem Markéta Maurová auf Sie wartet. Die heutige Sendung ist der herausragenden Persönlichkeit der tschechischen Literatur und Gesellschaft des 19. Jahrhundert, dem Begründer der tschechischen literarischen Satire und Journalistik gewidmet. Am 31. Oktober haben wir nämlich den 180. Geburtstag von Karel Havlícek Borovský gefeiert.

Ich heiße Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, im Kultursalon von Radio Prag herzlich willkommen. Karel Havlícek Borovský wurde am 31. Oktober 1821 in der Familie eines Kaufmanns im ostböhmischen Borová geboren. Als achtzehnjähriger Philosophiestudent in Prag entschloss er sich, tschechischer Dichter zu werden. Von großer Bedeutung für die Gestaltung seiner politischen Ansichten war ein zweijähriger Aufenthalt in Moskau. Die tschechische nationale Bewegung könne in Russland keine Unterstützung suchen, die panslawische Ideologie sei schön, aber wenig praktisch - hieß Havlíceks Erfahrung.

1846 übernahm Havlícek die Redaktion des Blattes Prazske noviny, in dem er aktuelle Probleme im Sinne des Liberalismus erörterte. Im Frühling des Revolutionsjahres 1848 wurde er Redakteur des ersten tschechischen liberalen Blattes, Narodni noviny. Als Abgeordneter beim Reichstag und einer der Vorbereiter des Slawenkongresses in Prag war Havlícek zwar auch als Politiker tätig, den Schwerpunkt seiner Aktivität bildete jedoch der Journalismus. Einer großen Beliebtheit erfreuten sich nicht nur Havliceks politische Artikel, sondern auch seine Epigramme und satirischen Verse.

Demokratisch

Mit den Herren geh nicht auf´s Eis,

Vasek, bleib alleine.

So ein Herr rutscht aus,

und du brichst dabei die Beine.

Indifferent

Mädel, liebe alle, trage kein Bedenken,

aber etwas Liebe musst du mir auch schenken.

Regen fällt auf alle, gleich dem Sonnenscheine,

will dich nicht, mein Liebchen, haben ganz alleine.

Vielen tschechischen Dichtern

Wie süß ist´s, das Vaterland zu lieben,

wie oft habt ihr das schon niedergeschrieben.

Doch soll ihn diese Liebe von Nutzen sein,

gebt euer Lied nicht beim Drucker ein.


Havlíceks journalistische Tätigkeit entwickelte sich in Böhmen zur Zeit, in der im Nachbarland die Bewegung Junges Deutschland an Bedeutung gewann. Kann man dabei Parallelen feststellen, fragte ich den Literaturprofessor Peter Demetz, der kürzlich Havliceks "Polemische Schriften" zur deutschen Herausgabe vorbereitete?

Nach der Niederlage der Revolution von 1848 blieb Havlícek der einzige oppositionelle Journalist. Nachdem er gezwungen worden war, seine Narodni noviny einzustellen, gab er in Kutna Hora (Kuttenberg) - in Prag war es nicht mehr möglich - die politische Zeitschrift Slovan heraus, wodurch er jedoch die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zog: Einzelne Nummern wurden konfisziert, die Zeitschrift durfte in Prag nicht verbreitet werden und Havlícek selbst wurde einer ständigen Schikane ausgesetzt. Im November 1851 musste er sich sogar - wie es schon früher mehrmals der Fall war - vor dem Gericht verteidigen. Kurz danach zog sich Havlicek in die Stadt seiner Eltern zurück. Über sein weiteres Schicksal erzählt die Direktorin des Havlicek-Museums in Havlickuv Brod, Jana Berankova:

"Natürlich ist er nicht freiwillig umgezogen, dies passierte unter dem Einfluss des Kuttenberger Prozesses. Obwohl er den Prozess gewann, entschloss er sich, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen und dem Wirtschaften zu widmen. Er kehrte nach Deutsch-Brod zurück - seit 1945 heißt die Stadt übrigens Havlíckuv Brod. Die Regierung war jedoch anderer Ansicht als Havlícek: Er blieb hier nur drei Monate und schaffte es nicht, seine Pläne zu realisieren. In der Nacht vom 15. zum 16. Dezember trat er seinen langen weg nach Brixen an."

In Brixen in Südtirol, wo Havlícek 3,5 Jahre verbrachte, entstanden seine berühmtesten Satiren: die "Tiroler Elegien", "Die Taufe des hl. Vladimir" und "König Lavra". Beim Anlass des 150. Jahrestags dieses Exilaufenthalts wurden Ende Oktober in Brixen (Bressanone) mehrere Gedenkveranstaltungen organisiert. Ich bat dort den Literaturhistoriker Jiri Morava ans Mikrophon, der seit den 70er Jahren in Innsbruck lebt und seine wissenschaftliche Arbeit einer systematischen Erforschung des Lebens und Werkes von Karel Havlícek Borovsky gewidmet hat.

Havliceks Aufenthalt in Prag nach seiner Rückkehr dauerte nur kurz. Im Sommer 1856, ist er, im Alter von kaum 35 Jahren an Tuberkulose gestorben. Nach dem Tod wurde Karel Havlicek Borovsky zur symbolischen Figur des Kampfes gegen Unterdrückung sowie für die Ideale der Demokratie und Nationalfreiheit.