Causa IPB
Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßt Sie Rudi Hermann. Die Parlamentskommission zur Untersuchung des Verkaufs der Investicni a postovni banka IPB an die CSOB vor rund einem Jahr hat vor zwei Wochen ihren Bericht dem Parlamentsplenum vorgelegt. In diesem Bericht werden zahlreiche Schuldzuweisungen für Intransparenz und Versäumnisse an tschechische Politiker, darunter die einstigen Finanzminister Pavel Mertlik und Ivan Pilip oder damalige Vertreter des Nationalen Besitztumsfonds, der staatlichen Privatisierungsagentur, gemacht. Kommentatoren bezeichneten den Bericht allerdings vor allem als Produkt eines Umfelds, das zunehmend im Zeichen von Wahlkampfinteressen steht. Ein Rückblick auf die Causa IPB ist Thema der folgenden Minuten, zu denen wir guten Empfang wünschen.
In den ersten Julitagen hat die Parlamentskommission zur Untersuchung des vor rund einem Jahr überraschend schnell eingeleiteten Verkaufs der vor dem Zusammenbruch stehenden Grossbank IPB an die CSOB einen Bericht vorgestellt, der die Geschichte der unglücklichen Privatisierung der IPB bis zum umstrittenen Verkauf an die CSOB nachzeichnet.
Entscheidend waren gemäss der Untersuchungskommission die folgenden Etappen: Der erste gravierende Fehler passierte im Jahr 1993, als der Nationale Besitztumsfonds als Verwalter des staatlichen Vermögens es verpasste, bei einer Kapitalerhöhung der IPB mitzumachen und damit die Möglichkeit aus der Hand gab, die Entwicklung der Bank massgeblich mitzubestimmen. Denn durch das Abseitsstehen bei der Kapitalerhöhung verminderte sich der Staatsanteil erheblich, und der Staat verlor damit die Stimmkraft, um in wesentlichem Masse auf den Kurs des Finanzinstituts einzuwirken. Ein zweiter entscheidender Fehler geschah dadurch, dass der Staat seine Aktionärsrechte nur ungenügend wahrnahm und die Führung der Bank fast ausschliesslich deren Management überliess. Auch bei der Privatisierung des staatlichen Minderheitsanteils an die japanische Investitionsbank Nomura hatte der Staat laut dem Untersuchungsbericht keine glückliche Hand. Einerseits stand der Verkauf des Staatsanteils, der nur noch rund einen Drittel des Aktienkapitals ausmachte, deshalb unter einem schlechten Stern, weil es sich um eine Minderheitsbeteiligung handelte, die dem neuen Investor nur beschränkte Möglichkeiten der Einflussnahme bot und für die deshalb auch kein grosses Interesse auf dem Markt bestand.
Und andrerseits erwies sich der Käufer Nomura nicht als der erhoffte langfristige strategische Investor. Der Nationalbank wirft die Parlamentskommission vor, die Bankaufsicht ungenügend durchgeführt und Missstände zu spät aufgedeckt zu haben. Der Bericht räumt zwar ein, dass im Juni 2000 die Teilnahme des Staates bei der Rettung der IPB, die damals vor einem Kollaps mit unabsehbaren Folgen für die tschechische Wirtschaft stand, unabdingbar gewesen sei. Finanzminister Mertlik und Nationalbankgouverneur Tosovsky, die den Blitzverkauf an die CSOB eingefädelt und abgewickelt hatten, wird aber angekreidet, sie hätten ein intransparentes Auswahlverfahren durchgeführt und Verträge ausgehandelt, die einseitig ungünstig für den Staat und im Gegenteil einseitig vorteilhaft für die CSOB gewesen seien.
Die Präsentation des Berichts im Parlament wurde von einer hitzigen Diskussion begleitet, in der die Kontrahenten die gleichen waren wie schon vor einem Jahr beim Verkauf der IPB. Die Demokratische Bürgerpartei ODS kritisierte einmal mehr, dass die IPB der CSOB praktisch geschenkt worden sei; früher hatten ODS-Spitzenvertreter von einem Bankraub am hellichten Tag unter staatlicher Assistenz gesprochen. Die sozialdemokratische Regierungspartei hielt dem entgegen, dass es darum gegangen sei, den vollständigen Zusammenbruch einer Bank zu vermeiden, die mit mehr als drei Millionen Konten einen Marktanteil in Tschechien von rund einem Drittel gehalten habe und deren Bankrott zu schweren Erschütterungen der Wirtschaft geführt hätte. Die heftige Reaktion von ODS-Vertretern wurde von Kommentatoren damit erklärt, dass es diese Partei gewesen sei, die mit der IPB und deren zweifelhaften bis dubiosen Geschäften in einem Filz von Politik und Wirtschaft besonders stark verbandelt gewesen sei.
