Česko-Tyrolsko! – Tschechen in Südtirol sind mehr als Apfelpflücker

Sie wissen nicht, was die Tschechische Republik und die heute italienische Provinz Südtirol gemeinsam haben? Damit sind Sie keineswegs allein. Diese Wissenlücke will aber der südtirolische Journalist Thomas Sigmund schließen. Er hat über die tirolerisch-tschechischen Beziehungen zwei Dokumentarfilme für den Sender Bozen des italienischen Fernsehens RAI gedreht. Sie haben am kommenden Samstag auf einem internationalen Begegnungstag „Tschechien – Südtirol“ Premiere. Patrick Gschwend hat mit Thomas Sigmund darüber gesprochen.

Herr Sigmund, am kommenden Samstag, dem 17. Januar, haben in Brixen in Südtirol zwei Dokumentarfilme Premiere, für die Sie verantwortlich sind. Das Thema: Südtirol und Tschechien. Worum geht´s genau?

„Der erste Film heißt ‚I bin a Tschech’. Die Geschichte des Filmes handelt von den Brüdern Pavel und Franz Gamper. Ihre Familie wanderte im Jahre 1939 aufgrund der so genannten ‚Option in Südtirol’ in das Großdeutsche Reich aus, genauer in den damaligen Reichsgau Sudetenland. Und anders als andere Optantenfamilien kehrten sie nicht mehr nach Südtirol zurück. Der Dokumentarfilm beschreibt das Leben der Südtiroler mit italienischen Pässen zwischen den Staats- und Systemgrenzen im Kalten Krieg und ihre Suche nach einer Identität. Und bei dem zweiten Dokumentarfilm handelt es sich um den Film ‚Česko-Tyrolsko! Tirolerisch-Tschechische Begegnungen’. In diesem Film werden viele Berührungspunkte oder viele Gemeinsamkeiten aufgezeigt, die das heutige Südtirol mit der heutigen Tschechischen Republik hat.“

Welche Verbindungen existieren denn noch zwischen beiden Ländern?

„Brixen war der Exilort von Karel Havlíček Borovský. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, den Südtirolern diese historische Figur, den Nationalhelden Karel Havlíček, vorzustellen. Im Mittelpunkt steht natürlich die Stadt Brixen, aber auch Havlíčkův Brod, und eine Partnerschaft, die im Jahr 2005 von den beiden Städten abgeschlossen wurde. Diese Gemeinsamkeiten zwischen Südtirol und der Tschechischen Republik sind eigentlich sehr alt. Sie gehen zurück bis ins Mittelalter. Und jetzt, 20 Jahre nach der Öffnung des Eisernen Vorhanges, wollen wir verdeutlichen, dass Tschechen und Südtiroler nicht nur gute Freunde sind, sondern eigentlich auch gute Bekannte.“

Wie ist es um die heutigen Beziehungen zwischen Südtirol und Tschechien bestellt? Ich höre heraus, dass da Unwissen besteht.

„Viele Südtiroler kennen den Tschechen als guten Erntepflücker. Viele Südtiroler haben es auch vergessen, dass im Ersten Weltkrieg sehr viele Menschen aus der heutigen Tschechischen Republik für unser Land gekämpft haben. Das alles ist in den letzten Jahrzehnten einfach geschichtlich bedingt in Vergessenheit geraten.“

Es gibt am Premierenabend noch eine Podiumsdiskussion. Worüber soll diskutiert werden?

Es gibt eine Diskussion zum Thema ‚Karel Havlíček Borovský und Andreas Hofer – Volkshelden zweier Länder – Braucht es heute in einem vereinten Europa noch Volkshelden?’

Das wird am Samstag geschehen, um 19:30 in der Cusanus Akademie in Brixen.