Barockweihnachten mit dem "Collegium Marianum"

Collegium Marianum

"Collegium Marianum" ist ein Musik- und Tanzensemble, welches sich auf Barockmusik und auf die historische Aufführungspraxis spezialisiert. Um Ihnen dieses Ensemble vorzustellen, haben wir seine künstlerische Leiterin, Jana Semeradova, in den heutigen Kultursalon eingeladen. Und um dem Salon eine weihnachtliche Atmosphäre zu verleihen, lassen wir darin böhmische Weihnachtsmusik aus der Barockzeit in der Interpretation vom "Collegium Marianum" erklingen. Durch die Sendung begleiten Sie Silja Schultheis und Markéta Maurová.

Das Ensemble "Collegium Marianum" hat bereits vor längerer Zeit meine Aufmerksamkeit erweckt. Als es in diesem Jahr mit einem Konzertzyklus unter dem Titel "Böhmisch-deutsche Inspiration" aufwartete, veranlasste mich dies endlich, das ehemalige Serviten-Kloster in der Prager Melantrichova Gasse aufzusuchen, in dem das Ensemble untergebracht ist. Mein Gespräch mit Jana Semeradova begann mit der "Böhmisch-deutschen Inspiration":

"Wir haben dem diesjährigen Herbst- und Frühjahrszyklus den Namen "Böhmisch-deutsche Inspiration" gegeben. Es erklingen darin sowohl deutsche als auch tschechische Namen. Wir wollen auf die Verflechtung dieser Komponisten verweisen: entweder sind sie Tschechen, die ins Ausland, namentlich nach Deutschland reisten und dort tätig waren. Das ist z.B. der Fall bei Jan Dismas Zelenka und anderen. Oder es sind deutsche Komponisten, die in Böhmen tätig waren: sie wurden hier geboren oder kamen hierher und wirkten in Prag oder in Städten im Grenzgebiet: Kridel, Hammerschmied, Johann Kaspar Ferdinand Fischer und weitere."

In den meisten Fällen sind die Komponisten, die vom "Collegium Marianum" aufgeführt werden, in Konzerten nur selten zu hören. Nach ihren Werken muss man in verschiedenen Archiven und Bibliotheken suchen.

"Es handelt sich um Komponisten, die zu Unrecht vergessen wurden und meiner Meinung nach größere Aufmerksamkeit verdienen. Und zu ihrer größeren Popularität wollen wir dadurch beitragen, dass wir ihre Kompositionen mit Werken tschechischer Autoren konfrontieren. Z.B. hielt sich Johann Joachim Quantz, ein weltbekannter Flötist, der als Lehrer des preußischen Königs Friedrich wirkte, einige Zeit in Prag auf. Um das Jahr 1723 traf sich in Prag eine zahlenmäßig starke Gesellschaft von Musikern, die hier ihre Erfahrungen austauschten. Daran kann man sehen, dass es hier eine starke Verflechtung gab. Es gab keine Flugzeuge, keine Züge, aber die Musik kannte keine Grenzen."

In der Barockzeit gab es einen regen Austausch zwischen einzelnen Musikzentren. Die Musiker reisten häufig in fremde Länder, um dort eine Ausbildung zu erhalten und um dort zu arbeiten, und gleichzeitig übernahmen sie neue Anregungen und Musikideen. Was konnte die Komponisten aus dem Ausland veranlassen, gerade nach Böhmen zu gehen und hier Geltung zu suchen?

"Eben im Jahr 1723 war es eine großartige Vorstellung, die auf der Prager Burg stattfand. Es handelte sich um eine Feier anlässlich der Krönung Karls VI. zum böhmischen König, bei der die Oper "Constanza e Fortezza" von Johann Joseph Fux aufgeführt wurde. Diese Vorstellung hatte eine so bedeutende Stellung in der Musikgeschichte, dass sie eine Menge Musiker aus Italien, Österreich, aber eben auch aus Deutschland anzog. Sie kamen hier zusammen, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen und sich wohl auch als Orchesterspieler daran zu beteiligen. Übrigens, im Orchester saßen damals 200 Musiker, es war also kein kleines Barockorchester, und auf der Bühne trat eine große Zahl an Tänzern und Sängern auf. In jenem Halbjahr herrschte in Prag sicher ein reges musikalisches Leben und einige der Musiker blieben hier auch später, im Dienste des einen oder anderen Adeligen."