An der Arbeit der Untersuchungskommission wurde kritisiert, dass diese zwar konstatiert habe, die schlechte Situation in der IPB sei durch ungenügendes Management und das Verhalten der Hauptaktionäre herbeigeführt worden, dass auf eine eingehende Prüfung dieser Fehler aber verzichtet worden sei. Der frühere Vorsitzende des nationalen Besitztumsfonds, Tomas Jezek, der zu denjenigen gehörte, die im Untersuchungsbericht angegriffen wurden, konterte in einem Presseinterview, dass die Parlamentskommission bei einem freiwilligen Verzicht auf eine Prüfung des Managementgebarens das Ergebnis der Untersuchung vorweg genommen habe. Es sei gerade so, wie wenn die Leiche von jemand seziert werde, der an Krebs gestorben sei, im Protokoll aber verschwiegen werde, dass dieser täglich 100 Zigaretten geraucht habe. Gerade aus diesem Grund meinten auch aussenstehende Analytiker, der Bericht habe eher politischen als sachbezogenen Charakter. Dies erstaunt im Übrigen nicht, denn Vorboten der Kampagne zu den Parlamentswahlen vom nächsten Frühjahr sind hier und da schon auszumachen, und ein komplexes und gleichzeitig kontroverses Thema, wie es der Fall IPB, ist eignet sich ausgezeichnet zu vereinfachenden Darstellungen im eigenen Interesse.
Warf die Parlamentskommission dem früheren Finanzminister Mertlik vor, für den Staat einseitig unvorteilhafte und für die CSOB einseitig vorteilhafte Verträge ausgehandelt zu haben, beispielsweise durch die Gewährung von Staatsgarantien, so teilten nicht alle Abgeordneten diese Sichtweise. Der Abgeordnete Vladimir Mlynar von der liberalen Freiheitsunion beispielsweise wurde in der Tageszeitung Mlada Fronta dnes mit den Worten zitiert, nach dem Studium des Untersuchungsberichts sehe er nicht ein, worin die unberechtigten Vorteile der CSOB bestanden haben sollen. Denn der Bericht enthalte nichts darüber, dass andere Interessenten für den Kauf der IPB vom Staat keine Garantien verlangt hätten. Auf diese Argumentation wurde auch in einem Kommentar der Tageszeitung Mlada Fronta dnes zurückgegriffen. Dort hiess es, die Schlussfolgerungen der Kommission, die Regierung habe sich allzu schnell mit der CSOB geeinigt und ihr luxuriöse Garantien angeboten, seien eindeutig als politisch und nicht faktisch anzusehen. Denn es fehle jegliches Beweismaterial, dass man die Aktion billiger und besser hätte durchführen können. Es sei zwar interessant zu wissen, dass die CSOB einen Übernahmeplan für die krisengeschüttelte CSOB in der Schublade gehabt habe. Doch das sei legitim, ebenso wie die Tatsache, dass der Finanzminister mit ihr, wie auch mit anderen Subjekten, verhandelt habe. Im Untersuchungsbericht werde dies als Komplott und Skandal präsentiert. Dem wäre aber nur dann so gewesen, wenn zur gegebenen Zeit eine Alternative auf dem Tisch gelegen hätte, wie die Bank zu retten sei. Doch es sei evident, dass darüber auch das Parlament nichts in Erfahrung gebracht habe. Nichts werde darüber gesagt, zu welchen Bedingungen Unicredito, der zweite Interessent, eine Übernahme erwogen habe. Der Kommentator kam deshalb zum Schluss, der Bericht habe weder die Ursachen der Agonie der IPB geprüft noch ein Rezept für eine andere Sanierungskur präsentiert.
Und damit sind wir am Ende der heutigen Ausgabe von Wirtschaft und Wissenschaft, diesmal zum Fall IPB, der auch nach einem Jahr in Tschechien immer noch hohe Wellen wirft und als Wahlkampfthema auch noch einige Zeit hohe Wellen werfen dürfte.