Musik der Adelshöfe erklingt beim „Sommerfest der Alten Musik“ in Prag
In Prag beginnt am Dienstag das „Sommerfest der Alten Musik“. Der 22. Festivaljahrgang präsentiert in sieben Konzerten die Musik der Adelshöfe vom Mittelalter bis zum Rokoko.
Keine Instrumente, sondern menschliche Stimmen erklingen beim Eröffnungskonzert in der Kirche der Jungfrau Maria bei den Slawen. Die Sänger vom deutschen Calmus Ensemble präsentieren zum Auftakt geistliche Musik von Orlando di Lasso und weiteren zwei Komponisten der Renaissance. Die Festivalleiterin Josefína Knoblochová dazu:
„Ich freue mich sehr auf das Konzert. Denn die Kommunikation mit deutschen Künstlern, in diesem Fall mit dem Calmus Ensemble aus Leipzig, war sehr nett und angenehm. Es ist uns sogar gelungen, einen Interpretationsworkshop am Tag nach dem Konzert mit den Sängern zu verabreden. Es freut mich sehr, dass sie ihren Aufenthalt in Prag verlängern und uns noch mehr anbieten als ‚nur‘ das Eröffnungskonzert.“
Der Untertitel des 22. Festivals lautet „Nobilitas“. Schwerpunkt des Programms ist nämlich die Musik der Adelshöfe:
„Die Höfe haben eine enorme Rolle gespielt. Sie waren bedeutende Zentren des Kulturlebens im Mittelalter, in der Renaissance, im Barock, im Rokoko und selbstverständlich auch später. Da wir ein Festival für Alte Musik sind, konzentrieren wir uns eben auf die Zeit vom Mittelalter bis zum Rokoko.“
Die Hofmusik stand schon im vergangenen Jahr im Mittelpunkt des Festivals. Einige Projekte, die damals in Folge der Corona-Pandemie nicht realisiert werden konnten, wollte man nun noch unbedingt in diesem Jahr durchführen, sagt die Festivalleiterin:
„Das Thema der Adelshöfe ist in der Alten Musik praktisch unerschöpflich. Wir könnten zehn Festivaljahrgänge mit Musik füllen, die an den Höfen und für die Menschen dort komponiert wurde. Die Musik erklang dort damals bei allen möglichen Gelegenheiten, sie entstand im Auftrag einer zentralen Person des Hofes oder des gesamten Hofes.“
Ganz spezifische Formen an Kompositionen seien für die Welt der Adelshöfe entstanden, betont Knoblochová. Sie nennt das französische Divertissement als Beispiel:
„Diese Art der Barockoper entstand in Versailles. Das dortige Schloss verfügte bis 1777 über keine ständige Theaterbühne, an der man Opern aufführen konnte. Da aber der König und die Königin trotzdem Opern hören wollten, ist diese spezielle Form des Divertissements entstanden. Dabei handelt es sich um eine kurze Oper, die für eine konzertante Aufführung in einem Gemach oder einem Saal bestimmt war. Sie wurde ohne Kostüme sowie ohne Kulissen und Dekorationen gespielt. Desto effektiver und intensiver waren dann die musikalischen Mittel.“
Gerade ein solches Divertissement wird auch beim „Sommerfest der Alten Musik“ in Prag gespielt, nämlich „Le Retour des dieux sur la terre“ von François Colin de Blamont:
„Dieses Divertissement wurde im Jahr 1748 zum letzten Mal aufgeführt. Erst jetzt erklingt es zum ersten Mal wieder, im Abschlusskonzert des Festivals. Unser Hausensemble Collegium Marianum wird sieben französische Solisten begleiten.“
Das Projekt kommt dank einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem Centre de musique baroque de Versailles zustande:
„Benoit Dratwicki, der künstlerische Leiter des Zentrums ist ein großer Liebhaber von François Colin de Blamont. Er hat dieses Stück im Archiv entdeckt, die Noten vorbereitet und fehlende Teile hinzukomponiert, da Parts für einige Instrumente nicht erhalten geblieben sind. Er stellte uns das Notenmaterial zur Verfügung, das vom Zentrum herausgegeben wurde.“
Das Abschlusskonzert findet am 5. August in der Kirche der heiligen Simon und Judas statt. In weiteren Konzerten sind hervorragende ausländische Ensembles zu hören mit Werken Alter Musik, die etwa für die Könige Spaniens und Frankreichs sowie für die britische Prinzessin Anna von Hannover komponiert wurden. Veranstaltungsorte sind unter anderem das Schloss Troja, der neu rekonstruierte Šlechtovka-Saal im Prager Stadtpark Stromovka und mehrere Kirchenräume in Prag.
Mehr Informationen zum „Sommerfest der Alten Musik“ bietet die Website www.letnislavnosti.cz. Dort kann man auch die Karten bestellen.