Das Ensemble konzentriert sich überwiegend auf die Aufführung von Barockmusik. Seine Mitglieder spielen auf nachgemachten historischen Instrumenten und sogar auf Originalinstrumenten aus der Barockzeit und streben eine möglichst wahrheitsgetreue Interpretation an. Zum Orchester gehört aber auch ein Tanzensemble, das auf der Grundlage historischer Quellen den Ballettstil der Barockzeit zeigt. Den Tänzern stehen genaue Beschreibungen und Zeichnungen jedes Schrittes und jeder Bewegungen zur Verfügung. Schwieriger ist es für die Musiker, denn Tonaufnahmen aus der Barockzeit gibt es natürlich nicht...

"Das erfordert natürlich mehr Zeit. Man muss sich nicht nur mit der Notenaufzeichnung beschäftigen, sondern ins Archiv gehen und auch nichtmusikalische Quellen erforschen. Wir müssen u.a. Traktate studieren, in denen beschrieben wird, auf welche Art und Weise die Musik einmal aufgeführt wurde, was dabei wesentlich und was weniger wichtig war. Wovon dabei immer gesprochen wird, das ist der gute Geschmack. Aber wie können wir heute wissen, wie damals der gute Geschmack aussah? War er so wie heute, oder hat er sich verändert? Wenn man weiter und weiter liest, findet man die Ästhetik jener Zeit. Das Begreifen dieser Ästhetik ist eine Grundlage für die Problematik der Interpretation."

Die Konzerte des "Collegium Marianum" sind häufig thematisch gestaltet. Der Konzertzyklus "Böhmisch-deutsche Inspiration" wurde im Einklang mit dem Kirchenjahr und dessen Festen konzipiert. Die geistige Musik über die letzten Dinge des Menschen wurde im November, anlässlich des kirchlichen Feiertages Allerheiligen vorgestellt. Anfang Dezember folgte tschechische und deutsche Adventsmusik. Und am kommenden Wochenende, dem 28. und 29. Dezember, wird es im prächtigen Bibliotheksaal des Servitenklosters in der Nähe des Altstädter Rings, in dem alle Konzerte stattfinden, weihnachtlich sein:

"Im Weihnachtskonzert, das den Namen "Pastorale pro Natali Domini" trägt, werden wir Lieder aus böhmischen Gesangbüchern aufführen, denen deutsche Versionen als Vorlage dienten. Wir singen z.B. zuerst "Es ist ein Ros´ entsprungen" von Praetorius und unmittelbar darauf "Ach kdoz podpal" - die tschechische Fassung, die der Prager Jesuit Bedrich Briedel für diese Melodie erfand. Ein anderes Beispiel ist "Zdoroslavícek" - die deutsche "Trutznachtigall" von Friedrich Spee. Spee war ein deutscher Jesuit und ein großes Vorbild für Felix Kadlinsky, der die Trutznachtigall eigentlich wörtlich übersetzte und auf dieser Grundlage eine Sammlung barocker Texte und Lieder schuf. Man kann daran sehen und hören, wie lebendig die Musik war und wie eine gewisse Melodie, die ideenreich und tragfähig genug war, durch verschiedene Länder zog und auf unterschiedliche Weise vertextet wurde."

Und mit der Einladung zu diesem Weihnachtskonzert geht unser heutiger Kultursalon zu Ende. Jana Semeradova und das "Collegium Marianum" verabschieden sich von uns mit einem Weihnachtslied von Václav Karel Holan Rovensky. Auf ein Wiederhören freuen sich Silja Schultheis und Markéta Maurová.