Rorate coeli: die wieder entdeckte Sakralmusik von Collegium Marianum
Wenn man sich das Programm der verschiedenen Weihnachtskonzerte in Prag anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, dass es hierzulande nur eine einzige Weihnachtsmesse und höchstens zwei, drei Weihnachtslieder gibt. Denn aufgeführt werden vor allem Werke, die die Leute gut kennen und oft fast auch mitsingen können. Anfang des 18. Jahrhunderts gab es in Böhmen mehrere hoch begabte Komponisten, die alle auch Sakralmusik für die Weihnachtszeit geschrieben hatte. Eine Auswahl von weniger bekannten Advents- und Weihnachtsmelodien findet man auf der neuesten CD des Ensembles Collegium Marianum.
Für die Advents- und Weihnachtsmusik des 18. Jahrhunderts sind nicht nur Themen – wie beispielsweise die Marienverehrung – typisch, sondern auch eigene liturgische und musikalische Formen. In den Liedern aus dieser Zeit erklingt neben Latein auch Tschechisch und in den Kompositionen sind viele Elemente der Volksfrömmigkeit enthalten. In den böhmischen Ländern gab es die Tradition der so genannten „roráty“ – also „Rorate-Gesänge“. Diese begleiteten eine morgendliche Messe zu Ehren der Jungfrau Maria. Oft wurden sie in Tschechisch gesungen. Die Bezeichnung „roráty“ entstammt dem ersten lateinischen Vers von der Messe: „rorate coeli desuper“ zu Deutsch „Tauet Himmel den Gerechten“. Von hier kommt der Titel der neuesten CD des Ensembles Collegium Marianum „Rorate coeli“. Flötistin Jana Semerádová ist künstlerische Leiterin des Collegium Marianum.
„Als wir das Repertoire für die Anthologie der Advent- und Weihnachtsmusik zusammenstellten, suchten wir vor allem Komponisten aus, die im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wirkten. Zu ihnen gehört auch Antonín Reichenauer, der fast in Vergessenheit geraten ist. Dank Musikwissenschaftlern wurden seine Kompositionen wieder entdeckt und sie werden vor allem von Ensembles gespielt, die sich auf Barockmusik spezialisieren. Auf der CD taucht Reichenauer gleich dreimal auf: Wir haben für die Aufnahme zwei seiner Arien und seine Triosonate in D-Dur ausgesucht.“
Über das Leben von Reichenauer weiß man nur wenig. Es steht fest, dass der Komponist die letzten zehn Jahre seines Lebens in Prag verbrachte. Reichenauer, der unter anderem in den Diensten des Grafen Václav Morzin tätig war, schrieb mehrere Werke im Stil Antonio Vivaldis. Es sind auch viele seiner Sakralkompositionen erhalten geblieben, wie beispielsweise die Arie „O coeli rorate“.
Ein anderer Barockkomponist, dessen Werke das Collegium Marianum für seine CD aussuchte, ist Václav Karel Holan Rovenský. Er wurde 1644 in Rovensko pod Troskami in Nordböhmen geboren. Er wirkte in Rovensko und in Turnov in verschiedenen Berufen – als Lehrer, Organist sowie Stadtschreiber. Später war Holan Organist an der St. Peter- und Paul-Kirche auf dem Prager Vysehrad. Damals in den Jahren 1693/94 erschien sein Gesangsbuch „Capella Regia Musicalis“. Es war eine Sammlung mehrstimmiger Lieder. Einige Texte verfasste Holan selbst. Jana Semerádová:
„Holan hat in seiner Sammlung viele wunderschöne Advents- und Weihnachtslieder. Mehrere der Melodien sind bis heute bekannt. Oft werden sie bei uns von verschiedenen Kirchenchören bei uns gesungen. Ich meine, dass diese Musik so herrlich ist, dass man die CD nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit, sondern auch noch lange nach dem 24. Dezember hören kann.“
Hören Sie jetzt das Weihnachtslied „Zum Jesuskind“ von Václav Karel Holan Rovenský.
Auf der neuen CD darf einer der bekanntesten tschechischen Barockkomponisten nicht fehlen: Jan Dismas Zelenka. Die meisten seiner erhaltenen Werke hat er für die katholische Sakralmusik am Dresdner Hof geschrieben, wo er angestellt war. Hören Sie jetzt einen Ausschnitt aus seiner Komposition „Alma redemptoris Mater“, die in der Advents- und Weihanchtszeit erklungen ist: